VwGH Ra 2019/03/0037

VwGHRa 2019/03/003721.5.2019

? Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dipl.-Ing. W M in W, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bartensteingasse 16/2, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2019, Zl. W108 2214009-1/3E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA SDG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Klagenfurt), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §11
AVG §9
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030037.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der zuletzt befristet bis 31. Dezember 2018 in die von der belangten Behörde geführte Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen eingetragene Revisionswerber hatte mit Schreiben vom 24. September 2018 die Rezertifizierung gemäß § 6 Abs. 2 SDG beantragt. Im von der belangten Behörde dazu geführten Verfahren trat zutage, dass über den Revisionswerber, der nach einem bei einem Verkehrsunfall am 24. Juni 2017 erlittenen Schädel-Hirn-Trauma an einem organischen Psychosyndrom leidet, mit Beschluss des zuständigen Pflegschaftsgerichts vom 6. März 2018 ein Sachwalter (u.a.) zur Vertretung vor Ämtern, Gerichten und Behörden bestellt worden war. 2 Mit Bescheid vom 27. Dezember 2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Rezertifizierung ab, weil auf Basis des (näher beschriebenen, sich aus dem im Sachwalterschaftsverfahren eingeholten Gutachten ergebenden) Zustandsbilds des Revisionswerbers davon auszugehen sei, dass bei ihm die nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. c und lit. d SDG als Eintragungsvoraussetzung erforderliche) Geschäftsfähigkeit ebensowenig gegeben sei wie die persönliche Eignung für die mit der Ausübung der Tätigkeit des Sachverständigen verbundenen Aufgaben. Der erstgerichtliche Beschluss auf Bestellung eines Sachwalters sei vom Rekursgericht bestätigt und dagegen bloß die außerordentliche Revision zugelassen worden, weshalb die Beigebung eines Erwachsenenvertreters sehr wahrscheinlich sei.

3 Mit dem nun in Revision gezogenen Beschluss entschied das BVwG über die gegen den behördlichen Bescheid erhobene Beschwerde des (anwaltlich vertretenen) nunmehrigen Revisionswerbers: Die Beschwerde wurde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG zurückgewiesen und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig erklärt. 4 Dem legte das BVwG im Wesentlichen Folgendes zu Grunde:

5 Der vom pflegschaftsgerichtlich bestellten psychiatrischen Sachverständigen beschriebene Zustand des Revisionswerbers habe das Bestehen einer organisch-psychischen Erkrankung festgehalten, nämlich ein organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma. Trotz wahrgenommener Besserung des Zustandsbilds zwischen erstmaliger Befundaufnahme und Gutachtenserörterung im November 2017 zeige sich eine deutliche Einengung auf berufliche Fragen und Benachteiligung durch verschiedene Institutionen mit paranoiden Gedanken und submanischem Verhalten. Der Sachverständige habe deshalb die Auffassung vertreten, der Revisionswerber sei nicht in der Lage, Vollmachten erteilen zu können. Zu einem im Zuge des Rezertifizierungsverfahrens bei der belangten Behörde geführten Gespräch sei der Revisionswerber nur mit einem Rollator gehfähig gekommen und von einer Begleitperson unterstützt worden. Im Gespräch sei er lautstark aufgetreten, habe sich in Bezug auf seine Verfahren völlig zu Unrecht "verfolgt" gefühlt und habe (nicht konkretisierbare) "große Gegenmaßnahmen" angekündigt.

6 Der Oberste Gerichtshof habe mit Beschluss vom 26. November 2018 dem vom Revisionswerber erhobenen Revisionsrekurs Folge gegeben, den rekursgerichtlichen Beschluss aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung nach Maßgabe des mit 1. Juli 2018 in Kraft getretenen

2. Erwachsenenschutz-Gesetzes aufgetragen.

7 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung legte das BVwG u. a. dar, gemäß § 9 AVG sei mangels anderes anordnenden Verwaltungsvorschriften die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Ein Beschluss über die Bestellung eines Sachwalters wirke ab seiner Erlassung konstitutiv, für die Zeit davor sei die Prozessfähigkeit des Betroffenen gegebenenfalls zu prüfen. Im Revisionsfall sei eine rechtswirksame Bestellung eines Sachwalters nicht erfolgt, weshalb - insbesondere für die Frage der Rechtswirksamkeit der Zustellung des behördlichen Bescheids - es erforderlich gewesen sei, zu prüfen, ob der Revisionswerber als Bescheidadressat im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids prozessfähig gewesen sei.

8 Vor dem Hintergrund des auf einer Befundung durch einen psychiatrischen Sachverständigen beruhenden Zustandsbilds des Revisionswerbers, dem zufolge bei ihm eine organisch-psychische Erkrankung in Form eines organischen Psychosyndroms nach Schädel-Hirn-Trauma nach einem Verkehrsunfall vorliege und ein Zustand nach künstlichem Tiefschlaf bei Hemisymptomatik bestehe, eine ausgeprägte Gedächtnisstörung bemerkt wurde, sich paranoide Gedanken sowie ein submanisches Verhalten zeigten und trotz Besserung weiterhin zu befürchten sei, dass sich der Revisionswerber massiv schädigen könnte und nicht in der Lage sei, Vollmachten zu erteilen, und mit Blick auf das nicht abgeschlossene Sachwalterbestellungsverfahren sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber bei Zustellung des behördlichen Bescheids nicht prozessfähig gewesen sei. Der Revisionswerber sei in der Beschwerde dem vom Sachverständigen beschriebenen Zustandsbild nur unsubstantiiert entgegengetreten und habe keine konkreten, überzeugenden Umstände vorgebracht, die gegen die Richtigkeit der gerichtlichen Bestellung eines Sachwalters bzw. Erwachsenenvertreters gesprochen hätten. 9 Die Beschwerde sei daher schon deshalb (ungeachtet weiterer die Unzulässigkeit der Beschwerde bewirkender Mängel wie etwa dem Fehlen einer Vollmacht bzw. Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter) mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstands zurückzuweisen gewesen.

10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebliche Zulässigkeitsbegründung macht Folgendes geltend:

15 Es liege keine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage vor, wie die Verwaltungsbehörde im Fall einer nicht rechtskräftigen Sachwalterbestellung vorzugehen habe. Das BVwG sei zudem insofern von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, als es (unter Zugrundelegung der nicht rechtskräftigen Sachwalterbestellung) unterlassen habe, die Prozess- und Handlungsfähigkeit des Revisionswerbers selbst von Amts wegen zu prüfen.

16 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hätte.

17 Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von der Behörde, wenn - wie hier nach dem SDG - in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. 18 Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs führt die Rechtskraft des Beschlusses über die Sachwalterbestellung innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters konstitutiv zur Beschränkung der Geschäftsfähigkeit der betroffenen Person und auch zum Verlust der Prozess- bzw. Verhandlungsfähigkeit. Für die Zeit bis zur Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses hat das Prozess- bzw. Verfahrensgericht selbständig zu prüfen, ob die betroffene Person prozess- bzw. verfahrensfähig war (vgl. nur etwa OGH 21.2.2018, 3 Ob 166/17h, mwN; in diesem Sinne auch etwa VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162). Fehlt es an einer - nach dem Gesagten konstitutive Wirkung entfaltenden - Sachwalterbestellung und liegen Anhaltspunkte für das Fehlen der Prozessfähigkeit vor, ist von der jeweils verfahrensführenden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht, gegebenenfalls auch vom Verwaltungsgerichtshof selbst, zu prüfen, ob der Betroffene im maßgebenden Zeitpunkt nicht mehr prozessf??hig, somit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite der Verfahren und der sich in diesen ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen derartiger Verfahren entsprechend zu verhalten (vgl. nur etwa VwGH 30.3.2017, Ra 2016/07/0084, mwN). 19 Entgegen dem Vorbringen der Revision besteht also einhellige Rechtsprechung dazu, wie im Fall einer nicht rechtskräftigen Sachwalterbestellung vorzugehen ist. Es wird von der Revision aber auch nicht aufgezeigt, dass das BVwG von den danach maßgeblichen Leitlinien (Notwendigkeit der eigenständigen Prüfung der Prozessfähigkeit mangels bindender Entscheidung des Pflegschaftsgerichts) abgewichen wäre: Angesichts des Inhalts des angeführten psychiatrischen Gutachtens und im Lichte des betreffend den Revisionswerber anhängigen Verfahrens zur Bestellung eines Sachwalters bzw. nunmehr eines Erwachsenenvertreters nach dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz ist die Beurteilung des BVwG, im Zeitpunkt der Zustellung des behördlichen Bescheids vom 27. Dezember 2018 sei der Revisionswerber nicht prozessfähig und damit die erfolgte Zustellung an ihn nicht rechtswirksam gewesen, nicht als unschlüssig zu erkennen. 20 Die - keine grundsätzlichen Rechtsfragen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfende - Revision war daher schon deshalb zurückzuweisen, sodass sich eine Prüfung der Frage erübrigt, ob der inhaltlichen Erledigung der Revision weitere Zulässigkeitsschranken entgegenstehen.

Wien, am 21. Mai 2019

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