VwGH Ra 2018/11/0187

VwGHRa 2018/11/018714.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des K F in W, vertreten durch Dr. Gottfried Kassin, Rechtsanwalt in 9300 St. Veit/Glan, Schillerplatz 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 19. Juli 2018, Zl. KLVwG-991/7/2018, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt), zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §7 Abs3 Z3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z4;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110187.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit (Vorstellungs)Bescheid vom 19. März 2018 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Führerscheinabnahme am 4. November 2017. Unter einem wurde als begleitende Maßnahme eine Nachschulung angeordnet. Einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Landesverwaltungsgericht Kärnten mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vorgelegte (außerordentliche) Revision.

4 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

6 1. Das Führerscheingesetz - FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF. BGBl. I Nr. 37/2018, lautet (auszugsweise):

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht

auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer

Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer

Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch

rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit

oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente

beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken

von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer

Handlungen schuldig machen wird.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat

insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

3. als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von

Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, sowie jedenfalls Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 90 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 100 km/h, das Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten hat und diese Übertretungen mit technischen Messgeräten festgestellt wurden, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;

4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im

Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:

  1. 1. wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,
  2. 2. wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von zwei Jahren oder

    3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.

    ...

    Sonderfälle der Entziehung

§ 26.

...

(2a) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretung hat die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen, sofern nicht gemäß Abs. 2 eine längere Entziehungsdauer auszusprechen ist. Eine nach Ablauf von zwei Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.

..."

7 2. Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht, wie die Revision zutreffend hervorhebt, ohne ausreichende Gründe in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise von der Heranziehung eines KFZ-Sachverständigen abgesehen hat.

8 3. Die Revision ist im Ergebnis begründet.

9 3.1.1. Das Verwaltungsgericht legt dem angefochtenen Erkenntnis folgende Sachverhaltsannahmen zugrunde:

10 Die Zeugen S. und T. seien am 4. November 2017 um 19:51 Uhr in Klagenfurt mit dem Polizeifahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen der R. Straße in südliche Richtung gefahren. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich sowohl vor als auch hinter dem Polizeifahrzeug mehrere andere Fahrzeuge befunden. Etwa auf Höhe des StrKm. 2,0 ("Reifenhandel Süd") seien sie auf das Fahrzeug des Revisionswerbers aufmerksam geworden, weil dieser sie auf dem linken Fahrstreifen mit merklich überhöhter Geschwindigkeit (ca. mit 70 km/h) überholt habe. S. als Lenker des Polizeifahrzeugs habe "daraufhin" ebenfalls auf den linken Fahrstreifen gewechselt und sei dem Revisionswerber gefolgt. Ca. bei StrKm. 2,4 habe er auf einen annähernd gleichbleibenden Abstand von ca. 50 m auf das Fahrzeug des Revisionswerbers aufgeschlossen. Bei StrKm. 2,6 habe S. vom nicht geeichten (digitalen) Tachometer des Polizeifahrzeugs eine Geschwindigkeit von 140 km/h ablesen können, die er dem Beifahrer T. mitgeteilt habe; dieser habe sie notiert. Für diesen Bereich habe "wie auch für die gesamte vorige Nachfahrstrecke" die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gegolten. Im Zuge der weiteren Nachfahrt habe der Revisionswerber nach der ampelgeregelten Kreuzung mit der K. Straße "bei Beginn des dortigen 70 km/h Geschwindigkeitsbeschränkungsbereiches" seine Geschwindigkeit weiter erhöht. Auch S. habe seine Geschwindigkeit erhöht, um einen gleichbleibenden Abstand beizubehalten. Auf Höhe StrKm. 3,6 (Bereich Abfahrt N.) habe S. bei Einhaltung eines nach wie vor gleichbleibenden Abstands vom Tacho eine Geschwindigkeit von 165 km/h ablesen können. "Im Bereich vor der dort situierten Fahrbahnverengung (Zusammenführung auf einspurig)" sei auf dem rechten Fahrstreifen ein PKW gefahren, der vom Revisionswerber überholt worden sei. Dabei habe dieser die dort auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie wie auch die darauffolgende Sperrfläche überfahren. Zu diesem Zeitpunkt habe S. bei Einhaltung eines gleichbleibenden Abstands zum Revisionswerber eine Geschwindigkeit von 165 km/h ablesen können; erlaubt seien 70 km/h gewesen. Bedingt durch die Fahrbahnverengung habe der Revisionswerber die Geschwindigkeit reduzieren müssen und sei nach dem Einordnen auf den verbleibenden rechten Fahrstreifen mit einer dem Fließverkehr angepassten Geschwindigkeit hinter anderen Fahrzeugen Richtung Süden weitergefahren. Die Anhaltung des Revisionswerbers sei dann "vor der Bushaltestelle beim J H Denkmal (StrKm. 5,0)" erfolgt, nachdem ihn S. in jenem Bereich, in dem die R. Straße wieder zwei Fahrstreifen aufweise, überholt hätte. Ab kurz vor der Kreuzung mit der K. Straße auf Höhe der dort situierten Apotheke sei die Nachfahrt mit eingeschaltetem Blaulicht erfolgt. Im Verlauf der Nachfahrstrecke mündeten mehrere untergeordnete Straßen in die R. Straße. Am Auto des Revisionswerbers hätten die Vorderreifen nicht mehr die gesetzliche Mindestprofiltiefe aufgewiesen.

11 Diese Feststellungen, so das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung, stützten sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben der einvernommenen Polizeibeamten.

12 Es könne unter Berücksichtigung der Messtoleranzen davon ausgegangen werden, dass der Revisionswerber die im Ortsgebiet erlaubte höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h um 80 km/h und die im Freilandbereich erlaubten 70 km/h um 85 km/h überschritten habe. Selbst bei Berücksichtigung einer größeren Messtoleranz im Ausmaß von 15 % würden jeweils erhebliche Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorliegen (um 69 km/h bzw. um 70 km/h).

13 3.1.2. In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe über eine Strecke von ca. 1 km die jeweils erlaubte Höchstgeschwindigkeit in einem gravierenden Ausmaß überschritten. Zudem seien von ihm während dieser Fahrt auf dem rechten Fahrstreifen fahrende Fahrzeuge überholt worden, er habe sich bei seiner Fahrt also nicht allein auf der Straße befunden. Andere Verkehrsteilnehmer hätten vorab darauf vertrauen dürfen, dass sich ihnen von hinten kommend ein Fahrzeug nicht mit einer höheren als der erlaubten Geschwindigkeit nähere. Zum Tatzeitpunkt sei es bereits dunkel gewesen. Gerade bei Dunkelheit führe ein Abschätzen von Entfernungen über den Rückbzw. Außenspiegel "oft zu Fehleinschätzungen". Die gravierenden Geschwindigkeitsübertretungen seien daher aufgrund der Begleitumstände "(Länge der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen, Vorhandensein weiterer Verkehrsteilnehmer und Einbindungen untergeordneter Straßen, Dunkelheit ...)" geeignet, besonders gefährliche Verhältnisse iSd.

§ 7 Abs. 3 Z 3 FSG herbeizuführen, dies unter Einbeziehung der mangelnden Profiltiefe der Vorderreifen.

14 Es sei daher vom Verwirklichen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 FSG auszugehen, wofür gemäß § 26 Abs. 2a FSG eine Mindestentziehungszeit von sechs Monaten vorgesehen sei. Die angeordnete Nachschulung finde in § 24 Abs. 3 FSG ihre Deckung.

15 3.2.1. Die Revision erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses im Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insofern, als eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 3 FSG bei erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung vorliege, wenn sie vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen oder auf Schutzwegen und Radfahrüberfahrten erfolgt oder wenn das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortgebiet um mehr als 90 km/h bzw. außerhalb desselben um mehr als 100 km/h beträgt. Diese Voraussetzungen seien auf der Grundlage der Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nicht gegeben. Zudem sei die Geschwindigkeitsmessung nicht mit einem geeichten Gerät erfolgt, was aber für § 7 Abs. 3 Z 3 FSG maßgeblich sei.

16 3.2.2. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Revision vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht von der Beiziehung eines Kfztechnischen Sachverständigen abgesehen, obwohl dies vom Revisionswerber ausdrücklich unter Bezugnahme auf die Inkonsistenz der Angaben der Polizeibeamten beantragt worden sei.

17 3.3.1. Mit ihren Ausführungen zu einem Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 3 FSG zeigt die Revision keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.

18 Die Revision übersieht zunächst die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge auch eine Messung der Geschwindigkeit unter Zuhilfenahme eines nicht geeichten Tachometers durch ein "technisches Hilfsmittel" iSd. § 7 Abs. 3 Z 3 und 4 FSG erfolgt (vgl. VwGH 15.10.2015, Ra 2015/11/0064).

19 Ebensowenig zutreffend ist die Auffassung der Revision, dass schon das Nichtvorliegen der Umstände, die gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 FSG als Beispiele für das Übertreten von Verkehrsvorschriften unter Umständen, die geeignet sind, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, angeführt sind, eine Heranziehung des § 7 Abs. 3 Z 3 FSG ausschließt, weil die Aufzählung in § 7 Abs. 3 Z 3 FSG nur demonstrativ ist.

20 Es trifft zu, dass erst seit der FSG-Novelle BGBl. I Nr. 117/2010 das Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit in einem bestimmten Ausmaß (um mehr als 90 km/h im Ortsgebiet bzw. um mehr als 100 km/h außerhalb desselben) bereits für sich (jedenfalls) das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 3 FSG bewirkt, ohne dass es des Hinzutretens weiterer Umstände bedürfte. Daraus ist aber für den Rechtsstandpunkt des Revisionswerbers nichts gewonnen.

21 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zu § 7 Abs. 3 Z 3 FSG vor der Neufassung durch die FSG-Novelle BGBl. I Nr. 117/2010 betont, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für sich allein - anders als nach § 7 Abs. 3 Z 4 FSG - noch nicht den Tatbestand des § 7 Abs. 3 Z 3 FSG erfüllt (vgl. zB. VwGH 23.1.2007, 2005/11/0023). Als Umstände, die das Verhalten des Lenkers so wie in den in § 7 Abs. 3 Z 3 FSG demonstrativ aufgezählten Fällen als an sich geeignet erscheinen lassen, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, hat der Verwaltungsgerichtshof angesehen, wenn Geschwindigkeitsexzesse an gefährlichen Orten (wie zB. im Ortsgebiet im Bereich von Hauseinfahrten oder an Stellen mit einmündenden Straßen) oder etwa unter stark herabgesetzter Aufmerksamkeit des Kraftfahrzeuglenkers erfolgten (vgl. VwGH 23.3.2004, 2002/11/0135). Geschwindigkeitsexzesse hat der Verwaltungsgerichtshof bereits dann als gegeben angesehen, wenn im Ortsgebiet die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 50 km/h überschritten wurde (vgl. VwGH 23.3.2004, 2002/11/0135) oder außerhalb des Ortsgebiets die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 67 km/h überschritten wurde (vgl. VwGH 11.7.2000, 99/11/0365 mwN.). Dass diese Judikatur nicht auf die Rechtslage nach der FSG-Novelle BGBl. I Nr. 117/2010 zu übertragen wäre, ist auch vor dem Hintergrund der Materialien zu dieser Novelle (vgl. AB 1021 Blg NR 24. GP, 3) nicht zu erkennen.

22 Zusammengefasst bedeutet dies, dass ein Geschwindigkeitsexzess iSd angegebenen hg. Judikatur, der unter erschwerenden Begleitumständen wie dargelegt stattfindet, auch dann das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 FSG begründen kann, wenn die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit nicht in dem Ausmaß erfolgt, das bereits für sich das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 3 leg. cit. begründet (um mehr als 90 km/h im Ortsgebiet bzw. um mehr als 100 km/h außerhalb desselben).

23 Bei einer gravierenden Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schon im Ortsgebiet um 80 km/h und außerhalb des Ortsgebiets um 85 km/h sowie der vom Verwaltungsgericht festgestellten weiteren Umstände (Dunkelheit im Zeitpunkt der Tatbegehung; etliche im Bereich der Geschwindigkeitsübertretung in die R. Straße einmündende nachgeordnete Straßen; nicht ausreichende Profiltiefe der Vorderreifen am Fahrzeug des Revisionswerbers) wäre die Bejahung des Vorliegens einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 3 FSG nicht als rechtswidrig zu erkennen.

24 3.3.2. Allerdings setzen die bisherigen Ausführungen voraus, dass tatsächlich ein Geschwindigkeitsexzess im erwähnten Sinn stattgefunden hat. Dazu sind schlüssige und mängelfreie Feststellungen erforderlich.

25 3.3.2.1. Der Revisionswerber hat bereits in seiner Beschwerde konkret (unter Anführung von Berechnungen betreffend Distanzen, Beschleunigung und sich daraus ergebenden Geschwindigkeiten) vorgebracht, dass er anders als das Polizeifahrzeug nicht vom Südring in die R. Straße eingebogen sei, sondern zunächst bei Rot auf der R Straße an der Kreuzung angehalten und nicht vor dem Umschalten auf Grün losgefahren sei und - geradeaus - die Kreuzung überquert habe, sodass er die ihm zur Last gelegte Fahrgeschwindigkeit beim Überholen des Polizeifahrzeugs und danach nicht hätte einhalten können. Dazu wurde ausdrücklich die Einholung des Gutachtens eines Kfztechnischen Sachverständigen beantragt. Auf dieses Vorbringen ist das Verwaltungsgericht nicht eingegangen.

26 Auch auf das Vorbringen des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung, die Angaben des Lenkers des Polizeifahrzeugs S. könnten "technisch" nicht stimmen, die hohe abgelesene Geschwindigkeit lasse sich nur daraus erklären, dass das Polizeifahrzeug auf das Fahrzeug des Revisionswerbers aufgeschlossen, aber keinen gleichbleibenden Abstand eingehalten habe, ist das Verwaltungsgericht nicht eingegangen. Es hat auch ungeachtet des diesbezüglichen, in der mündlichen Verhandlung wiederholten Antrags des Revisionswerbers keinen Kfz-technischen Sachverständigen beigezogen, sondern ohne nähere Begründung, insbesondere ohne Abklärung deren Plausibilität, die Angaben von S. seinen Feststellungen zugrundegelegt.

27 3.3.2.2. Ebensowenig ist das Verwaltungsgericht auf das Vorbringen des Revisionswerbers eingegangen, das von den Polizeibeamten geschilderte Einordnen des Revisionswerbers in den Fließverkehr bei Verengung der Fahrbahn auf nur einen Fahrstreifen bei ca. StrKm. 3,6 sei ohne ein auffälliges Abbremsen von der zur Last gelegten Geschwindigkeit von 155 km/h auf die vom Fließverkehr eingehaltene Geschwindigkeit (das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass an dieser Stelle mehr als 70 km/h zulässig gewesen wären) nicht denkbar, habe doch der Beifahrer T. ausdrücklich angegeben, dass ihm weder ein abruptes Abbremsen noch eine Vollbremsung aufgefallen wären. Auch zur Klärung dieser Frage, ob bei den festgestellten Geschwindigkeiten ein Einordnen in den Fließverkehr in kurzer Zeit überhaupt möglich war, wie das von den Polizeibeamten dargestellt wurde, hat das Verwaltungsgericht keinen Kfz-technischen Sachverständigen beigezogen.

28 3.3.3. Da das angefochtene Erkenntnis auf einem nicht vollständig festgestellten Sachverhalt beruht und dem Verwaltungsgericht darüber hinaus, wie aufgezeigt, Begründungsmängel unterlaufen sind, bei deren Unterbleiben nicht ausgeschlossen ist, dass sich die Annahme eines Geschwindigkeitsexzesses, der im Zusammenwirken mit weiteren Umständen das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 FSG begründet hätte, als unzutreffend erwiesen hätte, war das angefochtene Erkenntnis sowohl hinsichtlich der Bestätigung des Entziehungsausspruchs als auch hinsichtlich der Bestätigung der Anordnung einer Nachschulung, die gemäß § 24 Abs. 3 FSG nur aus Anlass einer Entziehung ausgesprochen werden darf, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

29 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. November 2018

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