VwGH Ra 2017/11/0212

VwGHRa 2017/11/021216.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der revisionswerbenden Partei Ö AG in W, vertreten durch Kerle-Aigner-Pichler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 57, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Mai 2017, Zl. W115 2125007- 1/13E, betreffend Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten; mitbeteiligte Partei: P F in V, vertreten durch Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 51/DG), den Beschluss

Normen

BEinstG §8;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Bescheid vom 9. März 2016 wies die belangte Behörde den von der Revisionswerberin gestellten Antrag vom 17. Dezember 2015 auf Erteilung der Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Mitbeteiligten, der unstrittig dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört, ab. Die Revisionswerberin erhob dagegen Beschwerde. Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2016 beantragte sie erneut (wie schon im Beschwerdeschriftsatz), das Bundesverwaltungsgericht wolle der künftig auszusprechenden Kündigung des Mitbeteiligten die Zustimmung erteilen, sowie - erstmals - "in eventu", das Bundesverwaltungsgericht möge einer künftig auszusprechenden Änderungskündigung, womit dem Mitbeteiligten ein näher umschriebener Arbeitsplatz zugewiesen werde, die Zustimmung erteilen.

2 1.2. In Erledigung der Beschwerde sprach das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG aus, dass der angefochtene Bescheid der belangten Behörde behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurückverwiesen werde.

Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

3 1.3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

4 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001 und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).

7 2.2. Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung, auf das Wesentliche zusammengefasst, damit, dass die belangte Behörde in ihrem mit Beschwerde bekämpften Bescheid eine Ermessensentscheidung getroffen habe. Diese habe jedoch nicht auf mängelfreien Sachverhaltsermittlungen beruht. Die belangte Behörde sei davon ausgegangen, dass der Arbeitsplatz des Mitbeteiligten weggefallen wäre und habe die Abweisung des Antrags auf Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Mitbeteiligten damit begründet, dass zwar kein adäquater Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden wäre, dieser Umstand jedoch dadurch als geheilt anzusehen wäre, dass der Mitbeteiligte, wenn auch unter Protest, dem Arbeitsplatzwechsel zugestimmt hätte. Allerdings habe der Mitbeteiligte mittlerweile beim Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht eine Klage erhoben, in der er erstens von der Revisionswerberin die Bezahlung eines näher genannten Betrags samt Zinsen seit dem Tag der Klagzustellung und zweitens die Feststellung begehrt habe, dass er aufgrund der vertragswidrigen und rechtsunwirksamen Versetzung nicht verpflichtet wäre, anstelle der vereinbarten Tätigkeiten als Betriebsmanager nunmehr untergeordnete Tätigkeiten als Zusteller zu verrichten. Die Einschätzung der belangten Behörde, der Mitbeteiligte hätte dem Arbeitsplatzwechsel zugestimmt, könne somit nicht geteilt werden. Ausgehend davon fehlten aber jegliche Ermittlungen und Feststellungen zu allenfalls im Unternehmen der Revisionswerberin bestehenden Ersatzarbeitsplätzen.

8 Eine Nachholung des Ermittlungsverfahrens im gebotenen Umfang durch das Verwaltungsgericht könne nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, sei angesichts des mit dem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen höheren Aufwands und angesichts der im vorliegenden Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst durch das Verwaltungsgericht seien nicht gegeben.

9 Über den erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens gestellten Eventualantrag auf Erteilung der Zustimmung zu einer auszusprechenden Änderungskündigung habe zunächst die belangte Behörde zu entscheiden.

10 2.3.1.1. Die Revision führt zur Zulässigkeit aus, die angefochtene Entscheidung stehe mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "zum Primat der Sachentscheidung des § 28 VwGVG in unauflöslichem Widerspruch". Das Verwaltungsgericht führe zwar die in § 28 VwGVG normierten Grundsätze und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes richtig an, wende sie aber nicht richtig an.

11 2.3.1.2. Diesem ganz allgemein gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen ist zu erwidern, dass es den Anforderungen, die der Verwaltungsgerichtshof an Revisionen, die einen Verfahrensmangel des Verwaltungsgerichtes rügen, nicht genügt. Nach der mittlerweile ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist in den "gesonderten" Zulässigkeitsgründen einer Revision konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. zB. die hg. Beschlüsse vom 4. November 2015, Zl. Ra 2015/11/0078, und vom 11. Oktober 2016, Zl. Ra 2016/11/0109), wobei auch die bloße Wiedergabe von "Rechtssätzen" des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht (vgl. zB. den hg. Beschluss vom 15. März 2017, Zl. Ra 2016/08/0092). Von welcher Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und inwieweit von ihr abgewichen wäre, stellt die vorliegende Revision jedoch nicht konkret dar.

12 2.3.2.1. Die Revision führt zur Zulässigkeit weiters aus, die Revisionswerberin habe im Zuge ihrer Beschwerdeergänzung im Schriftsatz vom 6. Dezember 2016 auch einen "Eventualantrag auf Zustimmung zum Ausspruch einer Änderungskündigung gestellt". Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes, dieses Begehren übersteige den Gegenstand des behördlichen Verfahrens, sei unrichtig und stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere zu jener, "die im Zusammenhang mit der sog. ‚Abänderungsbefugnis' ergangen" sei. Zur konkreten Frage, in welchem Verhältnis der Antrag auf Zustimmung zu einer Beendigungskündigung zu einem Antrag auf Zustimmung zu einer Änderungskündigung steht, existiere keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei der Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde "durch die Beifügung (Konkretisierung) eines Eventualantrags nicht überschritten" worden.

13 Außerdem existiere keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Angabe eines transparenten, an das VBG 1948 angelehnten Lohnschemas im Rahmen eines Antrags auf Zustimmung zu einer Änderungskündigung einer ziffernmäßigen Angabe des zu erwartenden Entgelts gleichgestellt werden kann.

14 2.3.2.2. Auch diesem Zulässigkeitsvorbringen ist, soweit darin ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet wird, unter Hinweis auf die Ausführungen unter Pkt. 2.3.1.2. zu erwidern, dass es den Anforderungen, die der Verwaltungsgerichtshof an Revisionen, die einen Verfahrensmangel des Verwaltungsgerichtes rügen, nicht genügt. Von welcher Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen worden sei, stellt die Revision auch in dieser Hinsicht nicht konkret dar.

15 Soweit aber das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG im Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erblickt wird, ist der Revision Folgendes zu erwidern:

16 Bei der Entscheidung des Behindertenausschusses des Bundesozialamtes (jetzt: Sozialministeriumservice) gemäß § 8 BEinstG handelt es sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, um eine Ermessenentscheidung (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom 1. März 2016, Zl. Ra 2015/11/0106 mwN.). Es ist im Revisionsfall auch nicht strittig, dass die belangte Behörde bei ihrer durch Beschwerde bekämpften Entscheidung Ermessen geübt hat.

17 Es war demnach - so die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das erwähnte, zu § 8 BEinstG ergangene hg. Erkenntnis Zl. Ra 2015/11/0106 sowie die hg. Erkenntnisse vom 2. Juni 2016, Zl. Ro 2015/08/0030, und vom 15. Dezember 2016, Zl. Ra 2015/11/0059) - Aufgabe des Verwaltungsgerichtes zu überprüfen, ob sich die Zustimmung zur Kündigung durch die belangte Behörde als Ermessensübung im Sinne des Gesetzes erwies, und zwar - mangels Indizien für eine Abweichung von Fällen mit "gebundener" Entscheidung - vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage. Bejahendenfalls wäre die Beschwerde (vormals Berufung) - ohne dass das Verwaltungsgericht befugt wäre, in eine eigene Ermessenentscheidung einzutreten - abzuweisen gewesen. Erst wenn sich die behördliche Ermessensübung im Ergebnis als nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt erwiesen hätte - was insb. auch der Fall wäre, wenn die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände nicht frei von Verfahrensmängeln oder unvollständig festgestellt wurden - wäre das Verwaltungsgericht befugt gewesen, bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 28 Abs. 2 VwGVG), gegebenenfalls nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eigenes Ermessen zu üben. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst wäre nach § 28 Abs. 4 VwGVG vorzugehen gewesen.

18 Die vom Verwaltungsgericht nach diesen Vorgaben durchzuführende Überprüfung des von der belangten Behörde geübten Ermessens hatte sich ausschließlich auf den mit dem Bescheid der belangten Behörde erledigten Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung der Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Mitbeteiligten zu beziehen, mit dem die Sache des Verfahrens vor der belangten Behörde und damit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht abgesteckt war. Da die Revisionswerberin - in Übereinstimmung mit der Aktenlage - selbst vorbringt, einen Eventualantrag auf Erteilung der Zustimmung zu einer auszusprechenden Änderungskündigung gestellt zu haben - von einer bloßen "Beifügung (Konkretisierung) eines Eventualantrags" kann angesichts des Wortlauts des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2016 nicht die Rede sein -, ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht mit seiner erkennbaren Rechtsauffassung, die Entscheidung über den "in eventu" gestellten Antrag setze voraus, dass der ursprüngliche (Haupt)Antrag auf Zustimmung zu einer Beendigungskündigung (abweisend) erledigt ist, von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre (vgl. zur Zulässigkeit eines Eventualantrags auf Zustimmung zu einer Änderungskündigung zB. das hg. Erkenntnis vom 24. September 2003, Zl. 2001/11/0332; zum Verhältnis zwischen Hauptantrag und Eventualantrag vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. November 2014, Zl. 2013/03/0152, und vom 26. März 2015, Zl. 2013/11/0103, jeweils mwN.).

19 Vor diesem Hintergrund hängt die Behandlung der vorliegenden Revision von der Beantwortung der Frage, in welchem Verhältnis der Antrag auf Zustimmung zu einer Beendigungskündigung zu einem Antrag auf Zustimmung zu einer Änderungskündigung steht, ebensowenig ab wie von der Beantwortung der ebenfalls aufgeworfenen Frage, ob die Angabe eines transparenten, an das VBG 1948 angelehnten Lohnschemas im Rahmen eines Antrags auf Zustimmung zu einer Änderungskündigung einer ziffernmäßigen Angabe des zu erwartenden Entgelts gleichgestellt werden kann.

20 2.4. In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der erkennende Senat hat aus diesen Erwägungen beschlossen, die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 16. August 2017

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