VwGH Ra 2019/19/0071

VwGHRa 2019/19/00715.3.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M M A A in W, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Jänner 2019, G305 2190014-1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190071.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 30. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, als Sunnite von den Schiiten verfolgt zu werden.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 23. Februar 2018 zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 3775-3776/2019-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen das Erkenntnis des BVwG erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 In der Folge erhob der Revisionswerber die gegenständliche außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, die Beweiswürdigung sowie die Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK seien unvertretbar, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft erfolgt, das BVwG habe kein Sachverständigengutachten bzw. keine gutachterliche Stellungnahme aus dem Fachbereich der Länderkunde eingeholt und dem Revisionswerber sei nur unzureichend Parteiengehör eingeräumt worden. Diese Abweichungen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes würden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung begründen, weil ihnen über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

8 Soweit sich die Revision erkennbar gegen die Beweiswürdigung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0394, mwN).

9 Das BVwG hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und erachtete es auf Grund von Widersprüchen und Inkonsistenzen als nicht glaubwürdig. Mit dem allgemeinen Vorbringen, das BVwG habe nicht "die Frage der Umstände der Asylrelevanz konkret geprüft", vermag die Revision nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung dabei unvertretbar erfolgt wäre.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0521, mwN).

11 Die Revision zeigt mit dem unsubstantiierten Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis verletze den Revisionswerber in seinem Recht auf Privat- und Familienleben sowie seine Autonomie und damit das der Garantie zugrunde liegenden Recht auf Selbstbestimmung, nicht auf, dass die Interessenabwägung des BVwG, in welcher dieses ausreichend auf die Umstände des Revisionswerbers einging, unvertretbar erfolgt wäre. 12 Soweit die Revision Verfahrensmängel ins Treffen führt, ist zu entgegnen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nicht ausreichend ist, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzutun (vgl. VwGH 10.7.2019, Ra 2019/19/0132, mwN). 13 Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihren pauschalen Ausführungen, wonach es das BVwG verabsäumt habe, hinsichtlich der Asylrelevanz der Angaben des Revisionswerbers ein "amtswegiges Ermittlungsverfahren nach der Offizialmaxime vorzunehmen", nicht gerecht. Die Revision legt nicht dar, welche weiteren Feststellungen - nach Durchführung weiterer Ermittlungen - zu treffen bzw. konkret welche weiteren Umstände zu erheben gewesen wären.

14 Das gilt ebenso für das Vorbringen, das BVwG hätte ein Sachverständigengutachten einholen müssen, zumal die Revision nicht darlegt, warum das BVwG - ohne entsprechenden Beweisantrag unter Bekanntgabe des Beweisthemas - fallbezogen von der Erforderlichkeit dieser Beweisaufnahmen ausgehen hätte sollen (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2018/19/0557, mwN).

15 Auch die (allfällige) Verletzung des Parteiengehörs bewirkt nur dann einen wesentlichen Mangel, wenn das Verwaltungsgericht bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Der Revisionswerber muss deshalb die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Verwaltungsgericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind. Er darf sich nicht darauf beschränken, den Mangel bloß zu rügen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen er im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätte und inwiefern das Verwaltungsgericht dadurch zu einer anderen (für ihn günstigeren) Entscheidung hätte gelangen können (vgl. VwGH 27.12.2019, Ra 2017/22/0171, mwN).

16 Die Revision zeigt nicht auf, inwiefern dem BVwG hier ein relevanter Verfahrensfehler unterlaufen wäre.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

18 Von einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 5. März 2020

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