VwGH Ra 2018/02/0083

VwGHRa 2018/02/00838.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des M in I, vertreten durch Lüth & Mikuz, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße 39, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 4. Jänner 2018, Zl. LVwG- 2017/33/2563-3, betreffend Übertretung der StVO (Behörde gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landespolizeidirektion Tirol), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs2e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020083.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Revisionswerber schuldig erachtet, er habe am 21. Mai 2017 um 13:42 Uhr auf einem näher bezeichneten Straßenabschnitt als Lenker eines Fahrzeuges die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 53 km/h überschritten. Die Überschreitung sei mit einem Messgerät festgestellt und die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden. Der Revisionswerber habe dadurch § 20 Abs. 2 StVO verletzt, weshalb gemäß § 99 Abs. 2e StVO eine Geldstrafe von EUR 360,-- (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Tage drei Stunden) verhängt wurde.

2 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, die Geschwindigkeitsmessung sei durch den namentlich genannten Meldungsleger von der Verkehrsabteilung Tirol mit dem Lasermessgerät VKS3.1 mit der Identifikationsnummer A904 erfolgt. Das Fahrzeug sei von vorne mit einer Geschwindigkeit von 189 km/h gemessen worden. Nach Abzug der Messtoleranz von 3 %, gerundet 6 km/h, habe der Revisionswerber die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 53 km/h überschritten.

3 Beweiswürdigend hielt das Verwaltungsgericht zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung fest, dass sich die gemessene Geschwindigkeit von 189 km/h aus der Anzeige der Verkehrsabteilung Tirol sowie aus den Radarfotos ergäbe. Auch sei auf diesen Fotos erkennbar, dass eine Messtoleranz von 6 km/h in Abzug zu bringen sei, sodass sich ein vorwerfbarer Wert von 183 km/h ergebe. Bei Lasergeschwindigkeitsmessgeräten sei eine Messtoleranz von 3 % in Abzug zu bringen. Bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 189 km/h ergebe dies gerundet einen Wert von 6 km/h, die als Messtoleranz in Abzug zu bringen seien. Dass das Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerät der Bauart VKS3.1 mit der Identifikationsnummer A904 gültig geeicht gewesen sei, ergebe sich aus dem eingeholten Eichschein mit einer Nacheichfrist bis 31. Dezember 2019.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 53 km/h vorliege, wobei die Messtoleranz bereits zugunsten des Revisionswerbers abgezogen worden sei.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, zu der keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Der Revisionswerber erachtet die Revision als zulässig, weil das Verwaltungsgericht nicht begründet habe, weshalb eine Messtoleranz von lediglich 3 % in Abzug zu bringen sei, während in anderen Fällen (Verweis auf eine Entscheidung des UVS Burgenland) 5 % als Messtoleranz abgezogen worden sei. Unklar sei auch, ob die Messtoleranz in km/h oder in Prozent abzuziehen sei.

7 Die Revision ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt:

8 Das Verwaltungsgericht hat von der gemessenen Geschwindigkeit 3 % in Abzug gebracht und dies damit begründet, dass auf den im Akt einliegenden Radarfotos erkennbar sei, dass eine Messtoleranz von 6 km/h in Abzug zu bringen sei. Bei Lasergeschwindigkeitsmessgeräten sei eine Messtoleranz von 3% abzuziehen.

9 Wieviel von der mit einem Lasergeschwindigkeitsmessgerät gemessenen Geschwindigkeit abzuziehen ist, muss im Rahmen des Sachverhaltes festgestellt werden. Dazu bedarf es tauglicher Beweismittel, aus denen ein entsprechender Schluss gezogen werden kann. Die vom Verwaltungsgericht dafür herangezogenen Radarfotos sind keine solchen tauglichen Beweismittel. Allein aus den auf einem der im Akt erliegenden Fotos befindlichen Vermerke "km/h:

189", "Tol.: 006" und "Wert: 183" kann nicht der Schluss gezogen werden, dass das konkrete Geschwindigkeitsmessgerät eine Messtoleranz von 3 % zulasse. Auch die Vermerke auf dem ebenfalls im Akt einliegenden Eichschein vom 13. Oktober 2016 für das konkrete Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerät unter dem Abschnitt "Messunsicherheit" lassen nicht erkennen, wie das Verwaltungsgericht zu einer Messtoleranz von 3 % gelangt ist.

10 Es wird weiterer Beweise bedürfen, etwa der Gebrauchsanweisung bzw. der Betriebsanleitung des Geschwindigkeitsmessgerätes, allenfalls der Beiziehung eines verkehrstechnischen Sachverständigen, um verlässliche Rückschlüsse und damit Feststellungen über die Messtoleranz des konkreten Gerätes machen zu können.

11 Dieser Verfahrensmangel ist auch relevant, weil nicht auszuschließen ist, dass sich bei einem anderen Verfahrensergebnis ein größerer Abzug ergibt und die dann festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung andere Rechtsfolgen mit sich bringt.

12 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und lit. c VwGG aufzuheben.

13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. Mai 2018

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