Normen
ASVG §293 Abs1 lita sublitbb;
ASVG §293 Abs1 litc sublitaa;
ASVG §293 Abs1 litc sublitbb;
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §20 Abs1;
NAG 2005 §64 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220130.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2.1. Der Mitbeteiligte, ein im Jahr 1981 geborener bosnischer Staatsangehöriger, stellte am 6. Oktober 2016 einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
2.2. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2016 wies der (nunmehrige) Revisionswerber den Antrag wegen Fehlen ausreichender finanzieller Mittel gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG ab. Der Mitbeteiligte habe - so die wesentliche Begründung - zwar eine Bankbestätigung über ein Kontoguthaben von EUR 11.200,-- vorgelegt, jedoch die Herkunft der Mittel nicht nachgewiesen (die vorgelegten Kontoauszüge für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis zum 5. Oktober 2016 ließen keine entsprechenden Transaktionen erkennen). Es sei daher nicht von einem langfristig gesicherten Lebensunterhalt auszugehen, eine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt sei nicht auszuschließen. Auch die Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG in Verbindung mit Art. 8 EMRK führe nicht zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels.
2.3. Der Mitbeteiligte erhob gegen den Bescheid Beschwerde und brachte (unter anderem) zur Herkunft der Mittel vor, das Kontoguthaben von EUR 11.200,-- bestehe zu knapp einem Drittel aus eigenen Ersparnissen, der Rest sei ihm von seinem Bruder und dessen Ehefrau geschenkt worden.
Der Mitbeteiligte legte dazu auch Lohnabrechnungen und Kontoauszüge betreffend seinen Bruder und dessen Ehefrau vor, woraus regelmäßige Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit hervorgehen. Ferner brachte er weitere Auszüge betreffend sein eigenes Bankkonto für das Jahr 2017 in Vorlage, woraus sich ebenfalls regelmäßige Eingänge ergeben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gaben der Bruder und dessen Ehefrau als Zeugen (unter anderem) an, dass sie den Mitbeteiligten weiterhin bei Bedarf finanziell unterstützen würden und dieser bei ihnen wohnen werde.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde statt, indem es den bekämpften Bescheid aufhob und dem Mitbeteiligten die beantragte Aufenthaltsbewilligung für die Dauer eines Jahres ab Rechtskraft der Entscheidung erteilte.
Das Verwaltungsgericht führte dazu im Wesentlichen aus, nach den Aussagen des Bruders und dessen Ehefrau sei die finanzielle Grundlage für den Aufenthalt des Mitbeteiligten als gesichert anzusehen. Auf Grund der kostenfreien Unterbringung und der finanziellen Zuwendungen durch den Bruder und dessen Ehefrau sowie des eigenen Kontoguthabens des Mitbeteiligten von EUR 11.200,-- liege der herangezogene Abweisungsgrund nicht vor. Es sei daher die beantragte Aufenthaltsbewilligung infolge Erfüllung der Voraussetzungen zu erteilen.
Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. das Fehlen einer solchen Rechtsprechung in den im Folgenden näher erörterten Punkten behauptet wird. Der Revisionswerber zeigt damit jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.
5.1. Der Revisionswerber macht unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geltend, aus § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG ergebe sich, dass das Vorhandensein der notwendigen finanziellen Mittel auch durch einen Unterhaltsanspruch nachgewiesen werden könne. Vorliegend komme ein solcher Anspruch des Mitbeteiligten gegenüber seinem Bruder und dessen Ehefrau in Betracht, der durch eine Haftungserklärung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 15 NAG nachzuweisen wäre. Das Verwaltungsgericht habe sich jedoch mit den Aussagen des Bruders und dessen Ehefrau begnügt, wonach die beiden den Mitbeteiligten weiterhin finanziell unterstützen würden, und damit das Erfordernis einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Haftungserklärung negiert.
Der Revisionswerber releviert weiters, das Verwaltungsgericht habe sich in Bezug auf das Kontoguthaben des Mitbeteiligten von EUR 11.200,-- mit der legalen Herkunft dieser Mittel nur unzureichend auseinandergesetzt. Es habe insbesondere die Aussagen des Bruders und dessen Ehefrau, wonach zwei Drittel des Guthabens von den beiden stammten, ohne weitere Prüfung akzeptiert und sich auch mit dem vom Mitbeteiligten herrührenden Drittel nicht näher befasst.
5.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Aufenthaltsdauer gesichert erscheint. Eine Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa VwGH 6.8.2009, 2008/22/0391; 26.1.2010, 2009/22/0219).
Der Unterhalt kann grundsätzlich auch durch Sparguthaben gedeckt werden, wobei solche Guthaben ebenso nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen (siehe etwa VwGH 31.5.2011, 2009/22/0260; 18.10.2012, 2011/23/0129).
Die Dauer, für die das Vorhandensein der notwendigen Unterhaltsmittel nachzuweisen ist, beträgt bei einem befristeten Aufenthaltstitel im Hinblick auf § 20 Abs. 1 NAG - soweit nichts anderes bestimmt ist - in der Regel zwölf Monate (vgl. neuerlich VwGH 2009/22/0260; 2011/23/0129).
5.3. Vorliegend ist zunächst festzuhalten, dass die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG schon deshalb erfüllt ist, weil - wie im Folgenden näher erörtert wird - das Kontoguthaben von EUR 11.200,-- allein ausreicht, um das Vorliegen der notwendigen Unterhaltsmittel für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels nachzuweisen.
Im Hinblick darauf ist jedoch das weitergehende Vorbringen (wonach die finanziellen Mittel auch durch einen Unterhaltsanspruch nachgewiesen werden könnten, ein solcher Anspruch des Mitbeteiligten gegenüber seinem Bruder und dessen Ehefrau in Betracht käme, ein Nachweis jedoch durch eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Haftungserklärung nicht erfolgt sei) nicht entscheidungswesentlich. Auf das Vorbringen ist daher nicht weiter einzugehen (vgl. etwa VwGH 27.4.2018, Ra 2018/04/0091, wonach der Verwaltungsgerichtshof zur Beantwortung abstrakter Rechtsfragen auf Grund von Revisionen nicht berufen ist).
5.4. Was das durch die vorgelegte Bankbestätigung bescheinigte Kontoguthaben des Mitbeteiligten von EUR 11.200,-- betrifft, so ist mit Ersparnissen in dieser Höhe - bei Heranziehung des betreffenden Richtsatzes nach § 293 ASVG (vgl. dazu näher Punkt 6.) - der Nachweis des Vorhandenseins ausreichender Unterhaltsmittel für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels (§ 20 Abs. 1 NAG) jedenfalls erbracht (siehe zu einer ähnlichen Fallkonstellation abermals VwGH 2011/23/0129).
Was die Herkunft der finanziellen Mittel anlangt, so ging das Verwaltungsgericht im Sinn des Vorbringens des Mitbeteiligten davon aus, dass knapp ein Drittel aus eigenen Ersparnissen stammt und zwei Drittel dem Mitbeteiligten von seinem Bruder und dessen Ehefrau geschenkt wurden. Im Hinblick darauf besteht jedoch kein Anhaltspunkt, dass die Ersparnisse aus illegalen Quellen herrühren könnten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Mittel aus den - durch die vorgelegten Lohnabrechnungen und Kontoauszüge bescheinigten - regelmäßigen Einkünften sowohl des Mitbeteiligten als auch seines Bruders und dessen Ehefrau lukriert wurden.
5.5. Soweit sich der Revisionswerber auch gegen die Beweiswürdigung wendet (indem er moniert, das Verwaltungsgericht habe die Aussagen des Bruders und dessen Ehefrau ohne weitere Prüfung akzeptiert), ist ihm entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof zu einer diesbezüglichen Überprüfung im Allgemeinen nicht berufen ist. Die Beweiswürdigung unterliegt bloß einer Schlüssigkeitskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 27.4.2017, Ra 2016/22/0119; 17.3.2016, Ra 2016/22/0017), wovon jedoch fallbezogen nicht auszugehen ist.
6.1. Der Revisionswerber macht ferner unter dem Gesichtspunkt eines Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geltend, bei der Prüfung der Unterhaltsmittel nach § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG sei entscheidend, welcher Richtsatz des § 293 ASVG ("Waisenrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 lit. c ASVG oder "Einzelrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG) heranzuziehen sei. Das Verwaltungsgericht habe dazu keine Erwägungen angestellt bzw. keine nachvollziehbare Prüfung vorgenommen.
6.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat freilich schon ausgesprochen (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0177), dass die Situation eines Fremden, der zu studieren beabsichtigt, bis zur Vollendung des 24. Lebensjahrs derjenigen eines Waisenpensionsberechtigten im Sinn des § 293 Abs. 1 lit. c sublit. aa ASVG entspricht und für ihn der dort normierte Richtsatz für Vollwaisen heranzuziehen ist. Nach Vollendung des 24. Lebensjahrs kommt der Richtsatz für einen pensionsberechtigten Vollwaisen nach § 293 Abs. 1 lit. c sublit. bb ASVG zur Anwendung, der jedoch demjenigen eines (sonstigen) alleinstehenden Pensionsberechtigten nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG entspricht, sodass betragsmäßig kein Unterschied zwischen den Richtsätzen besteht.
6.3. Fallbezogen ergibt sich bei Heranziehung des nach dem Vorgesagten im Hinblick auf das Geburtsjahr des Mitbeteiligten (1981) maßgeblichen Richtsatzes, dass die für die Befristung des Aufenthaltstitels (auf ein Jahr) zu veranschlagenden Unterhaltsmittel durch das bescheinigte Kontoguthaben von EUR 11.200,-- jedenfalls gedeckt sind. Mit diesen Ersparnissen ist somit - wie das Verwaltungsgericht ohne Rechtsirrtum erkannte - der Nachweis des Vorhandenseins ausreichender Unterhaltsmittel für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG erbracht.
7. Insgesamt wird daher in der maßgeblichen Zulassungsbegründung (vgl. etwa VwGH 23.5.2018, Ra 2018/22/0074) keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am 13. November 2018
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