Normen
BAO §108
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150038.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin war im Jahr 2008 als Lehrerin an einer Hauptschule tätig. Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung für dieses Jahr machte sie u.a. Werbungskosten in Höhe von 7.898,34 EUR geltend.
2 Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2008 mit Bescheid vom 3. April 2014 fest, wobei es - abweichend von der Erklärung - Werbungskosten von lediglich 877,12 EUR berücksichtigte. 3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
4 Mit Erkenntnis vom 23. Juni 2016 gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid ab.
5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei im Streitjahr als Lehrerin tätig gewesen; sie habe in den Fächern Ernährung und Haushalt, Sport und Bewegung, Technisches und Textiles Werken sowie Tanz, Theater und Kreativität unterrichtet.
6 Was das Studium der Rechtswissenschaften anbelange, so habe die Revisionswerberin in einer das Jahr 2011 betreffenden Eingabe nur angeführt, das Studium absolviert zu haben, "um einen höheren Dienst im Schulwesen zu erlangen". Die Revisionswerberin habe den erforderlichen Nachweis, dass das Studium zeitnah zu einer beruflichen Verwendung geführt habe, nicht erbracht; sie habe auch den Vorhalt des Bundesfinanzgerichts zu diesem Punkt nicht beantwortet. Die Revisionswerberin gehe weiterhin unverändert ihrer unterrichtenden Tätigkeit ohne Verwendungsänderung (nunmehr an einer Neuen Mittelschule) nach. Darüber hinaus lägen für 2008 weder Zahlungsbelege betreffend Studienbeiträge noch eine Berechnung der beantragten Kilometergelder im Akt auf. Den Kosten des Studiums sei daher insgesamt die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten zu versagen.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 28. Juni 2017, Ra 2016/15/0065 (im Folgenden Vorerkenntnis), das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 23. Juni 2016 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf und wies darauf hin, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit einer mit der konkreten Absicht auf künftige Einnahmenerzielung betriebenen Umschulungsmaßnahme nicht davon abhängt, ob es der Steuerpflichtigen nach Abschluss der Umschulung tatsächlich gelingt, im angestrebten Beruf Fuß zu fassen, verschafft doch grundsätzlich keine Ausbildung eine Garantie, nach ihrem Abschluss in einem vorher festgelegten Bereich beruflich tätig sein zu können. Das Bundesfinanzgericht habe die Berücksichtigung von Aufwendungen für das Studium der Rechtswissenschaften mit der Begründung versagt, die Revisionswerberin habe - trotz auch darauf gerichteten Vorhalts - den erforderlichen Nachweis, dass das Studium zeitnah zu einer beruflichen Verwendung geführt habe, nicht erbracht; sie gehe unverändert ihrer unterrichtenden Tätigkeit nach. Damit hat das Bundesfinanzgericht - so das Vorerkenntnis - die Rechtslage verkannt, kommt es doch nicht darauf an, ob im angestrebten Beruf Fuß gefasst werden kann. Damit, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Absicht der Revisionswerberin darauf gerichtet war, tatsächlich einen anderen Beruf auszuüben, oder ob es sich hierbei um eine bloße Absichtserklärung handelte, hat sich das Bundesfinanzgericht aber nicht auseinandergesetzt.
8 Im fortgesetzten Verfahren forderte das Bundesfinanzgericht die Revisionswerberin mit Fragenvorhalt u.a. auf, "anhand objektiver Kriterien in geeigneter Form nachzuweisen, dass Ihr Wille tatsächlich darauf gerichtet war, sich durch das Studium der Rechtswissenschaften eine neue Einkunftsquelle zu verschaffen, d. h. es ist erforderlich, den Nachweis zu erbringen, dass Ihr Wille darauf gerichtet war, tatsächlich einen anderen Beruf auszuüben".
9 Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis vom 17. Jänner 2018 gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde wiederum keine Folge, änderte den Einkommensteuerbescheid ab und begründete die Abweisung im Wesentlichen damit, dass die Revisionswerberin in einer das Jahr 2011 betreffenden Eingabe lediglich ausgeführt habe, "sie habe das Studium der Rechtswissenschaften absolviert um einen höheren Dienst im Schulwesen zu erlangen". Der im fortgesetzten Verfahren ergangenen Aufforderung, in geeigneter Form nachzuweisen, dass ihr Wille tatsächlich darauf gerichtet gewesen sei, sich eine neue Einkunftsquelle durch die Ausübung eines anderen Berufes zu verschaffen, sei die Revisionswerberin nicht nachgekommen. Sie habe den Fragenvorhalt des Bundesfinanzgerichts trotz Fristerstreckung (27. Dezember 2017) "bis zum heutigen Tag nicht beantwortet und sich zur entscheidungsrelevanten Thematik, ob ihre Absicht darauf gerichtet war, tatsächlich einen anderen Beruf auszuüben, zur Gänze verschwiegen".
10 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig, weil im vorliegenden Fall im Wesentlichen Tatfragen im Wege der Beweiswürdigung zu klären gewesen seien.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der zur Zulässigkeit u.a. vorgebracht wird, die Revisionswerberin habe den Fragenvorhalt fristgerecht beantwortet und das diesbezügliche Schriftstück (abgestempelt) in den Postkasten der gemeinsamen Einlaufstelle des Finanzzentrums Salzburg eingeworfen. Der Revision wurde ein mit dem Stempel der gemeinsamen Einlaufstelle des Finanzzentrums Salzburg 001 vom 22. Dezember 2017 versehenes Schreiben wie folgt beigelegt:
"BFG
Ihr Schreiben vom 22. September 2017
Fristerstreckungsantrag vom 2. November 2017
Frist bis 27. Dezember 2017
Zu Punkt 1:
Ich habe bei meinem Dienstgeber um einen Besprechungstermin gebeten, um eine allfällige Veränderung meiner beruflichen Position zu besprechen. (Anlage 1)
Gleichzeitig wurde ich jedoch von meiner Schulleiterin in den Jahren nach meiner Gerichtspraxis in eine sehr große Anzahl von dienstrechtlichen Verfahren verwickelt, sodass ich in diesen Jahren nicht die Kraft und die Möglichkeit hatte eine Veränderung meiner beruflichen Position herbeizuführen.
Wider Erwarten zog sich die Abhandlung dieser dienstrechtlichen Verfahren in die Länge. Sämtliche dienstrechtlichen Verfahren habe ich mit Freispruch oder Einstellung des Verfahrens beenden können, jedoch bin ich nun seit dem Schuljahr 2016/17 im Dauerkrankenstand.
Nach Beendigung meines Krankenstandes werde ich die berufliche Veränderung jedenfalls wieder neu in Angriff nehmen.
(...)"
12 Ein dem Schriftsatz als Anlage 1 beigelegtes E-Mail der Revisionswerberin vom 3. November 2013 stellt sich wie folgt dar:
"Sehr geehrte Frau Mag. (...),
danke für ihre Nachricht.
Sehr gerne nehme ich diesen Termin am Dienstag den 12.11.2013 wahr, ich könnte jedenfalls um 14.30 Uhr bei Ihnen sein.
Ich möchte mich nach rechtskräftiger Beendigung meiner anhängigen Verfahren beruflich verändern und habe diesbez��glich auch schon eine erste Bewerbung übermittelt.
Um diese Stelle antreten zu können, brauche ich gewisse Vorkenntnisse und diesbezüglich ersuche ich um Ihre Hilfe.
Mein vorläufiges Bewerbungsschreiben sowie den weiteren Schriftverkehr nehme ich zu unserem Gespräch mit.
(...)"
13 Vom Finanzamt wurde - nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der der Standpunkt vertreten wird, die Revisionswerberin treffe die Beweislast dafür, dass die Vorhaltsbeantwortung rechtzeitig der zuständigen Behörde zugekommen sei. Dabei sei dem Aufdruck eines Selbststemplers geringe Beweiskraft beizumessen. Bei diesem Handstempel könne das Datum nach Belieben eingestellt werden. "Im Nachhinein kann deshalb nicht mehr eruiert werden, ob die gegenständliche Vorhaltsbeantwortung zwar abgestempelt, aber von der Revisionswerberin (irrtümlich) nicht in den Postbehälter eingeworfen wurde oder ob - wie die revisionswerbende Partei behauptet - die Schriftstücke auf dem behördeninternen Postweg verlorengegangen sind."
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde der Revisionswerberin auch im fortgesetzten Verfahren keine Folge und begründete die abweisende Erledigung im Wesentlichen damit, dass die Revisionswerberin der Aufforderung, in geeigneter Form nachzuweisen, dass ihr Wille tatsächlich darauf gerichtet gewesen sei, sich eine neue Einkunftsquelle durch die Ausübung eines anderen Berufes zu verschaffen, nicht nachgekommen sei und den diesbezüglichen Vorhalt des Bundesfinanzgerichts trotz Fristerstreckung nicht beantwortet habe.
16 Abweichend dazu wird in der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Revision (auch im Zulässigkeitsvorbringen) vorgebracht, dass die Revisionswerberin den Fragenvorhalt fristgerecht beantwortet und das diesbezügliche Schriftstück (abgestempelt) in den Postkasten der gemeinsamen Einlaufstelle des Finanzzentrums Salzburg eingeworfen habe.
17 Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, befindet sich ein Schriftsatz ab Einlangen in der Einlaufstelle in der Sphäre der Behörde, die sich der Einlaufstelle bedient, was auch dann gilt, wenn es sich um eine gemeinsame Einlaufstelle mehrerer Behörden handelt. Die Unterlassung der (rechtzeitigen) Weiterleitung des Schriftsatzes von der Einlaufstelle an die jeweils zuständige Stelle stellt einen behördlichen Fehler dar (vgl. z.B. VwGH 30.6.2015, 2013/15/0192, mwN).
18 Der Revision liegt u.a. die Ausfertigung einer an das "BFG" gerichteten Vorhaltbeantwortung bei, in der auf den Vorhalt des Bundesfinanzgerichts und einen diesbezüglichen Fristerstreckungsantrag der Revisionswerberin Bezug genommen wird. Diese Ausfertigung ist mit einem Stempel der gemeinsamen Einlaufstelle des Finanzzentrums Salzburg 001 vom 22. Dezember 2017 und dem Vermerk "persönlich abgegeben" versehen. Dass der Vermerk von einem "Selbststempler" stammt, steht der Annahme einer fristgerechten Einbringung nicht entgegen. Es obliegt der Behörde, sicherzustellen, dass nur jene Schriftstücke mit einem Eingangsvermerk ihrer Einlaufstelle versehen werden, die dort auch tatsächlich eingegangen sind. Folglich ist im Zweifel davon auszugehen, dass die gegenständliche Vorhaltsbeantwortung rechtzeitig in die Sphäre des Bundesfinanzgerichts gelangte. 19 Die das angefochtene Erkenntnis tragende Feststellung des Bundesfinanzgerichts, die Revisionswerberin habe sich zur entscheidungsrelevanten Thematik, ob ihre Absicht darauf gerichtet war, tatsächlich einen anderen Beruf auszuüben, zur Gänze verschwiegen, stellt sich daher als unzutreffend dar. 20 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war. 21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20
14.
22 Wien, am 28. Mai 2019
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