VwGH Ra 2017/17/0012

VwGHRa 2017/17/001215.12.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des I Y in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 27. April 2016, LVwG- 2015/18/1715-3, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170012.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.3.2016, Ro 2015/17/0022, sowie der sich daran anschließenden hg. Judikatur liegt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes vor. Von dieser ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen.

5 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH vom 15.9.2011, C-347/09 , Dickinger und Ömer, Rn. 83 f, vom 30.4.2014, C-390/12 , Pfleger, Rn. 47 ff, sowie vom 30.6.2016, C-464/15 , Admiral Casinos & Entertainment, Rn. 31 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 16.3.2016 durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen (vgl. VwGH 14.2.2017, Ra 2017/17/0010).

6 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das für die Verwaltungsgerichte anzuwendende Amtswegigkeitsprinzip der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes widerspreche, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14.3.2017, E 3282/2016, zu verweisen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK verneint. Soweit Art. 47 GRC als anzuwendende Norm in Betracht kommen könnte, vermögen die Revisionsausführungen ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685/15 , Online Games Handels GmbH u.a., stehen darüber hinaus die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen.

7 Der Revisionswerber bringt darüber hinaus vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff des "Beteiligens an Ausspielungen" (etwa VwGH 12.6.2015, Ra 2014/17/0048, sowie VwGH 21.10.2013, 2013/17/0138), da aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgeleitet werden könne, dass eine Beteiligung an Ausspielungen nur dann vorliege, wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen der Ausführungshandlung des Beteiligenden an den Ausspielungen bestehe. Die Förderung oder das Ermöglichen der Teilnahme an verbotenen Ausspielungen durch Vermietung eines Objekts sei ein Anwendungsbereich der Generalnorm des § 52 Abs. 1 Z 6 GSpG.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch bereits dargelegt, dass es - entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Auffassung -

zur Erfüllung des Tatbestandes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG weder einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen den Spielern und dem an den Ausspielungen Beteiligten im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 letzte Variante GSpG noch einer sonstigen "Ausübungshandlung" bei der konkreten Durchführung der einzelnen Ausspielung des nach dieser letzten Variante zur Verantwortung gezogenen Beteiligten bedarf (VwGH 24.4.2015, 2013/17/0400). Die vom Revisionswerber zitierten Erkenntnisse stehen mit dieser Rechtsfrage hingegen in keinem Zusammenhang: Mit hg. Erkenntnis vom 21.10.2013, 2013/17/0138, hat der Verwaltungsgerichtshof vielmehr ausgesprochen, dass eine Bestrafung des Veranstalters nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Bestrafung eines sich unternehmerisch an der Veranstaltung Beteiligenden nach der eindeutigen Rechtslage nicht ausschließt. Darüber hinaus wurde ausgeführt, dass es sich bei der Vermietung von Glücksspielgeräten um ein Dauerdelikt handelt. Mit hg. Beschluss vom 12.6.2015, Ra 2014/17/0048, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederum mit näherer Begründung das Eintreten von Verfolgungsverjährung im dortigen Verfahren verneint. Das vom Revisionswerber behauptete Abweichen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und damit das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ist daher insoweit nicht erkennbar.

9 Dem Vorbringen des Revisionswerbers, dass er das Lokal zum Betrieb eines Sportwettenlokals vermietet habe, sodass eine Beteiligungshandlung an Ausspielungen von vornherein nicht gegeben sei, sowie, dass er von der Aufstellung von Glücksspielautomaten erst im Nachhinein Kenntnis erlangt habe, weshalb in dieser krassen Verkennung der Rechtslage eine "Rechtsfrage grundsätzlicher Qualität" vorliege, ist Folgendes entgegenzuhalten:

10 Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren. Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN).

11 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 28.4.2015, Ra 2015/02/0072, mwN).

12 Solches ist hier jedoch nicht erkennbar: Der Revisionswerber wurde wegen der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 vierter Tatbestand GSpG bestraft, weil er sich als Mieter eines bestimmten Lokals durch die entgeltliche Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten an den Glücksspielveranstalter an diesen näher konkretisierten Glücksspielen unternehmerisch beteiligt habe.

13 Das Landesverwaltungsgericht führte aus, dass der Revisionswerber aus der Untervermietung einen erheblichen Mietzins lukriert habe und für ihn die Aufstellung der Walzenspielgeräte als Ehemann der Lokalbetreiberin zweifelsfrei bei seinen Besuchen im Lokal feststellbar gewesen sei; im Untermietvertrag sei sogar ein ausdrücklicher Kündigungsgrund für den Fall illegaler Aktivitäten vereinbart gewesen, der Revisionswerber habe jedoch den Untermietvertrag aufrecht erhalten, sodass er sich dadurch an den verbotenen Ausspielungen als Unternehmer beteiligt habe. Diese nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Landesverwaltungsgericht angestellten beweiswürdigenden Überlegungen sind keinesfalls unvertretbar.

14 Der - an sich nur zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 22.7.2017, Ra 2016/17/0109, mwN).

15 Soweit der Revisionswerber nunmehr erstmalig ausführt, von den Vorgängen im Lokal keine Kenntnis gehabt zu haben, ist er darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage nicht mit einem Vorbringen begründet werden kann, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 28.7.2016, Ra 2015/07/0147, mwN).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

17 Die vorliegende Revision war daher nach § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2017

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