VwGH Ra 2019/18/0063

VwGHRa 2019/18/006328.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin MMag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der A P, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2018, Zl. I419 2144452- 2/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180063.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist Staatsangehörige Nigerias und stellte am 7. Juni 2015 den ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, welcher rechtskräftig zur Gänze abgewiesen wurde. Zudem wurde gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung erlassen.

2 Im März 2018 reiste die Revisionswerberin für zwei Wochen in die Tschechische Republik aus, kehrte zurück und stellte am 25. Oktober 2018 den gegenständlichen Folgeantrag, welchen sie damit begründete, dass sich ihr Leben geändert habe, weil sie nunmehr mit einem österreichischen Staatsbürger verlobt sei und an einer Eisenmangelerkrankung leide, deren Behandlung sie sich im Herkunftsstaat nicht leisten könnte.

3 Mit Bescheid vom 20. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Folgeantrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.), erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel nach § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass Spruchpunkt I. (gemeint wohl: Spruchpunkt III.) erster Satz des angefochtenen Bescheides zu lauten habe: "Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt." Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

5 Begründend folgte es der Einschätzung des BFA, wonach der neuerlichen Behandlung des Folgeantrags der Revisionswerberin betreffend den Asyl- und den subsidiären Schutzstatus mangels einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung die bereits entschiedene Sache entgegenstehe. Eine schwere Erkrankung, die in Nigeria nicht behandelt werden könne, sei zu verneinen. Zur Rückkehrentscheidung führte es aus, dass die Revisionswerberin das Bestehen eines begonnenen Familienlebens glaubhaft dargelegt habe. Sie sei von Frühling bis Mitte Dezember 2016 mit einem österreichischen Staatsbürger liiert gewesen, habe die Beziehung zu diesem im Mai 2018 wieder aufgenommen und habe sich mittlerweile auch mit diesem verlobt. Die Revisionswerberin und ihr Lebensgefährte hätten sich außerdem spätestens am 16. Oktober 2018 um einen Trauungstermin bemüht. Seit 18. Oktober 2018 lebe die Revisionswerberin mit ihrem Lebensgefährten zudem in dessen Wohnung. Ein Eingriff in das nach Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben sei jedoch als verhältnismäßig anzusehen. Das Familienleben sei zu einem Zeitpunkt entstanden, als sich die Revisionswerberin und deren Lebensgefährte über den unsicheren Aufenthaltsstatus der Revisionswerberin hätten bewusst sein müssen. Der Kontakt zu ihrem Lebensgefährten könne durch moderne Kommunikationsmittel und Urlaubsbesuche aufrechterhalten werden. Überdies bestehe für die Revisionswerberin die Möglichkeit, - beispielsweise auf Basis einer (auch im Ausland möglichen) Trauung - einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu beantragen. Auch betreffend das Privatleben würden aufgrund der Tatsachen, dass die Revisionswerberin keine erlaubte Beschäftigung ausübe, nicht selbsterhaltungsfähig sei und sich - mit einer kurzen Unterbrechung - erst seit drei Jahren im Bundesgebiet aufhalte, die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit - zusammengefasst - vorgebracht wird, das BVwG habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs keine ausreichenden Ermittlungen zur Integration der Revisionswerberin durchgeführt und erforderliche Feststellungen nicht getroffen. Zudem entbehre die Feststellung, wonach die Revisionswerberin lediglich Deutschkenntnisse auf A1 Niveau habe, jeglicher Begründung, weshalb das BVwG in diesem Punkt von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Begründungspflicht der Verwaltungsgerichte abgewichen sei. Bei hinreichender Ermittlung hätte die Art. 8 EMRK-Abwägung zugunsten der Revisionswerberin ausfallen müssen. Zudem habe das BVwG zu Unrecht von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Mit dem Revisionsvorbringen, das BVwG hätte die Feststellung, wonach die Revisionswerberin lediglich Deutschkenntnisse auf A1 Niveau vorweisen könne, nicht ordnungsgemäß begründet, keine ausreichenden Ermittlungen zur Integration der Revisionswerberin durchgeführt und erforderliche Feststellungen nicht getroffen, rügt die Revision Verfahrensmängel. Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (VwGH 9.10.2014, Ra 2014/18/0036 bis 0039). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Revision jedoch nicht in substantiierter Weise zu entnehmen.

12 Soweit die Revision erkennbar die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265).

13 Im gegenständlichen Fall bejahte das BVwG aufgrund der Lebensgemeinschaft der Revisionswerberin mit einem österreichischen Staatsbürger und deren geplanter Trauung das Vorliegen eines Familienlebens nach Art. 8 EMRK, erachtete den Eingriff in dasselbe aber nicht als unverhältnismäßig. Das BVwG traf konkrete Feststellungen zur Beziehung der Revisionswerberin, denen diese nicht in substantiierter Weise entgegenzutreten vermochte. Die Revision verweist lediglich auf das vom BVwG ohnehin berücksichtigte Familienleben und bringt darüber hinaus vor, das BVwG habe keine näheren Ermittlungen zu einer behaupteten Arbeitszusage, der Intensität der Lebensgemeinschaft und der Situation in Nigeria getätigt. Damit vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass diesbezüglich eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung vorläge und die vorgenommene Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK unvertretbar wäre.

14 Insoweit in der Revision vor diesem Hintergrund vorgebracht wird, das BVwG hätte verhandeln müssen, um sich einen persönlichen Eindruck von den außergewöhnlichen Integrationsleistungen der Revisionswerberin und der Unzumutbarkeit ihrer Rückkehr machen zu können, - insbesondere verfüge sie über eine Arbeitszusage, sei erkrankt und verfüge über keinen familiären Rückhalt in Nigeria - ist zu erwähnen, dass der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt. Allerdings kann gemäß dem auch im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden § 21 Abs. 7 BFA-VG - trotz Vorliegens eines diesbezüglichen Antrages - (ausnahmsweise) von der Durchführung einer Verhandlung unter anderem dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 6.6.2018, Ra 2018/18/0280, mwN).

15 Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall gegeben. Das BVwG legte sowohl die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Beziehung mit einem österreichischen Staatsbürger als auch die vorgebrachte Eisenmangelerkrankung seinem Erkenntnis zugrunde. Da das BVwG die diesbezüglichen Angaben der Revisionswerberin als wahr unterstellte, konnte insofern von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgegangen werden. Insofern die Revision in der Annahme des BVwG, die Revisionswerberin verfüge über Angehörige im Herkunftsstaat eine die Verhandlungspflicht auslösende ergänzende Beweiswürdigung zu erkennen glaubt, gelingt es ihr nicht darzulegen, dass sich das BVwG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung tragend auf das Vorliegen familiärer Anknüpfungspunkte gestützt hat. Ebenso wenig gelingt es ihr darzulegen, dass die in der Beschwerde erwähnte Arbeitszusage maßgeblich für den Entscheidungsausgang gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund konnte das BVwG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand nehmen.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2019

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