European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180229.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Ghazni, beantragte am 31. Oktober 2015 internationalen Schutz und brachte dazu im Laufe des Verfahrens vor, von den Taliban wegen der beruflichen Tätigkeit seines (ermordeten) Bruders als Polizist verfolgt zu werden. Überdies drohe ihm wegen einer mittlerweile erfolgten Konversion zum Christentum bei Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5. April 2018 den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig. 3 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, sein Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen. Aus der umfangreichen Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgte, ist hervorzuheben, dass der Revisionswerber nach Darstellung des BVwG beispielsweise widersprüchliche Angaben dazu getätigt habe, ob die Taliban bei den behaupteten Verfolgungshandlungen gegen den Revisionswerber vom Tod seines Bruders ausgegangen seien oder nicht, dass der Revisionswerber zur angeblichen Tätigkeit des Bruders nur sehr vage Angaben gemacht habe, und dass er nicht plausibel habe machen können, wieso ihn die Taliban (erst) zwei Jahre nach der behaupteten Ermordung seines Bruders ins Visier genommen haben sollten. Zur behaupteten Konversion gestand das BVwG dem Revisionswerber zwar zu, seit 1. September 2018 regelmäßig Veranstaltungen und Gottesdienste der katholischen Kirche zu besuchen und die Absicht zu haben, sich taufen zu lassen. Trotzdem sei nicht erkennbar, dass der christliche Glauben bereits tief im Revisionswerber verwurzelt und Bestandteil seiner Identität geworden sei. So habe der Revisionswerber nicht erklären können, warum er sich dem Christentum überhaupt zugewandt habe und er habe zentrale Glaubensinhalte nicht gekannt. Dem Revisionswerber sei deshalb kein Asyl zu gewähren.
4 Die Nichtgewährung des subsidiären Schutzes begründete das BVwG damit, dass dem Revisionswerber in der Herkunftsprovinz Ghazni zwar aufgrund der schlechten Sicherheitslage und dem anhaltenden bewaffneten Konflikt zwischen der Regierung und regierungsfeindlichen Gruppen ein reales Risiko für die ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner körperlichen Unversehrtheit drohe, ihm aber eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in der afghanischen Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe. In diesem Zusammenhang nahm das Verwaltungsgericht eine schrittweise und umfassende Prüfung der relevanten Kriterien am Maßstab des Leitfadens des UNHCR zur Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan vom November 2018 vor, und gelangte unter anderem zum näher begründeten Ergebnis, dass das Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative sicher erreichbar sei und es dem Revisionswerber unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Verhältnisse möglich und zumutbar wäre, sich in diesem Gebiet neu anzusiedeln.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich in der Zulassungsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG zum Fluchtvorbringen des Revisionswerbers wendet und einzelnen beweiswürdigenden Argumenten des BVwG entgegentritt. Unter anderem wird geltend gemacht, die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses sei in sich widersprüchlich, weil einerseits von einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit des Revisionswerbers in seiner Herkunftsprovinz ausgegangen werde, ihm aber trotzdem nicht geglaubt werde, von den Taliban verfolgt zu werden. Der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif hält die Revision insbesondere entgegen, das BVwG habe nicht begründet, auf welchem sicheren Weg er dorthin gelangen und wie er dort Arbeit und Unterkunft finden sollte.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG richtet, ist ihr zu erwidern, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG in diesem Zusammenhang nur dann vorliegen würde, wenn das BVwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte.
8 Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. dazu etwa VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0075, mwN). 9 Im gegenständlichen Fall hat sich das BVwG nach Durchführung eines mängelfreien Beschwerdeverfahrens mit den geltend gemachten Fluchtgründen des Revisionswerbers beweiswürdigend ausführlich auseinandergesetzt. Es hat sämtliche für und gegen die Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens sprechenden Umstände in Betracht gezogen und ist zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt. Auch liegt kein Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses vor, wenn das BVwG zwar einerseits eine (konkrete) asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Revisionswerber durch die Taliban verneint, andererseits aber aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Revisionswerbers von einer möglichen Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte bei Rückkehr in diese Provinz ausgeht. 10 Das Revisionsvorbringen, das BVwG habe sich weder mit der sicheren Erreichbarkeit der als innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 in Betracht gezogenen Stadt Mazar-e Sharif noch mit den Möglichkeiten, dort Arbeit und Unterkunft zu finden, auseinandergesetzt, trifft - wie gezeigt - nicht zu. 11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. November 2019
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