Normen
BAO §119 Abs1
BAO §236
BAO §236 Unbilligkeit Einhebung §3
EStG 1988 §16 Abs2
EStG 1988 §19
EStG 1988 §25
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150014.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber war in den Jahren 1999 bis 2006 nichtselbständig tätig und hat in seiner Funktion als Dienstnehmer der X GmbH Gelder veruntreut, die vom Finanzamt nach Hervorkommen der Malversationen - entsprechend ihrem Zufluss - als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, sondern im Wege der Veranlagung zu erfassen sind, der Einkommensteuer unterzogen wurden.
2 Vom Revisionswerber wurde gegen die Einkommensteuerbescheide Berufung erhoben und im Rahmen des Berufungsverfahrens u.a. vorgebracht, er habe zwischenzeitig die veruntreuten Gelder zurückbezahlt. Die Rückzahlung bereits versteuerter Beträge stelle ein Ereignis dar, das Wirkung für den Umfang des in der Vergangenheit entstandenen Abgabenanspruches habe, weshalb § 295a BAO in Anwendung zu bringen sei.
3 Mit Bescheid vom 13. Mai 2013 gab der unabhängige Finanzsenat der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide mit der Begründung, ein Anwendungsfall des § 295a BAO liege nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor, keine Folge.
4 Bereits während des Berufungsverfahrens (Antrag vom 29. Dezember 2011) stellte der Revisionswerber den Antrag, ihm die aus den in Rede stehenden Einnahmen resultierende Einkommensteuer gemäß § 236 BAO nachzusehen. Es sei unbillig, bei einer gänzlichen Rückzahlung von veruntreuten Geldern diese der Einkommensteuer zu unterziehen.
5 Das Finanzamt wies den Antrag auf Bewilligung einer Nachsicht mit Bescheid vom 19. November 2014 ab, wogegen der Revisionswerber Beschwerde erhob.
6 In der die Beschwerde abweisenden Beschwerdevorentscheidung verneint das Finanzamt das Vorliegen einer Unbilligkeit iSd § 236 BAO und führte u.a. aus, angesichts des Gehalts, das der Revisionswerber zuletzt von der Geschädigten bezogen habe, könne keine Existenzgefährdung erblickt werden. Auch die Funktion des Revisionswerbers als Geschäftsführer einer in Dubai ansässigen Gesellschaft lasse eine Existenzbedrohung nicht erkennen. Vorbringen zu seinen aktuellen Einkommensverhältnissen fehle.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es liege keine Unbilligkeit iSd § 236 BAO vor. Das Bundesfinanzgericht verweist in seinem Erkenntnis auf die bereits in der Beschwerdevorentscheidung angeführte Geschäftsführertätigkeit des Revisionswerbers für eine ausländische Gesellschaft und stellt fest, eine Offenlegung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Revisionswerbers sei "trotz Vorhaltswirkung der Beschwerdevorentscheidung" bis dato nicht erfolgt.
8 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil sein Erkenntnis nicht von der darin angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung eingebracht hat.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Der Revisionswerber führt in der Zulässigkeitsbegründung aus: "In den Jahren, als ich die Beträge zurückbezahlt habe, war ich in Österreich nicht steuerpflichtig". Daher habe der - entsprechend dem Abflussprinzip anzusetzende - Aufwand steuerlich nicht geltend gemacht werden können. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei einer vollen Schadensgutmachung eines "erschlichenen Betrages", der im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Einkommensteuer unterzogen worden sei, in Bezug auf diese Steuer von einer sachlichen Unbilligkeit iSd § 236 BAO auszugehen sei.
14 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
15 Die Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten durch Nachsicht setzt einen hierauf gerichteten Antrag voraus, wobei den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft. Er hat einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. die bei Ritz, BAO6, § 236 Tz 4, angeführte Rechtsprechung).
16 Eine sachliche Unbilligkeit ist - unbeschadet der in § 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005, beispielsweise aufgezählten und hier nicht in Betracht kommenden Fälle - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. z.B. VwGH 25.5.2016, 2013/15/0213; 20.5.2010, 2006/15/0337, mwN).
17 Die zeitliche Erfassung von Einnahmen und von Werbungskosten entsprechend dem Zeitpunkt des Zu- und Abfließens ist eine vom Gesetzgeber in § 19 EStG 1988 für die Allgemeinheit getroffene Entscheidung, die als solche keine sachliche Unbilligkeit iSd § 236 BAO darstellt.
18 Kommt es zur Rückzahlung von Beträgen, die als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen waren, liegen Werbungskosten nach § 16 Abs. 2 EStG 1988 und damit gegebenenfalls negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor. Bei der Einkommensbesteuerung können auch (positive) Einkünfte aus der für eine ausländische Gesellschaft erbrachten Geschäftsführertätigkeit von Bedeutung sein (§ 1 EStG 1988).
19 Der Revisionswerber hat seine Einkommensverhältnisse zu keinem Zeitpunkt offengelegt, obwohl ihn im Falle einer Antragstellung nach § 236 BAO eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft und er einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun hat, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. In der Revision führt er lediglich aus: "In den Jahren, als ich die Beträge zurückbezahlt habe, war ich in Österreich nicht steuerpflichtig und konnte den Aufwand - nach dem Zu- und Abflussprinzip - steuerlich nicht als Werbungskosten geltend machen." Vorbringen zu der in der Beschwerdevorentscheidung
und im angefochtenen Erkenntnis angesprochenen Geschäftsführertätigkeit in Dubai und zu den aus dieser Tätigkeit resultierenden Einkünfte enthält die Revision nicht. Mangels Darlegung der für die steuerliche Behandlung des "Welteinkommens" maßgeblichen Umstände und der tatsächlichen (auch ausländischen) Besteuerung ist es von vorneherein nicht möglich zu beurteilen, ob allenfalls ein außergewöhnlicher Geschehensablauf iSd angeführten Rechtsprechung zu § 236 BAO vorliegen könnte.
20 Im Hinblick auf das Fehlen eines entsprechenden Sachverhaltssubstrates erweist sich die im Zulässigkeitsvorbringen formulierte Rechtsfrage als unzulässig, zumal der Verwaltungsgerichtshof zur Lösung abstrakter Rechtsfragen auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zuständig ist (vgl. z.B. VwGH 22.11.2018, Ra 2018/17/0184).
21 Die Revision war daher - in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. November 2019
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