VwGH Ra 2017/18/0060

VwGHRa 2017/18/00608.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr. Koprivinikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wech, über die Revision des K A in S, vertreten durch Mag. Norbert Loitzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Jänner 2017, Zl. W232 2132378- 1/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §41;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 26. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers, eines irakischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, erklärte Ungarn nach näher bezeichneten Vorschriften der Dublin III-Verordnung für zuständig, ordnete die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ungarn zulässig sei.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

3 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Bereits im Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0113-0120, sei die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 für Ungarn aufgrund der notorischen Lageänderung als widerlegt angesehen worden. Es wäre daher zu erwarten gewesen, dass sich das BVwG auf der Grundlage zeitnaher, die aktuellen Entwicklungen berücksichtigender Berichte mit der aktuellen Lage in Ungarn auseinandersetze und ausgehend davon die Frage kläre, ob systemische Mängel vorliegen bzw. der Selbsteintritt Österreichs zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK (bzw. Art. 4 GRC) geboten sei. Im Übrigen habe das BVwG die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht in Asylverfahren, wie sie seit dessen Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, bestehe, aus näher genannten Gründen nicht beachtet.

4 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

6 Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BVwG gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen hat (vgl. etwa VwGH vom 18. Jänner 2017, Ra 2017/18/0258, mwN). Dementsprechend entziehen sich Änderungen der Sach- und Rechtslage in Bezug auf Ungarn, die sich nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses im Jänner 2017 ereignet haben, einer Prüfung im gegenständlichen Revisionsverfahren.

7 Das vorausgeschickt, zeigt die Revision mit dem Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0113-0120, keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weil sie außer Acht lässt, dass das BVwG im vorliegenden Fall - anders als in jenen Fällen, die dem zitierten Erkenntnis und den darauf folgenden weiteren einschlägigen hg. Entscheidungen zugrunde lagen - zeitnahe Feststellungen zur Lage in Ungarn getroffen hat. Die Revision legt nicht dar, dass diese Feststellungen unrichtig wären bzw. dass - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung - die Sicherheitsvermutung nach § 5 Abs. 3 AsylG 2005 (weiterhin) als widerlegt anzusehen gewesen wäre. Aus diesem Grund lassen sich die rechtlichen Schlussfolgerungen des angesprochenen hg. Erkenntnisses auf den vorliegenden Fall nicht übertragen und liegt die behauptete Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor.

8 Im Übrigen übersieht die Revision, dass die Verhandlungspflicht in Dublin-Verfahren besonderen Verfahrensvorschriften (§ 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG) folgt, die sich von jenen, welche die Revision im Blick hat (§ 21 Abs. 7 BFA-VG), unterscheiden. Die Auslegung dieser Sondervorschriften hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/19/0072, vorgenommen und es wird zur Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf diese Entscheidung verwiesen. Dass das BVwG von den dort aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf.

9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. Mai 2017

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