Normen
AVG §58 Abs2
AVG §60
NAG 2005 §64 Abs1
NAG 2005 §64 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §28 Abs2
VwGVG 2014 §28 Abs3
VwGVG 2014 §29 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220049.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde, Revisionswerber) den Antrag der Mitbeteiligten, einer ukrainischen Staatsangehörigen, auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab, weil die Mitbeteiligte den erforderlichen Studienerfolgsnachweis nicht erbracht habe.
2 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Mitbeteiligte vor, ihr seien mit Bescheid der Universität Wien vom 12. Jänner 2016 Prüfungen im Ausmaß von 99 ECTS-Punkten angerechnet worden, damit sei der erforderliche Studienerfolgsnachweis erbracht.
3 Auf Grund dieser Beschwerde hob das Verwaltungsgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. Dezember 2017 den bekämpften Bescheid auf und verwies das Verfahren zurück an die belangte Behörde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt. Begründend führte das Verwaltungsgericht wie folgt aus:
"3. In ihrer Beschwerde vom 25.10.2017 führte die (Mitbeteiligte) im Wesentlichen unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.9.2009, GZ 2009/22/0105, aus, dass bei der Beurteilung des Vorliegens des Studienerfolges absolvierte Lehrveranstaltungen und die in diesem Zusammenhang erfolgte Anrechnung von Prüfungen zu berücksichtigen wären, weshalb die nach § 64 Abs. 3 erster Satz NAG iVm § 8 Z 7 lit. b NAG-DV zur Verlängerung der begehrten Aufenthaltsbewilligung erforderliche Voraussetzung des Studienerfolges vorliege.
4. Für das erkennende Gericht liegt mit diesen Ausführungen aber ein geänderter Sachverhalt vor, hat doch die Universität Wien, wie auch von der belangten Behörde in der Begründung ihres Bescheides ausgeführt, Prüfungen, welche die (Mitbeteiligte) in ihrem Heimatland absolviert hatte, angerechnet. Dieser Sachverhalt ist daher von der belangten Behörde einer neuerlichen Beurteilung und Prüfung zu unterziehen, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben und zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die belangte Behörde spruchgemäß zurück zu verweisen war."
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.
5 Revisionsbeantwortung wurde keine erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG abgewichen.
Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und auch berechtigt.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG (vgl. etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) normiert diese Bestimmung einen prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG für eine Sachentscheidung vor, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls eine solche zu treffen. Zudem hat das Verwaltungsgericht - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten hat - nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt (siehe zu allem VwGH 18.4.2018, Ra 2017/22/0205, Rn. 6, mwN).
8 Vorliegend hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zum Erbringen des Studienerfolgsnachweises im Wege der Anrechnung von im Ausland absolvierten Prüfungen einen geänderten Sachverhalt als gegeben angenommen und (allein) darauf die Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gestützt. Festzuhalten ist zunächst, dass der bloße Hinweis auf Ausführungen in der Beschwerde noch keine eigenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes beinhaltet. Es ist auch unklar, ob das Verwaltungsgericht vorliegend von fehlenden Feststellungen ausgeht. Aus dem bloßen Verweis auf einen geänderten Sachverhalt ergibt sich jedenfalls nicht, dass noch (und bejahendenfalls welche) Ermittlungslücken bestünden bzw. inwieweit der maßgebliche Sachverhalt (etwa im Hinblick auf andere Erteilungsvoraussetzungen) nicht feststehe. Soweit nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes noch Feststellungen fehlen, wird nicht dargelegt, weshalb allenfalls erforderliche Ergänzungen nicht von ihm selbst vorzunehmen wären (vgl. VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0015, Rn. 11; 16.1.2018, Ra 2017/22/0162, Rn. 9, jeweils mwN). Sollte der maßgebliche Sachverhalt hingegen als feststehend angenommen werden, dann hat das Verwaltungsgericht die daraus resultierenden Rechtsfragen selbst zu beantworten (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0006, Rn. 9, mwN). Dass die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nach § 28 Abs. 2 VwGVG vorliegend nicht erfüllt sind, lässt sich der angefochtenen Entscheidung somit nicht entnehmen; der angefochtene Beschluss lässt dazu eine nachvollziehbare Begründung vermissen.
9 Im Hinblick auf den mittlerweile erfolgten Ablauf eines weiteren Studienjahres wird für das fortzusetzende Verfahren noch darauf hingewiesen, dass auch die (durch die belangte Behörde) noch nicht erfolgte Berücksichtigung von Prüfungen, die in einem erst zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes abgelaufenen Studienjahr absolviert worden sind, für sich allein eine Behebung und Zurückverweisung nicht rechtfertigen könnte (vgl. erneut VwGH Ra 2017/22/0162, Rn. 11).
10 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 13. Dezember 2018
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