VwGH Ra 2018/21/0198

VwGHRa 2018/21/019820.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr.in Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des I G I in W, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. August 2018, I406 2199089-1/5E, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7;
FrPolG 2005 §52 Abs4 Z4;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs4 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210198.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist nigerianischer Staatsangehöriger und befindet sich seit Anfang des Jahres 2012 in Österreich. Grundlage hierfür waren im Hinblick auf seine Ehe mit einer nigerianischen Staatsangehörigen, die über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" verfügt, ab Dezember 2011 ausgestellte Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus", zuletzt gültig bis 5. Mai 2016.

2 Im Februar 2014 wurde die Ehe des Revisionswerbers geschieden. 3 Im Oktober 2015 stellte der Revisionswerber einen Verlängerungsantrag in Bezug auf seinen zuletzt erteilten Aufenthaltstitel, mit dem schließlich nach § 25 NAG vorgegangen wurde. Der Revisionswerber war nämlich mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom März 2017 wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 4 erster Satz zweiter Fall StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten und zu einer Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen verurteilt worden, weshalb das zur Erledigung des Verlängerungsantrages über Säumnisbeschwerde zuständig gewordene Verwaltungsgericht Wien davon ausging, dass sein Aufenthalt nach § 11 Abs. 2 Z 1 NAG öffentlichen Interessen widerstreite.

4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) schloss sich dieser Auffassung an und verhängte über den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein vierjähriges Einreiseverbot. Außerdem stellte es gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 30. August 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Das BVwG ging im Ergebnis davon aus, dass der Aufenthalt des Revisionswerbers eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle, weshalb einerseits wegen Vorliegens des Versagungsgrundes nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG der Rückkehrentscheidungstatbestand nach § 52 Abs. 4 Z 4 FPG verwirklicht sei und andererseits die Erlassung eines Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 3 Z 1 FPG als geboten erscheine. Das begründete das BVwG mit der strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers, der zufolge er für schuldig befunden worden sei, im Zeitraum August 2015 bis April 2016 an mehreren Orten einen wegen gewerbsmäßigen schweren Betruges abgesondert Verfolgten mehrfach nach der Tat dabei unterstützt zu haben, Sachen, die dieser durch die Straftaten erlangt hatte, nämlich Bekleidung, Elektrogeräte etc., zu verheimlichen, indem er Postsendungen, welche die genannten Sachen bzw. Waren beinhalteten - teilweise unter Vorlage von gefälschten Asylkarten - abgeholt bzw. entgegengenommen und die Sachen bzw. Waren in weiterer Folge gelagert, weiters auch jene Sachen bzw. Waren an sich gebracht zu haben, wobei er die Hehlerei gewerbsmäßig betrieben habe. Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers in seiner Beschwerde könne nicht davon ausgegangen werden, dass er in Hinkunft aufgrund seines nunmehr bestehenden Dienstverhältnisses (zu ergänzen: mit einem festgestellten Bruttolohn von EUR 1.475,69) keine Straftaten mehr begehen werde. Er sei nämlich über acht Monate hindurch delinquent gewesen und sei gewerbsmäßig vorgegangen, obwohl er auch in diesem Zeitraum teilweise beschäftigt gewesen sei und teilweise Notstandshilfe bezogen habe, sodass sein Unterhalt gewährleistet gewesen wäre.

 

7 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

8 Die Revision erweist sich - wie in ihrer Zulässigkeitsbegründung zutreffend aufgezeigt wird - deshalb als zulässig und berechtigt, weil das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, indem es von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen hat.

9 Das BVwG begründete die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung damit, dass ein im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärter Sachverhalt vorliege. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch schon wiederholt darauf hingewiesen, dass der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, insbesondere auch in Bezug auf die Gefährdungsprognose, besondere Bedeutung zukommt (siehe aus jüngerer Zeit etwa VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0007, Rn. 10). Demzufolge kann (u.a.) bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen vom Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft. Ein derart eindeutiger Fall lag aber hier - jedenfalls auf Basis der getroffenen Feststellungen zum strafrechtswidrigen Verhalten des Revisionswerbers - nicht vor.

10 Zum einen ist nämlich darauf hinzuweisen, dass sich demnach die vom Revisionswerber begangene Hehlerei auf Sachen bzw. Waren in einem EUR 5.000,-- nicht erreichenden Ausmaß beschränkte, was sowohl die ihm angelastete gewerbsmäßige Begehung als auch den langen Tatzeitraum relativiert. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen anzumerken, dass eine nähere Darstellung der verhehlten Gegenstände, ihres Gesamtwertes, der näheren Tatmodalitäten und der Anzahl der Tathandlungen unterblieb.

11 Zum anderen durften die in der Beschwerde geltend gemachte "Änderung der Lebensverhältnisse" und der im Zusammenhang damit auch angesprochene "Gesinnungswandel" nicht schon deshalb verneint werden, weil der Revisionswerber auch während des Tatzeitraumes teilweise beschäftigt gewesen sei und teilweise Notstandshilfe bezogen habe. Vor Anstellen einer derartigen Überlegung wäre es nämlich erforderlich gewesen, die Höhe der jeweiligen Einkünfte gegenüberzustellen, was der Revisionswerber mit dem Hinweis darauf, sein nunmehriges Einkommen sei "nicht unbeträchtlich höher" als jenes, welches er auf Grund von Sozialleistungen und gelegentlicher Arbeit erhalten bzw. verdient habe, mit Recht aufzeigt.

12 Nach dem Gesagten ist das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

13 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Dezember 2018

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte