VwGH Ra 2018/18/0122

VwGHRa 2018/18/012221.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision

1. des G K, und 2. der I L, beide in Z, beide vertreten durch Mag. Kurt Jelinek, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Jänner 2018, Zlen. W146 1255293- 4/11E (ad 1., prot. zu Ra 2018/18/0122) und W146 2108341-1/17E (ad 2., prot. zu Ra 2018/18/0123), betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180122.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind georgische Staatsangehörige und Ehegatten. Nachdem zwei vorangegangene Anträge des Erstrevisionswerbers auf internationalen Schutz bereits rechtskräftig negativ entschieden wurden, stellte dieser am 2. Juni 2014 seinen nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Die Zweitrevisionswerberin stellte ihren Antrag auf internationalen Schutz am 7. Juli 2014.

2 Mit Bescheiden vom 19. Mai 2015 (hinsichtlich der Zweitrevisionswerberin) und vom 23. Mai 2016 (hinsichtlich des Erstrevisionswerbers im zweiten Rechtsgang) wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel nach §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig sei und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte es - zusammengefasst - aus, dem Fluchtvorbringen der revisionswerbenden Parteien komme keine Glaubwürdigkeit zu, weshalb es nicht gelungen sei, eine aktuelle asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen. Im Falle einer Rückkehr sei nicht davon auszugehen, dass die revisionswerbenden Parteien in eine ausweglose Lebenssituation geraten würden, zumal es sich um gesunde Personen mit Berufserfahrung und universitärer Ausbildung handle. Zur Rückkehrentscheidung führte es aus, dass hinsichtlich der revisionswerbenden Parteien aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Ehe zwar untereinander von einem Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK auszugehen sei, ein Eingriff in dieses jedoch nicht vorliege, weil die Rückkehrentscheidung beide Parteien gleichermaßen betreffe und darüber hinaus keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich vorgebracht worden seien. Auch liege keine fortgeschrittene, entscheidungserhebliche Integration der revisionswerbenden Parteien vor. Zwar hätten sie jeweils einen A1-Deutschkurs absolviert, verfügten jedoch über keine ausreichenden Deutschkenntnisse. Sie seien nicht selbsterhaltungsfähig, und es könne aus der Einstellungszusage eines Kfz-Unternehmens an den Erstrevisionswerber lediglich die noch ungewisse Möglichkeit des künftigen Eintretens einer wirtschaftlichen Integration abgeleitet werden. Somit liege auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Privatleben der revisionswerbenden Parteien vor, und es würde das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung ihre persönlichen Interessen überwiegen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, deren Zulässigkeitsbegründung sich gegen die getroffene Rückkehrentscheidung wendet. Das Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es nicht alle relevanten Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG in seine Interessenabwägung miteinbezogen habe. Auch fehle in diesem Zusammenhang Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Bedeutung des Vorliegens einer überlangen Verfahrensdauer für die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, mwN). Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 4.8.2016, Ra 2015/21/0249-0253, mwN).

11 Das BVwG nahm im vorliegenden Fall eine ausreichende Beurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK vor und kam zu dem Schluss, dass trotz des Vorliegens allfälliger familiärer und privater Interessen der revisionswerbenden Parteien die öffentlichen Interessen an deren Ausreise überwiegen würden. Die Revision vermag mit ihrem pauschalen Vorbringen, wonach "mehrere (...) besonders zu berücksichtigende Umstände gänzlich unerwähnt" geblieben seien, nicht aufzuzeigen, dass diesbezüglich eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung vorläge und die vorgenommene Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK unvertretbar wäre.

12 Der als grundsätzlich formulierten Rechtsfrage hinsichtlich der Bedeutung des Vorliegens einer überlangen Verfahrensdauer für die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK käme lediglich dann Relevanz für den Verfahrensausgang zu, wenn sich während der Verfahrensdauer schützenswerte familiäre oder private Interessen der revisionswerbenden Parteien herausgebildet hätten. Vor dem Hintergrund, dass den festgestellten familiären und privaten Interessen der revisionswerbenden Parteien ohnedies nur ein geringes Gewicht beigemessen wurde, liegt lediglich eine theoretische Rechtsfrage, die keine Relevanz für den gegenständlichen Fall hat, vor (zu theoretischen Rechtsfragen vgl. etwa VwGH 3.10.2017, Ra 2017/07/0019).

13 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2018

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