European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018080227.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 und 2 ASVG mit zwei Geldstrafen von EUR 730,-- bestraft, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der TT GmbH zu verantworten habe, dass die TT GmbH es als Dienstgeberin unterlassen habe, die bei ihr beschäftigten, in der Unfallversicherung pflichtversicherten AM und MS vor deren Arbeitsantritt am 18. bzw. 19. April 2017 beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof ab.
6 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es seien keine Dienstverhältnisse vorgelegen. Diese Tätigkeit sei von AM und MS nicht in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erbracht worden.
7 Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältniss es sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. etwa VwGH 24.7.2018, Ra 2017/08/0045, mwN). Es entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass in Fällen, in denen jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen unter solchen Umständen arbeitend angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten - wie dies insbesondere etwa bei Hilfsarbeiten auf einer Baustelle der Fall ist -, die Behörde berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. VwGH 4.9.2013, 2011/08/0063, mwN).
8 Das Bundesverwaltungsgerichtes ist im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund, dass AM und MS bei der Verrichtung einfacher Hilfstätigkeiten auf einer Baustelle - nämlich dem Schleifen und Streichen von Fensterstöcken - angetroffen wurden, die sie nach den Feststellungen aufgrund eines von einem Beschäftigten der TT GmbH erteilten Auftrages durchführten, nach Abwägung der nach der Rechtsprechung maßgeblichen Umstände vom Vorliegen von Dienstverhältnissen im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG - und nicht etwa von Werkverträgen (vgl. zur Abgrenzung des Dienstvertrages vom Werkvertrag etwa VwGH 1.10.2015, Ro 2015/08/0020, mit weiteren Hinweisen) - ausgegangen. Ein Unvertretbarkeit dieser Beurteilung vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
9 Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird in der Revision weiters geltend gemacht, die TT GmbH sei nicht als Dienstgeberin im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG anzusehen. Eigentümer des Hauses, in dem von AM und MS Sanierungsarbeiten durchgeführt worden seien, sei der Revisionswerber selbst und nicht die TT GmbH. Die Verwaltung des Hauses werde daher auf Rechnung des Revisionswerbers und nicht auf die der TT GmbH durchgeführt. Dazu habe das Bundesverwaltungsgericht Erhebungen unterlassen. Den Revisionswerber treffe auch kein Verschulden. Die Tätigkeit des MS auf der Baustelle sei ihm nicht bekannt gewesen. Die Unterlassung der Einrichtung eines Kontrollsystems könne ihm nicht vorgehalten werden, weil es schon an einer Grundlage für eine Zurechnung der Tätigkeit des MS zum Revisionswerber fehle.
10 Nach § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs- oder Lehrverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Für die Dienstgebereigenschaft ist wesentlich, wer nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, wen also das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft (vgl. VwGH 24.2.2016, 2013/08/0058, mwN).
11 Im vorliegenden Fall entsprach es dem eigenen Vorbringen des Revisionswerbers im Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts, dass von ihm als Geschäftsführer der TT GmbH die Verwaltung der Liegenschaften dieses Unternehmens dem SH, einem Beschäftigten der TT GmbH, übertragen worden sei und SH auch die Aufträge zu Bauarbeiten an dem Objekt, in dem AM und MS arbeiteten, in seiner Eigenschaft als Dienstnehmer der TT GmbH erteilt habe. Dem folgend hat das Bundesverwaltungsgericht die Baustelle, auf der AM und MS tätig wurden, der TT GmbH zugerechnet. Die Ausführungen in der Revision, der Revisionswerber selbst sei Eigentümer der Liegenschaft, sodass die Arbeiten auf seine Rechnung erfolgt seien, verstößt gegen das im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes nach § 41 VwGG geltende Neuerungsverbot. Mit einem solchen Vorbringen kann das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht begründet werden (vgl. VwGH 10.9.2019, Ra 2019/16/0124, mit weiteren Hinweisen). 12 Die Vorschriften des ASVG über das Beschäftigungsverhältnis stehen auf dem Boden der Eingliederungstheorie. Ein Beschäftigungsverhältnis im Sinn des ASVG wird durch den "Einstellungsakt" begründet. Es setzt einen "Verpflichtungsakt" nicht voraus. Es ist nicht erforderlich, dass der Dienstgeber dem Einstellungsakt zugestimmt hat oder von diesem in Kenntnis gesetzt wurde. Die Pflichtversicherung der Dienstnehmer beginnt nach § 10 Abs. 1 ASVG in der Regel mit dem Tage des Beginnes (Antritt) ihrer Beschäftigung, sie dauert mit dem Beschäftigungsverhältnis fort, bis sie nach § 11 Abs. 1 ASVG in der Regel mit dem Ende der Beschäftigung erlischt. Das Beschäftigungsverhältnis im Sinn des ASVG wird in der Regel durch die Aufnahme der Beschäftigung im Betrieb des Dienstgebers begründet (vgl. VwGH 26.5.2014, 2012/08/0207, mwN). Für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für eine unterbliebene Anmeldung zur Sozialversicherung ist die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems entscheidend. Will der Dienstgeber verhindern, dass Beschäftigungsverhältnisse durch die Aufnahme einer Beschäftigung in seinem Betrieb ohne seine Zustimmung bzw. ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung begonnen werden, so muss er ein wirksames Kontrollsystem errichten bzw. entsprechende Weisungen erteilen und deren Befolgung sicherstellen (vgl. VwGH 13.3.2017, Ra 2017/08/0014, mwN). Im vorliegenden Fall sind AM und MS nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund eines Auftrages zur Durchführung von Sanierungsarbeiten eines Beschäftigten der TT GmbH in deren Betrieb tätig geworden. Die Errichtung eines Kontrollsystems im dargestellten Sinn hat der Revisionswerber nicht dargetan. Er vermag daher die Unrichtigkeit der Annahme seines Verschuldens an dem Unterbleiben der Meldungen beim zuständigen Krankenversicherungsträger nicht aufzuzeigen. 13 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auch einen Begründungsmangel geltend macht, ist ihr zuzugestehen, dass das angefochtene Erkenntnis insofern Schwächen in der Gliederung aufweist, als die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes teilweise erst disloziert im Rahmen der Ausführungen zur Beweiswürdigung bzw. zur rechtlichen Beurteilung erfolgt. Dennoch vermag die Revision mit diesem Vorbringen keine grundsätzliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Es ist nämlich hinreichend klar zu erkennen, von welchen entscheidungswesentlichen Tatsachen das Verwaltungsgericht auf Grund welcher Erwägungen ausgegangen ist und wie es diesen Sachverhalt rechtlich beurteilt hat, sodass weder die Rechtsverfolgung durch die Parteien noch die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 20.5.2019, Ra 2018/08/0031, mwN).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 20. November 2019
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