VwGH Ra 2019/08/0099

VwGHRa 2019/08/009926.6.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des R P in K, vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Reichsstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2019, Zl. I422 2216537‑1/2E, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorarlberger Gebietskrankenkasse), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1152
ASVG §4 Abs2
AVG §37
B-VG Art133 Abs4
MRK Art6 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §24 Abs4
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080099.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht dem Revisionswerber als Dienstgeber gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG einen Beitragszuschlag von € 1.300,‑ ‑ auferlegt, weil dieser K. Ö. am 25. Juli 2018 als Zusteller beschäftigt habe, ohne ihn gemäß § 33 Abs. 1 ASVG beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Der Revisionswerber habe mit K. Ö. nicht vereinbart, dass dieser unentgeltlich tätig sein solle.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Bundesverwaltungsgericht entgegen § 24 VwGVG und Art. 6 EMRK die Durchführung der von ihm beantragten mündlichen Verhandlung unterlassen habe. Er habe die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides, wonach K. Ö. zum Betretungszeitpunkt über eine Stunde als Zusteller tätig gewesen sei, „konkret in Abrede gestellt“ und vorgebracht, dass es sich um einen Gefälligkeitsdienst gehandelt habe bzw. dass „vereinbart war, dass er unentgeltlich tätig wird“.

7 Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Rechtsfragen des Verfahrensrechts ‑ wie hier die nach der Notwendigkeit, eine mündliche Verhandlung durchzuführen ‑ sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (VwGH 8.8.2018, Ra 2018/08/0176, 0192, mwN).

8 In der Beschwerde vom 28. Februar 2019 hat der Revisionswerber vorgebracht, dass sich K. Ö. bereit erklärt habe, „diese Zustellung zu machen“. Es sei „keine Gegenleistung vereinbart oder verlangt“ worden. Er werde „für diese Gefälligkeit natürlich ein Essen und Getränk springen lassen“. In einer „Notsituation hat ein ‚bekannter‘ Gast kurzfristig geholfen ...“. In einem weiteren (Beschwerde)Schriftsatz vom 20. März 2019 hat der Revisionswerber diese Angaben durch das Vorbringen ergänzt, dass K. Ö. nicht „insgesamt 1,33 Stunden als Zustellfahrer“ gearbeitet und kein „Essen und Trinken“ erhalten habe.

9 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Die Akten lassen dann im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann. Dies ist dann der Fall, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wurde und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Ein bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes kann aber außer Betracht bleiben (VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007, mwN). Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC stehen einem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht oder wenn das Vorbringen des Revisionswerbers angesichts der Beweislage und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen‑ oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung kann auch in Fällen gerechtfertigt sein, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen werden (VwGH 12.12.2017, Ra 2015/05/0043).

10 Als Freundschafts‑ oder Gefälligkeitsdienste sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Das Vorliegen unentgeltlicher Dienste ist nicht schon bei Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten, sondern die Unentgeltlichkeit muss ausdrücklich und erwiesenermaßen ‑ wenigstens nach den Umständen konkludent ‑ vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (VwGH 19.12.2012, 2012/08/0165).

11 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage war das Vorbringen des Revisionswerbers im Beschwerdeverfahren nicht geeignet, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht. Er hat nicht behauptet, Unentgeltlichkeit vereinbart zu haben, und er hat kein Vorbringen über Umstände erstattet, die diese Unentgeltlichkeit rechtfertigen könnten.

12 Die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG war unter diesen Umständen jedenfalls nicht grob fehlerhaft.

13 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2019

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