VwGH Ra 2019/03/0161

VwGHRa 2019/03/01612.4.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei Ö AG in W, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 16. Oktober 2019, LVwG-651415/8/ZO/KA, betreffend die Kostentragung für eine Eisenbahnkreuzung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: Gemeinde R, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:

Normen

DeregulierungsG 2001
EisenbahnG 1957 §48 Abs2
EisenbahnG 1957 §48 Abs3
EisenbahnG 1957 §48 Abs4
EisenbahnG 1957 §49 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030161.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eigentümerin bzw. Betreiberin der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnstrecke St. Valentin - Kastenreith. Diese Eisenbahnstrecke kreuzt bei km 45,650 eine Gemeindestraße der Gemeinde R.

2 Die genannte Eisenbahnkreuzung war aufgrund eines Bescheides des (damaligen) Bundesministers für Verkehr vom 20. Februar 1984 durch eine zuggeschaltete, fernüberwachte Lichtzeichenanlage gemäß § 9 Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 mit vier Straßensignalen und mit Läutewerk gesichert.

3 Über die Kostentragung war seinerzeit nicht entschieden worden, weil sich die Ö bereit erklärt hatten, die Kosten für die Errichtung, die Erhaltung und die Inbetriebnahme der Lichtzeichenanlage zu übernehmen.

4 Nach den insoweit unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis ist die technische Lebensdauer dieser Sicherungsanlagen mittlerweile abgelaufen.

5 Am 7. April 2015 beantragte die revisionswerbende Partei beim Landeshauptmann von Oberösterreich, gemäß § 49 Abs. 2 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) eine Entscheidung über die künftige Art der Sicherung für die gegenständliche Eisenbahnkreuzung zu treffen.

6 Mit Bescheid vom 16. Juli 2015 ordnete der Landeshauptmann von Oberösterreich die Sicherung der gegenständlichen Eisenbahnkreuzung gemäß § 49 Abs. 2 EisbG durch Lichtzeichen (§ 4 Abs. 1 Z 3 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 - EisbKrV) und Läutewerk (§ 12 Abs. 1 EisbKrV) an und setzte für die Umsetzung eine Frist von zwei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides.

7 Mit Anträgen vom 18. Juni 2018 und 19. Juli 2018 begehrten die Gemeinde R und die revisionswerbende Partei mangels Einigung die behördliche Entscheidung über die Kostentragung für die zu erneuernden Sicherungsmaßnahmen.

8 Diese Anträge wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 15. Februar 2019 gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 und 4 EisbG ab.

9 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

10 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, dass eine neue Festsetzung der Kostentragung im Sinne des § 48 Abs. 3 EisbG durch die Behörde nur dann zulässig sei, wenn diese gemäß § 49 Abs. 2 EisbG eine neue Art der Sicherung angeordnet habe (Hinweis auf VwGH 18.2.2015, Ro 2014/03/0077, und 26.6.2019, Ra 2019/03/0012). Im gegenständlichen Fall sei mit dem neuen Bescheid bezüglich der Sicherungsart jedoch keine Änderung vorgenommen worden; die Eisenbahnkreuzung sei sowohl vor als auch nach Erlassung des Bescheides vom 16. Juli 2015 mittels Lichtzeichenanlage mit Läutewerk zu sichern gewesen. Daran ändere auch nichts, dass im gegenständlichen Fall die technische Nutzungsdauer der bestehenden Sicherungsanlagen bereits abgelaufen sei. Über die Kostentragung sei daher nicht neu zu entscheiden.

11 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit und in der Sache geltend gemacht wird, die vom LVwG zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung erfasse den gegenständlichen Fall, in dem eine technische Lichtzeichenanlage gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 EisbKrV 2012 anstelle einer zuvor bestehenden technischen Blinklichtanlage gemäß § 9 Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961, deren technische Nutzungsdauer bereits abgelaufen sei, angeordnet worden sei, nicht. Diesbezüglich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Der Ersatz einer nicht beibehaltungs- oder anpassungsfähigen technischen Sicherungsanlage, deren technische Nutzungsdauer abgelaufen sei, durch eine neue technische Sicherungsanlage komme einer Neuerrichtung gleich und sei daher auch kostentechnisch neu zu behandeln. Die Kosten für die neue Sicherungsanlage unterlägen daher einer neuen Kostenaufteilungsregelung gemäß § 48 EisbG.

12 Die mitbeteiligte Partei erstattete zu dieser Revision eine Revisionsbeantwortung, in der sie im Wesentlichen vorbringt, das LVwG habe sich zu Recht auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung gestützt und diese auch auf einen Fall wie den vorliegenden angewendet.

13 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revision ist zulässig und begründet.

15 Gemäß § 49 Abs. 2 EisbG hat die Behörde über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung einer Eisenbahnkreuzung nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden. Dabei handelt es sich um eine Entscheidung über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung und damit deren inhaltlich gestaltende Festlegung im Einzelfall. Erfolgt eine behördliche Entscheidung über eine derartige Ausgestaltung, sind die Bestimmungen des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG sinngemäß (mit einer vorliegend nicht einschlägigen Maßgabe für Materialbahnen) anzuwenden. In einem solchen Fall steht es dem Eisenbahnunternehmen oder einem Träger der Straßenbaulast - mangels Einvernehmens über die Regelung der Kostentragung für die vorzunehmende Sicherungsmaßnahme - offen, eine behördliche Entscheidung über die Kostentragung im Sinne des § 48 Abs. 3 EisbG herbeizuführen.

16 Wird von der Behörde keine derartige Ausgestaltung für den Einzelfall normiert, sondern lediglich entschieden, dass die bisherigen Sicherungen von schienengleichen Eisenbahnübergängen beibehalten werden können, kommt die Anordnung der sinngemäßen Anwendung des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG nicht zum Tragen.

17 Dies gilt gleichmaßen für Fälle, in denen - korrekt - eine behördliche Kostenentscheidung nach der Rechtslage vor dem Deregulierungsgesetz 2001 getroffen worden war, wie auch für solche, in denen dies - wie etwa im vorliegenden Fall - unterblieben ist (vgl. zum Ganzen VwGH 18.2.2015, Ro 2014/03/0077).

18 Unter Bezugnahme auf das zitierte hg. Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausgesprochen, dass eine bestehende Kostenentscheidung nicht für sämtliche in Zukunft zu errichtenden Sicherungsanlagen an derselben Eisenbahnkreuzung weiterbestehen könne, sondern lediglich im Fall der Weiterbelassung einer schon bestehenden Sicherung von schienengleichen Eisenbahnübergängen. Es stehe der Behörde nicht offen, bei der Feststellung, dass die bisherige Sicherungsanlage beibehalten werden könne, eine neue Entscheidung auf der Grundlage des § 48 Abs. 3 EisbG zu treffen. Dem sowie auch der Anwendung des § 48 Abs. 2 EisbG in seiner nach dem Deregulierungsgesetz 2001 erfolgten Fassung stehe die Rechtskraft der damaligen behördlichen Entscheidung entgegen. Werde eine bisher vorgeschriebene Sicherung gemäß § 4 Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 durch "Andreaskreuze und Gewährleisten des erforderlichen Sichtraumes" lediglich dahingehend neu geregelt, dass diese Eisenbahnkreuzung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 EisbKrV durch "Gewährleisten des erforderlichen Sichtraumes" zu sichern sei, handle es sich dabei um eine Beibehaltung der bisherigen Art der Sicherung und stehe dies einer behördlichen Entscheidung über die Kostentragung nach § 48 Abs. 2 EisbG entgegen. Dasselbe gelte für Fälle, in denen eine Sicherung durch Schrankenanlagen mit Lichtzeichen - ungeachtet einzelner technischer Anpassungen - in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV beibehalten werden dürfe, weil bereits aus der Terminologie des § 102 Abs. 3 EisbKrV hervorgehe, dass eine Beibehaltung und somit eine Weiterbelassung einer schon bestehenden Sicherungsart von schienengleichen Eisenbahnübergängen ermöglicht wurde (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/03/0012, Rn. 20 bis 25).

19 Zutreffend macht die Revision geltend, dass diese Vorjudikatur auf den gegenständlichen Fall nicht ohne Weiteres übertragen werden kann. Anders als in jenem Fall, der dem Erkenntnis Ro 2014/03/0077 zugrunde lag, wurde im gegenständlichen Fall nicht bloß dahingehend entschieden, dass die bisherigen Sicherungen beibehalten werden können. Es wurde auch nicht nur über die Beibehaltung der bisherigen Sicherungsart durch Gewährleisten des Sichtraumes oder die (vorläufige) Beibehaltung einer Schrankenanlage mit Lichtzeichen gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV abgesprochen, wie dies im Falle des Erkenntnisses Ra 2019/03/0012 geschehen war.

20 Im vorliegenden Fall ordnete der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 16. Juli 2015 vielmehr gemäß § 49 Abs. 2 EisbG an, dass die gegenständliche Eisenbahnkreuzung, deren Sicherungsanlagen aufgrund des Ablaufes der technischen Nutzungsdauer jedenfalls zu erneuern waren, durch eine Lichtzeichenanlage mit Läutewerk gesichert werden müsse. Es lag somit kein Fall vor, in dem die bestehende Sicherung im Wesentlichen unverändert weiterbelassen werden konnte, wodurch die bisher vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fälle gekennzeichnet waren, sondern es wurde eine (neue) Entscheidung über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung und damit deren inhaltlich gestaltende Festlegung im Einzelfall getroffen. Dass dabei letztlich eine Sicherungsart festgelegt wurde, die mit der früher angeordneten vergleichbar war, spielt dabei keine Rolle.

21 Bei dieser Ausgangslage kommen die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes in seiner Vorjudikatur, wonach die Möglichkeit einer (neuen) Entscheidung über die Kostentragung die Rechtskraft der seinerzeitigen Entscheidung oder - wie fallbezogen - die Rechtswirkungen einer früher vereinbarten Kostenregelung unterlaufen würde, nicht zum Tragen. Es liegt vielmehr eine Konstellation vor, in der - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem zitierten Erkenntnis Ra 2019/03/0012, Rn. 20, anerkannt hat - eine bestehende Kostenregelung oder Kostenentscheidung im Gefolge der Anordnung gemäß § 49 Abs. 2 EisbG neu geregelt werden kann.

22 Fallbezogen eröffnete der Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 16. Juli 2015, mit dem die Sicherung der gegenständlichen Eisenbahnkreuzung gemäß § 49 Abs. 2 EisbG durch Lichtzeichen mit Läutewerk (ohne Möglichkeit, die bisherige Sicherungsart nach der Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV beizubehalten) angeordnet wurde, somit den Weg, die Kostentragung nach § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG (abweichend von früheren Regelungen) neu zu regeln.

23 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

24 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen, weil das LVwG, ein Tribunal im Sinne der EMRK bzw. ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

25 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 201

4.

Wien, am 2. April 2020

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