Normen
AsylG 2005 §9 Abs2
MRK Art2
MRK Art3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010406.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, sohin in seinen Spruchpunkten A.II. und A.III., wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 31. Oktober 2017 wurde der Antrag des Mitbeteiligten, eines somalischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vom 14. Dezember 2016 abgewiesen, dem Mitbeteiligten der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
2 Infolge Straffälligkeit des Mitbeteiligten leitete das BFA amtswegig ein Aberkennungsverfahren gegen ihn ein.
3 Mit Bescheid des BFA vom 7. Juni 2019 wurde dem Mitbeteiligten der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Zudem erteilte das BFA dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten nach Somalia gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 9 FPG für unzulässig (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus legte das BFA eine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.) und erließ ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).
4 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), die mit dem angefochtenen Erkenntnis in Bezug auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen als unbegründet abgewiesen wurde (Spruchpunkt A.I.). Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides wurde hingegen mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei (Spruchpunkt A.II.). Unter einem behob das BVwG die mit der Rückkehrentscheidung verbundenen Spruchpunkte des Bescheides (Spruchpunkt A.III.) und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
5 In seiner Begründung führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren relevant - aus, dem Mitbeteiligten sei der subsidiäre Schutz aufgrund seiner Straffälligkeit gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen. Da die Lage im Herkunftsstaat des Mitbeteiligten nach wie vor volatil sei, sei die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei. Werde eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos, erfasse dies auch die damit in Zusammenhang stehenden Aussprüche und das an die Rückkehrentscheidung anknüpfende Einreiseverbot.
6 Gegen die Spruchpunkte A.II. und A.III. dieses Erkenntnisses wendet sich die vorliegende Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, die Rückkehrentscheidung und die darauf aufbauenden Spruchpunkte seien zu Unrecht behoben worden. Nach der aktuellen, sich grundlegend von jener vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017
unterscheidenden Rechtslage sei im Falle der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch im Falle bestehender Schutzbedürftigkeit trotz fehlender Schutzwürdigkeit unter einem eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und diese mit der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung zu verbinden. Das BVwG habe offenkundig nicht die aktuelle Rechtslage angewandt und sei daher von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob im Falle einer Aberkennung nach §§ 9 Abs. 2 iVm 10 Abs. 1 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 Z 4 FPG nach der geltenden Rechtslage eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Rückkehrentscheidung schlage auf die damit untrennbar verbundene Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung und die Aufhebungen der auf die Rückkehrentscheidung aufbauenden weiteren Spruchpunkte durch.
7 Der Mitbeteiligte erstattete Revisionsbeantwortung, in der er die Abweisung der Revision begehrte.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Durchführung des Vorverfahrens in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
10 Mit den auch hier maßgeblichen Rechtsfragen hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 2019, Ra 2019/18/0344, auseinandergesetzt, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen wird.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung mit näherer Begründung ausgesprochen, dass sich aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 in der geltenden und im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung, BGBl. I Nr. 145/2017, ergibt, dass in Fällen der bescheidmäßigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unter einem über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung abzusprechen ist. Die Unzulässigkeit der Abschiebung steht dabei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht entgegen. 12 Dem angefochtenen Erkenntnis lässt sich nicht entnehmen, weshalb das BVwG demgegenüber im vorliegenden Fall eine Rückkehrentscheidung für unzulässig erachtete. Die ersatzlose Behebung der Rückkehrentscheidung durch das BVwG erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.
13 Da die Rückkehrentscheidung und die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 eine untrennbare Einheit bilden, war auch dieser vom BVwG getroffene Ausspruch ebenso wie die weiteren auf der Rückkehrentscheidung aufbauenden und vom BVwG ersatzlos behobenen Spruchpunkte des verwaltungsbehördlichen Bescheides (Frist zur freiwilligen Ausreise und Einreiseverbot) zu beheben (vgl. dazu erneut VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0344).
14 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Anfechtungsumfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 28. Jänner 2020
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