Normen
GSpG 1989 §50 Abs4;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z5;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018130067.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Am 21. September 2017 fand im Lokal des Revisionswerbers eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) durch Organe der belangten Behörde unter Assistenz von Exekutivbeamten der Polizei statt.
2 Der Revisionswerber erhob am 2. November 2017 Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt an das Landesverwaltungsgericht Kärnten. Er machte geltend, im Zuge der Kontrolle am 21. September 2017 seien Videoaufzeichnungen einer Kamera in Augenschein genommen worden; auch sei diese Videoanlage benützt worden. Das Glücksspielgesetz biete keine Ermächtigung für diese Maßnahmen, durch welche er in seinem Eigentumsrecht, seinem Hausrecht und seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Das Verwaltungsgericht führte im Wesentlichen aus, am Eingang des Lokals sei im Außenbereich eine Kamera montiert gewesen, die von den einschreitendenden Organen anlässlich der Kontrolle am 21. September 2017 wahrgenommen worden sei. Nach Aufbrechen der Türe sei im Thekenbereich ein Monitor samt Speichermedium (Speicherkarte) wahrgenommen worden; auf dem Monitor sei die Aufnahme der Kamera vom Außenbereich zu sehen. Die einschreitenden Organe hätten angenommen, dass - wie in ähnlichen Fällen - auch im inneren Bereich Kameras angebracht seien, aus denen hätte ersichtlich sein können, ob Glücksspiele durchgeführt würden. Bei der Einsichtnahme in die (Video‑)Aufzeichnungen sei aber lediglich wahrgenommen worden, dass eine näher bezeichnete Person am Tag der Amtshandlung und am Tag davor das Lokal betreten habe.
5 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, Sinn und Zweck einer Kontrolle sei es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermögliche, ob die Bestimmungen des GSpG eingehalten würden. Zu dieser Sachverhaltsfeststellung erscheine es notwendig, in Aufzeichnungen Einsicht zu nehmen, da davon habe ausgegangen werden können, dass diese die Abhaltung des Glücksspieles betreffen. Die Benützung der Videoanlage habe daher der Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG gedient.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 1975/2018-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof begründete die Ablehnung der Behandlung der Beschwerde damit, die Beschwerde rüge die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die behördliche Einsichtnahme in Videoaufzeichnungen zu Recht als Überwachungsmaßnahme im Sinne des § 50 Abs. 4 GSpG qualifiziert worden sei, nicht anzustellen.
Der Verwaltungsgerichthof hat über die Revision erwogen:
7 Die Revision ist hinsichtlich der vom Zulässigkeitsvorbringen auch mitumfassten Frage zulässig, ob die Einsichtnahme in Videoaufzeichnungen als Überwachungsmaßnahme im Sinne des § 50 Abs. 4 GSpG zu beurteilen ist. Sie ist aber nicht begründet.
8 § 50 Abs. 4 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 118/2015, lautet:
"(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig."
9 Die Überwachungsmaßnahmen wurden erstmals mit der Glücksspielgesetz-Novelle 2008, BGBl. Nr. 54/2010, in § 50 Abs. 4 GSpG näher geregelt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (658 BlgNR 24. GP 8) wurde hiezu ausgeführt:
"Organe der öffentlichen Aufsicht sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden. Sie können auch von sich aus tätig werden. Organe der Abgabenbehörden können dabei die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes um Unterstützung ersuchen. Bei der Ausübung der Überwachung dürfen die Organe der öffentlichen Aufsicht erforderlichenfalls die Betriebsräumlichkeiten betreten, wobei ihnen Glücksspielbetreiber Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie umfassende Auskünfte zu erteilen haben, die zu ihrer Aufgabenerfüllung nötig sind."
10 Der zweite Satz dieser Bestimmung wurde mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, neu gefasst. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1960 BlgNR 24. GP 51) wurde hiezu ausgeführt:
"Zur Wahrung der aufsichtsrechtlichen Aufgaben ist es erforderlich, dass Behörden sich zu glücksspielrechtlich relevanten Sachverhalten einen ausreichenden Informationsstand verschaffen können. Im Rahmen der Vollziehung ist zunehmend der Versuch illegaler Glücksspielanbieter wahrzunehmen durch mangelnde Kooperation die Behörden an der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente zu hindern und so bereits im Ansatz die Einleitung von Strafverfahren zu vereiteln. Die im Abs. 4 statuierten Duldungs- und Mitwirkungspflichten stellen daher eine wesentliche Voraussetzung einer effizienten Kontrolle dar. Dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen stets in geeigneter Art und Weise im Zeitpunkt der Kontrolle nachkommen muss, ergab sich bereits aus der derzeitigen Rechtslage, doch soll klargestellt werden, dass den Kontrollorganen Testspiele unentgeltlich ermöglicht werden sollen und sich die Verpflichteten nicht durch mangelnde Vorkehrungen ihrer Mitwirkungspflichten entziehen können."
11 Mit dem Steuerreformgesetz 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, wurden schließlich dem § 50 Abs. 4 GSpG Bestimmungen darüber angefügt, dass die Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzt werden können. Hiezu wurde in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (684 BlgNR 25. GP 33) ausgeführt:
"Die im Abs. 4 statuierten Duldungs- und Mitwirkungspflichten stellen eine wesentliche Voraussetzung einer effizienten Kontrolle dar und sind aus diesem Grund als Verstöße gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert. Im Vollzug hat sich diese Maßnahme als äußerst wirksam herausgestellt.
Mit der Änderung wird klargestellt, dass die Durchsetzung der Befugnisse nach diesem Bundesgesetz auch zur Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt.
Daher sollen beispielsweise verschlossene Haus- und Zimmertüren sowie verschlossene Behältnisse, wie insbesondere auch Glücksspielautomaten, zum Zwecke der Durchsetzung der Überwachungsaufgaben auch zwangsweise geöffnet werden können. Dabei sind die jeweils gelindesten noch zum Ziel führenden Maßnahmen anzudrohen und anzuwenden."
12 Eine Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG dient nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich der Überwachung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht nur der Überwachung der Einhaltung des in den §§ 3 und 4 GSpG normierten Glücksspielmonopols. Sinn und Zweck einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht nur jene das Glücksspielmonopol des Bundes betreffenden Bestimmungen eingehalten werden (vgl. VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937, mwN).
13 Es ist nicht Voraussetzung für ein derartiges Betreten von Betriebsstätten zu Kontrollzwecken, dass schon vor dem Betreten feststeht, dass eine Übertretung des Glücksspielgesetzes stattgefunden hat (vgl. wieder VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937, mwN).
14 § 50 Abs. 4 GSpG ermöglicht u.a. den Einblick in die "geführten Aufzeichnungen". Der speziellere Begriff der Videoaufzeichnungen ist unzweifelhaft vom allgemeineren Begriff der Aufzeichnungen mitumfasst.
15 Zur Auslegung des Inhaltes dieser Bestimmung ist ihr Sinn und Zweck heranzuziehen, der - wie bereits dargelegt - darin besteht, den Sachverhalt festzustellen, der eine Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des GSpG eingehalten werden. Diesem Zweck dient aber die Einsichtnahme in beim Betreten der Betriebsstätte vorgefundene (dort "geführte") Videoaufzeichnungen.
16 Dies gilt auch für den Fall, dass lediglich im Außenbereich eine Kamera befestigt ist. Denn auch durch diese Aufzeichnungen können wichtige Informationen, wie beispielsweise der Zeitpunkt der Aufstellung der Geräte, gewonnen werden. Auch können diese Aufzeichnungen dazu dienen, Verstöße gegen die Mitwirkungspflicht im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 5 iVm § 50 Abs. 4 GSpG festzustellen, wenn daraus ersichtlich ist, dass trotz Anwesenheit einer gemäß § 50 Abs. 4 GSpG zur Mitwirkung verpflichteten Person kein Eintritt in das Lokal gewährt wird.
17 Schließlich ist darauf zu verweisen, dass Bestimmungen der Gewerbeordnung betreffend die Überwachung Vorbild für Regelungen des Glücksspielrechts sind (vgl. etwa die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2012, 1960 BlgNR 24. GP 52, betreffend die Betriebsschließung). Die Gewerbeordnung enthält in § 338 Regelungen betreffend Überwachungsmaßnahmen, insbesondere auch zu einem Betretungsrecht. Diese Bestimmung wurde mit BGBl. I Nr. 131/2004 dahin ergänzt, dass auch in alle Geschäftsunterlagen Einsicht genommen und Beweismittel gesichert werden können. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (616 BlgNR 22. GP 15) wurde hiezu ausgeführt, damit werde verdeutlicht, dass die Behörde alle verfahrensrechtlichen Kompetenzen habe, um die korrekte Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften wirkungsvoll zu kontrollieren und durchzusetzen.
18 Auch dem Gesetzgeber des Glücksspielrechts ist zu unterstellen, dass er mit der Regelung der Überwachungsmaßnahmen eine wirkungsvolle Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften (hier) des Glücksspielrechts vorsehen wollte. Auch wenn dies im GSpG nicht iSd BGBl. I Nr. 131/2004 "verdeutlicht" wurde, ist davon auszugehen, dass auch das Betretungsrecht nach § 50 Abs. 4 GSpG die Inaugenscheinnahme von anlässlich der Betretung vorgefundenen Beweismitteln wie hier der Videoaufzeichnungen umfasst.
19 Dass die Maßnahme nicht verhältnismäßig (oder nicht das "gelindeste Mittel") gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Wenn der Revisionswerber dazu ausführt, es sei nur eine Kamera im Außenbereich vorhanden gewesen, sodass aus diesen Videoaufzeichnungen von vornherein keine verwertbaren Beweise über allenfalls im Innenbereich des Lokals betriebene Glücksspiele zu erwarten wären, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Gerade im Hinblick darauf, dass das Betreten der Betriebsstätte erst durch Aufbrechen der Türe möglich wurde, kann keine Rede davon sein, dass der angestrebte Erfolg (Bestätigung oder Widerlegung des Verdachts des Verstoßes gegen das Glücksspielrecht) außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff (Einsichtnahme in vorgefundene Videoaufzeichnungen) war.
20 Soweit die Revision einen Eingriff in das - verfassungsrechtlich geschützte - Hausrecht behauptet, ist auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs zu verweisen; zur Prüfung der Verletzung solcher Rechte ist der Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/02/0203, mwN). Im Übrigen ist aber zu bemerken, dass das Wesen einer Hausdurchsuchung darin besteht, dass nach Personen oder Sachen, von denen unbekannt ist, wo sie sich befinden, gesucht wird; ein bloßes Betreten einer Wohnung ist hingegen nicht als Hausdurchsuchung zu beurteilen (vgl. VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937, mwN). Eine "Suche" im genannten Sinn lag nach dem festgestellten Sachverhalt nicht vor.
21 Da sohin der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die vom Revisionswerber behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 12. September 2018
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