VwGH Ra 2019/01/0142

VwGHRa 2019/01/014229.4.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der N E in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2019, Zl. W210 2189811- 1/20E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §8 Abs1
MRK Art3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010142.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache den Antrag der Revisionswerberin, einer afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vom 20. August 2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl der Asylberechtigten als auch der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung der Revisionswerberin nach Afghanistan fest und legte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise fest. Zudem sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 2 Gleichzeitig wies das BVwG jeweils mit gesonderten Erkenntnissen die von den Eltern und den drei Halbgeschwistern der Revisionswerberin gegen die Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz erhobenen Beschwerden als unbegründet ab. 3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Im von allen Familienmitgliedern zur Erhebung von Revisionen eingebrachten gemeinsamen Schriftsatz wird zur Zulässigkeit der Revision in Bezug auf die Revisionswerberin vorgebracht, dass einerseits die Feststellungen des BVwG zur "westlichen Orientierung" der Revisionswerberin auf einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Beweiswürdigung gründeten, andererseits das BVwG zur Frage der "westlichen Orientierung" von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.

Im Übrigen hätte das BVwG bei sorgfältiger Prüfung und Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände der Revisionswerberin nach vorgenommener Einzelfallprüfung unter Heranziehung und ausreichender Berücksichtigung der aktuellen UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 feststellen müssen, dass der Revisionswerberin im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, weil ihr bei einer Rückkehr jegliche Existenzgrundlage fehlen und sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse in eine lebensbedrohende Situation geraten würde. Der Revisionswerberin hätte daher subsidiärer Schutz gewährt werden müssen. Das BVwG sei in diesem Zusammenhang von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

Schließlich habe das BVwG die erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme auf eine in unvertretbarer Weise vorgenommene Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK gestützt.

7 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. für viele VwGH 22.3.2019, Ra 2019/01/0089, mwN).

8 Einen derart krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Fehler in der durch das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - vorgenommenen Beurteilung in Bezug auf die Feststellungen zur behaupteten "westlichen Orientierung" der Revisionswerberin zeigt das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision nicht auf. 9 Ausgehend von diesen Feststellungen vermag die Revision ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aufzuzeigen. 10 Das BVwG hat weder das Vorbringen der Revisionswerberin zu der von ihr behaupteten "westlichen Orientierung" noch ihr Vorbringen zu den Gründen der Flucht ihrer Eltern und ihr aus ihrem Heimatland als glaubwürdig eingestuft. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Status einer Asylberechtigten liegen somit nicht vor.

11 Soweit die Revisionswerberin eine ihr nach ihrer Ansicht im Falle ihrer Rückführung in ihr Heimatland drohende Verletzung des Rechtes nach Art. 3 EMRK anspricht, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation der Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung einer Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn die Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 31.1.2019, Ra 2018/14/0404, mwN).

12 Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits ausgeführt, dass eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht bzw. im Hinblick auf eine allgemein sehr prekäre Sicherheitslage, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um eine Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (vgl. etwa VwGH 5.12.2017, Ra 2017/01/0236, mwN).

13 Die Revision zeigt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, dass die Beurteilung des BVwG, das sich in seinen Feststellungen zur Situation im Heimatland der Revisionswerberin unter anderem unter Bedachtnahme auf die UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 auf die Berichtslage vom Oktober 2018 gestützt hat, im konkreten Einzelfall unvertretbar erfolgt wäre. Sie vermag im konkreten Fall keine besonderen Umstände darzutun, die zu einer anderen Beurteilung einer allfälligen Verletzung des Art. 3 EMRK führen könnten.

14 Schließlich zeigt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen mit ihrer nicht näher begründeten pauschalen Behauptung eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf, dass die vom BVwG im Sinne des Art. 8 EMRK vorgenommene Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar sei (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/14/0252, mwN). 15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. April 2019

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