VwGH Ra 2017/22/0017

VwGHRa 2017/22/001721.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, in der Revisionssache des M S in Wien, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 14. November 2016, VGW-151/V/065/9961/2016-8, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
VwGVG 2014 §17;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
VwGVG 2014 §17;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht den Bescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 2016, mit dem der Verlängerungsantrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vom 6. August 2015 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Schüler" wegen Fehlen eines Nachweises über den Schulerfolg gemäß § 63 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in Verbindung mit § 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) abgewiesen wurde.

Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, die vom Revisionswerber im Juli 2015 erlittene Rauchgasvergiftung sei für den Abbruch der Schulausbildung und den fehlenden Nachweis eines Schulerfolgs nicht kausal gewesen, habe doch der Revisionswerber die Ausbildung bereits im Frühjahr 2015 wegen unzureichender Englischkenntnisse unterbrechen müssen, sodass kein seiner Einflusssphäre entzogener, unabwendbarer oder unvorhersehbarer Hinderungsgrund im Sinn des § 63 Abs. 3 letzter Satz NAG, der die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung trotz fehlendem Schulerfolg ermögliche, vorgelegen sei. Der Revisionswerber habe auch bis auf Weiteres keinen Englischkurs absolviert und die Schulausbildung nicht wieder aufgenommen bzw. neu begonnen, sodass vom Vorliegen eines Hinderungsgrundes im aufgezeigten Sinn, welcher bloß vorübergehend bzw. nicht dauerhaft sein dürfe, keine Rede sein könne.

Die Revision wurde gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig erklärt.

2.2. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird, sodass die Revision zurückzuweisen ist.

3.1. Der Revisionswerber macht einerseits unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung geltend, das Verwaltungsgericht habe die Kausalität der Rauchgasvergiftung und deren Folgen für den Abbruch der Schulausbildung und das Fehlen eines Schulerfolgs zu Unrecht verneint. Richtiger Weise sei die natürliche Kausalität zu bejahen, wenn aus einer Tatsache (hier der Rauchgasvergiftung) die andere Tatsache (hier die fehlende Möglichkeit zum Nachweis des Schulerfolgs) zu erschließen sei. Auch die Adäquanz des Kausalzusammenhangs sei gegeben.

3.2. Ursächlich im Sinn der "natürlichen" Kausalität ist jeder Umstand, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Geschehensablauf ein anderer gewesen wäre (OGH RIS-Justiz RS0022687). Ob ein derartiger Kausalzusammenhang gegeben ist, ist eine Tatsachenfeststellung (OGH RIS-Justiz RS0022582, RS0043473). Ob der Kausalitätsbeweis von den Vorinstanzen zu Recht als nicht erbracht angesehen wurde, betrifft daher eine Frage der Beweiswürdigung (OGH RIS-Justiz RS0043151).

Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs, nicht aber die konkrete Richtigkeit handelt, bzw. darum, ob die in diesem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. die hg. Beschlüsse vom 11. Februar 2016, Ra 2016/22/0001, und vom 10. Mai 2016, Ra 2016/22/0023).

3.3. Vorliegend hält die Beweiswürdigung den aufgezeigten Kriterien einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Basis der vorliegenden Urkunden und der abgelegten Beweisaussage getroffen. Es kann keine Rede davon sein, dass die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre.

Auf Grundlage der unbedenklichen Feststellungen ist das Verwaltungsgericht jedoch auf fallbezogen nicht zu beanstandende Weise zum Ergebnis gelangt, dass der fehlende Schulerfolg auf den bereits im Frühjahr 2015 erfolgten Abbruch der Schulausbildung wegen des Fehlens hinreichender Sprachkenntnisse und nicht auf die im Juli 2015 erlittene Rauchgasvergiftung und deren Folgen zurückzuführen ist. Hätte nämlich der Revisionswerber über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügt und die Ausbildung im Schuljahr 2014/2015 absolviert, so hätte er im Rahmen des Verlängerungsantrags einen entsprechenden Nachweis über den Schulerfolg im vorangehenden Schuljahr (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2013, 2013/22/0050) erbringen können. Die erst im Juli 2015 erlittene Rauchgasvergiftung und deren Folgen standen dem in keiner Weise entgegen.

3.4. Der "natürliche" Kausalzusammenhang ist notwendige Voraussetzung der Zurechnung der Folgen eines Ereignisses zum Verantwortungsbereich des Inanspruchgenommenen (OGH RIS-Justiz RS0022687). Nur wenn dieser Kausalzusammenhang durch die Tatsacheninstanzen bejaht wurde, kann die Frage der Adäquanz als Rechtsfrage aktuell werden (vgl. OGH RIS-Justiz RS0022582).

Vorliegend ist daher für den Revisionswerber auch insoweit nichts zu gewinnen, als er sich auf die Adäquanz beruft, setzt diese doch die Feststellung eines Kausalzusammenhangs im Tatsachenbereich voraus.

4.1. Der Revisionswerber macht andererseits geltend, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob - wie hier - "bei unrichtiger Anwendung der Regeln der Kausalität weitere Voraussetzungen des § 63 Abs. 3 NAG zu prüfen" seien. Das Verwaltungsgericht habe die Kausalität zu Unrecht verneint und daher eine weitergehende Prüfung des Vorliegens berücksichtigungswürdiger Hinderungsgründe einschließlich der "Verschuldensfrage" unterlassen, worin auch eine Verletzung des Parteiengehörs zu erblicken sei.

4.2. Wie bereits festgehalten wurde, ist das Verwaltungsgericht auf Grundlage der unbedenklichen Feststellungen auf nicht zu beanstandende Weise zum Ergebnis gelangt, dass das Fehlen eines Schulerfolgs auf den Abbruch der Ausbildung wegen unzureichender Sprachkenntnisse zurückzuführen ist. Eine vom Revisionswerber in dem Zusammenhang behauptete unrichtige Beurteilung von Kausalitätsfragen ist fallbezogen nicht ersichtlich.

Davon ausgehend kommt es aber auf die Frage, ob bei gegenteiliger Beurteilung der Kausalität berücksichtigungswürdige Gründe im Sinn des § 63 Abs. 3 letzter Satz NAG gegeben wären, nicht an. Für die Beurteilung bloß abstrakter Fragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. die hg. Beschlüsse vom 7. Dezember 2016, Ra 2016/22/0092, und vom 17. März 2016, Ra 2016/22/0017).

Auch das Parteiengehör ist nicht verletzt, erstreckt sich dieses doch nur auf die Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen - nicht jedoch eines hypothetisch angenommenen - Sachverhalts (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2014, 2013/22/0177).

5. Insgesamt werden daher in der maßgeblichen Zulassungsbegründung (vgl. den hg. Beschluss vom 19. April 2016, Ra 2016/22/0003) keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte