Normen
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010368.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 11. Oktober 2017 wies die Tiroler Landesregierung (Amtsrevisionswerberin; im Folgenden: Behörde) den Antrag des Mitbeteiligten auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 Z 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) wegen eines Naheverhältnisses zu einer extremistisch-terroristischen Gruppe in Bezug auf die aktive Rolle des Mitbeteiligten im Verein "S N Kulturverein" und die Verbindung dieses Vereins zur "Türkischen Hisbollah", einer kurdisch-sunnitischen, islamistischen Terrororganisation, und den Erstreckungsantrag der am 7. September 1999 geborenen Tochter des Mitbeteiligten gemäß §§ 17 iVm 18 StbG jeweils ab (Spruchpunkte 1. und 2.) und verpflichtete mit Spruchpunkt 3. den Mitbeteiligten zur Zahlung näher bestimmter Kosten.
2 Diesen Bescheid hob das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) mit dem angefochtenen Beschluss über die Beschwerde (u.a.) des Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und wies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück. Ebenso sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, die sehr allgemein gehaltenen Ausführungen des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Berichten seien bezüglich eines vorwerfbaren Verhaltens des Mitbeteiligten nicht ausreichend konkret. Es würden darin dem Mitbeteiligten keine konkret vorhaltbaren Verhaltensweisen, keine konkreten Veranstaltungen mit Angaben des genauen Zweckes und des Veranstaltungsdatums und der genauen Tätigkeit bzw. der Verantwortung des Mitbeteiligten angelastet. Es ergebe sich daraus nicht, wann konkret welche Veranstaltungen, mit welchem Inhalt, mit welchen Mitwirkenden und wo durchgeführt worden seien und welche Rolle der Mitbeteiligte bei der Organisation und dem Ablauf bzw. den Inhalten der Veranstaltung gespielt habe. Außer, dass es sich beim Mitbeteiligten um einen vom angeführten Verein beschäftigten Imam handle, sei nichts darüber ausgeführt, wie und in welcher Funktion der Mitbeteiligte bei diesem Verein öffentlich bei Veranstaltungen mit welchem offensichtlichen Bezug zur "Türkischen Hisbollah" aufgetreten sei.
Diesbezügliche Erhebungen und Konkretisierungen sowie Abklärungen und Einvernahmen seien jedenfalls notwendig, um ausreichend erwiesene Tatsachen für eine rechtskonforme Begründung der Abweisung des Staatsbürgerschaftsantrages gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 Z 7 StbG heranziehen zu können. Die Behörde verfüge dafür über die erforderlichen personellen Möglichkeiten. Die Ergänzung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst sei weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit erheblicher Kostenersparnis verbunden. Die Angelegenheit sei daher zur Erhebung des maßgeblichen Sachverhaltes und den damit zusammenhängenden erforderlichen weiteren Verfahrensschritten zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuweisen gewesen.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Behörde mit dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Mitbeteiligte beantragte in der von ihm erstatteten Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
5 Die Revision ist im Hinblick auf das im Zulässigkeitsvorbringen dargelegte Abweichen des angefochtenen Beschlusses von der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG normierten Voraussetzungen für die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides zulässig und berechtigt.
6 Der Revisionsfall gleicht in Ansehung sowohl des relevanten Sachverhalts als auch der maßgeblichen Rechtsfrage zum Vorliegen der Voraussetzungen für einen Zurückverweisungsbeschluss gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG jenem, über den der Verwaltungsgerichtshof jüngst mit Erkenntnis vom 25. September 2018, Ra 2018/01/0325, entschieden hat.
7 Wie in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, näher ausgeführt, stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nach dieser Rechtsprechung unter anderem dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat bzw. zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 27.6.2018, Ra 2017/09/0031, Rn. 13, mwN). Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit iSd § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich - entgegen der vorliegenden Entscheidung - nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt hervorgehoben, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind. In Anbetracht dessen, dass die Verwaltungsgerichte in ihrer Konzeption nun die erste gerichtliche Tatsacheninstanz sind, haben sie auf Basis von vorhandenen Ermittlungsergebnissen und allfälligen Ergänzungen in der Sache selbst zu entscheiden.
8 Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen ist somit nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken zulässig.
9 Solche Ermittlungslücken liegen im Hinblick auf die von der Behörde eingeholten Berichte des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gerade nicht vor.
10 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
11 Der Mitbeteiligte hat bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Kostenersatz.
Wien, am 19. Dezember 2018
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