VwGH Ra 2019/20/0422

VwGHRa 2019/20/042212.11.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des K S in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2019, W195 1416318-2/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z1
MRK Art8

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200422.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 20. Oktober 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er aus, er sei als Mitglied der Partei Jamaat-e-Islami von Angehörigen der Awami League mit dem Tod bedroht und fälschlicherweise eines Mordes beschuldigt worden, weshalb ihm auch Verfolgung durch die Familie des Opfers drohe. 2 Das (damals zuständige) Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und verfügte die Ausweisung des Revisionswerbers nach Bangladesch.

3 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Jänner 2016 stattgegeben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwiesen.

4 Mit Bescheid vom 6. März 2019 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz im zweiten Rechtsgang erneut zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Die Revision wendet sich in ihrem Vorbringen zur Begründung ihrer Zulässigkeit ausschließlich gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung. Insbesondere habe das Bundesverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich der Revisionswerber seit rund neun Jahren im Bundesgebiet befinde und ihn kein Verschulden an der Länge der Verfahrensdauer treffe. Er sei strafrechtlich unbescholten, in sprachlicher Hinsicht nachhaltig integriert, verfüge über keine Kontakte in seinem Herkunftsland mehr und habe sich in Österreich ein soziales Netz an Freunden und Bekannten aufgebaut.

10 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufhaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 24.9.2019, Ra 2019/20/0446, mwN).

11 Das persönliche Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247, mwN).

12 Die durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 27.8.2019, Ra 2019/20/0336, mwN).

13 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen seiner Interessenabwägung alle entscheidungswesentlichen und auch die zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände berücksichtigt, wobei es insbesondere die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich in seine Abwägung einbezogen hat. Die Revision legt mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen und mit der bloßen Wiederholung jener Umstände, die vom Bundesverwaltungsgericht bereits berücksichtigt wurden, nicht dar, dass diese Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre oder die Gewichtung dieser Umstände durch das Bundesverwaltungsgericht nicht mit den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien in Einklang stünde.

14 Soweit die Revision auf die fehlenden familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verweist, entfernt sie sich von den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen des BVwG, wonach die Kernfamilie des Revisionswerbers in Bangladesch lebe, ohne jedoch auszuführen, inwieweit die diesbezügliche Beweiswürdigung des BVwG fehlerhaft wäre, sodass schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen kann (vgl. nochmals VwGH 27.8.2019, Ra 2019/20/0336, mwN). 15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. November 2019

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