European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200336.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 29. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Zu den Gründen seiner Flucht brachte er vor, er habe vor seiner Schule zwei Taliban mit einem Sprengsatz beobachtet. Nachdem er den Vorfall der Polizei gemeldet habe, seien die Taliban festgenommen worden. In der Folge sei der Revisionswerber von den Taliban entführt und misshandelt worden. Aus Angst um sein Leben sei er aus Afghanistan geflüchtet. Im Fall seiner Rückkehr befürchte er, von den Taliban getötet zu werden. 2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 15. Mai 2017 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte es zusammengefasst aus, dass der Revisionswerber persönlich nicht glaubwürdig und das Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubhaft sei. Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Logar sei aufgrund der dortigen volatilen Sicherheitslage zwar nicht möglich, ihm stehe aber eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif zur Verfügung. 4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Der Revisionswerber wendet sich - zum Teil unter Hinweis auf das Vorliegen behaupteter Ermittlungsmängel - gegen die Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich seines Vorbringens zu den Gründen seiner Flucht.
8 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aber nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 15.2.2018, Ra 2018/01/0061, mwN). Dass die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, ist nicht ersichtlich, zumal das BVwG dem Fluchtvorbringen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in einer nicht als unschlüssig anzusehenden Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit absprach. Entgegen dem Revisionsvorbringen würdigte das Bundesverwaltungsgericht auch den vom Revisionswerber vorgelegten Drohbrief eingehend.
9 Soweit der Revisionswerber meint, dass sich das BVwG aufgrund der Tötung des jüngeren Bruders des Revisionswerbers durch die Taliban "mit den tatsächlichen Vorkommnissen in Afghanistan" hätte auseinandersetzen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht die behauptete Ermordung seines Bruders als unglaubwürdig einstufte. Eine diesbezüglich vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung wird nicht dargelegt. Entfernt sich die Revision aber von den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen, ist sie insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt und zeigt damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2018/20/0090, mwN).
10 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung deren Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0209, mwN). Die bloße Behauptung der Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften reicht nicht aus (vgl. für viele etwa VwGH 15.4.2019, Ra 2019/01/0109, mwN). Den genannten Anforderungen wird die vorliegende Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen zum Vorliegen von Ermittlungsmängeln, weil die von ihm beantragten Beweise nicht berücksichtigt und ergänzende Ermittlungen unterlassen worden seien, nicht gerecht. Angesichts der ausführlichen Würdigung des Vorbringens des Revisionswerbers durch das BVwG ist auch nicht zu sehen, dass die vorgenommene Beurteilung der Erforderlichkeit amtswegiger Erhebungen fallbezogen unvertretbar wäre (vgl. VwGH 17.5.2019, Ra 2019/01/0170, mwN).
11 Zu den behaupteten (Feststellungs‑)Mängeln im Bereich der Länderfeststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zur Beurteilung, ob dem Revisionswerber im Falle seiner Abschiebung die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, zeigt die Revision weder auf, welche konkreten Feststellungen fehlen würden, noch tut sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dar, zumal das BVwG von der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt Mazar-e Sharif ausgegangen ist, wogegen sich die Revision nicht konkret wendet.
12 Der in der Zulassungsbegründung ebenfalls bloß unsubstantiiert behauptete Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung im Zusammenhang mit der strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers in Österreich versagt schon deshalb als Zulässigkeitsgrund, weil dazu in den Revisionsgründen nichts mehr ausgeführt wird (vgl. VwGH 25.1.2019, Ra 2018/20/0483, mwN).
13 Wenn sich die Revision schließlich gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 11.6.2019, Ra 2019/20/0250, mwN). Mit ihrem auch diesbezüglich unsubstantiierten Vorbringen zeigt die Revision eine Unvertretbarkeit der vom BVwG durchgeführten Beurteilung nicht auf.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 27. August 2019
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