Normen
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100023.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 und dem Mitbeteiligten Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. November 2016 erteilte das Landesverwaltungsgericht Steiermark - durch Abweisung einer Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen einen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Februar 2015 - dem Mitbeteiligten gemäß §§ 3 und 10 Apothekengesetz (ApG) die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Bad Gleichenberg unter Festlegung eines bestimmten Standortes.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, die Entfernung zwischen der vom Mitbeteiligten in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der von der revisionswerbenden Partei betriebenen Johannes-Apotheke betrage mehr als 500 Meter (Hinweis auf § 10 Abs. 2 Z 2 ApG). In Bad Gleichenberg habe ein Arzt seinen ständigen Berufssitz (Hinweis auf § 10 Abs. 1 Z 1 ApG). Zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde habe sich dort keine ärztliche Hausapotheke befunden, und es seien mehr als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt gewesen (Hinweis auf § 10 Abs. 2 Z 1 ApG).
3 Im Weiteren gab das Verwaltungsgericht das Ergebnis des ergänzenden Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer vom 14. Juni 2016 zu dem der Johannes-Apotheke verbleibenden Versorgungspotential - wie folgt - wieder:
Versorgungsgebiet | Versorgungspotential |
braunes Polygon ständige Einwohner | 4.253 |
Bauvorhaben (im o.a. Versorgungsgebiet Einwohnergleichwerte) | 47 |
violettes Polygon ständige Einwohner | 1.149 |
gelbes Polygon (aufgrund der bestehen bleibenden ärztlichen Hausapotheken in Tieschen, St. Anna am Aigen, Straden, Neuhaus am Klausenbach und Kapfenstein zu 22 % berücksichtigt) ständige Einwohner | 1.442 |
Personen mit Zweitwohnsitz (im o.a. Versorgungsgebiet Einwohnergleichwerte) | 59 |
Summe | 6.950 |
4 Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte erfülle die persönlichen Voraussetzungen nach § 3 ApG, ebenso die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1 und 2 ApG.
5 Mit Blick auf die weitere Bedarfsprüfung führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, der auf "ländliche und abgelegene Regionen" abstellende § 10 Abs. 6a ApG (idF BGBl. I Nr. 30/2016) sei vorliegend nicht anzuwenden, weil Bad Gleichenberg zwar "in einer ländlichen, aber nicht in einer abgelegenen Region" liege. Strittig sei im Verfahren lediglich die Frage des Bedarfs an der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke mit Blick auf § 10 Abs. 2 Z 3 ApG.
6 Unter Hinweis auf den Beschluss des EuGH vom 30. Juni 2016, Rechtssache C-634/15 ("Sokoll-Seebacher II"), sowie näher genannte Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich und des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, dass ein Bedarf an der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 2 ApG bereits dann vorliege, wenn weder der Ausschlussgrund des § 10 Abs. 2 Z 1 ApG noch jener des § 10 Abs. 2 Z 2 ApG vorliege. Das in § 10 Abs. 2 Z 3 iVm § 10 Abs. 4 ApG festgelegte Kriterium einer Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" dürfe vorliegend - insbesondere mit Blick auf das vom Verfassungsgerichtshof aus dem Gleichheitssatz abgeleitete Verbot der Inländerdiskriminierung (Hinweis auf VfGH 6.10.2011, G 41/10 u.a.) - nicht angewendet werden. Da die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 1 und Z 2 iVm § 10 Abs. 2 Z 1 und Z 2 ApG für den gegenständlichen Konzessionsantrag erfüllt seien, sei die Beschwerde der revisionswerbenden Partei abzuweisen.
7 Selbst wenn man aber mit der revisionswerbenden Partei von einer Anwendung des § 10 Abs. 2 Z 3 ApG auf rein innerstaatliche Sachverhalte (wie den vorliegenden) ausgehe, ergebe sich aus dem schlüssigen und gut nachvollziehbaren Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer, dass bei Berücksichtigung des Nachtfahrverbotes (im Ortszentrum von Bad Gleichenberg) der von der revisionswerbenden Partei betriebenen Johannes-Apotheke auch ohne Berücksichtigung von Einwohnergleichwerten auf Grund von Beschäftigung oder Einkaufsstätten bzw. von Fremdennächtigungen jedenfalls ein Versorgungspotential von über 5.500 zu versorgenden Personen verbleibe; das ergänzende Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer gehe hierbei von 6.950 weiterhin zu versorgenden Personen aus.
8 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 3.1. Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich in ihren Zulässigkeitsausführungen zunächst mit einem ausführlichen Vorbringen gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, wonach zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses eine Bedarfsprüfung nach § 10 Abs. 2 Z 3 ApG nicht stattfinden habe dürfen.
12 Die hier vorgebrachte Kritik der revisionswerbenden Partei ist zwar im Ergebnis berechtigt (vgl. dazu VwGH 29.3.2017, Zl. Ra 2016/10/0141, sowie VfGH 28.9.2017, E 2666/2016); das Verwaltungsgericht hat allerdings die von ihm bestätigte Erteilung der Konzession an den Mitbeteiligten hilfsweise auch darauf gestützt, dass ein Bedarf an der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke auch nach § 10 Abs. 2 Z 3 ApG vorliege.
13 3.2. Zu der vom Verwaltungsgericht in dieser Alternativbegründung aufbauend auf dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 14. Juni 2016 vorgenommenen Berücksichtigung des in Bad Gleichenberg geltenden "Nachtfahrverbotes" bringen die Zulässigkeitsausführungen der Revision vor, dieses Nachtfahrverbot hätte nicht in der Weise berücksichtigt werden dürfen, dass der Apotheke der revisionswerbenden Partei "ein derart großes Versorgungspotential zugerechnet" werde. Zu einem Sachverhalt wie dem gegenständlichen habe der Verwaltungsgerichtshof "bisher noch gar nicht Stellung genommen". Die Berücksichtigung des Nachtfahrverbotes durch die Österreichische Apothekerkammer "in dem exzessiven Sinne", wie sie es in ihrem Gutachten dargestellt habe, sei daher "eindeutig rechtswidrig".
14 Die revisionswerbende Partei legte damit allerdings die Relevanz des behaupteten Begründungsmangels nicht konkret dar. Mit dem Vorbringen, der Verwaltungsgerichtshof habe zu einem Sachverhalt "wie dem gegenständlichen" bisher noch nicht Stellung genommen, wird eine konkrete vom Verwaltungsgerichtshof zu beantwortende Rechtsfrage nicht dargetan (vgl. VwGH 20.12.2017, Ro 2016/10/0021), worauf der Mitbeteiligte in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend hinweist.
15 3.3. Die Zulässigkeitsausführungen der revisionswerbenden Partei betreffend einen zu prüfenden "positiven Bedarf" an der neu zu errichtenden Apotheke gehen - wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat - an der nach § 10 ApG vorzunehmenden Bedarfsprüfung vorbei (vgl. etwa VwGH 23.5.2017, Ro 2017/10/0017, Ra 2017/10/0053 (Rz 13f), mwN).
16 3.4. Auch mit dem weiteren Vorbringen zu verschiedenen Gesichtspunkten zu dem vom Verwaltungsgericht seiner Bedarfsprüfung zugrunde gelegten Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer wird eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt. Im Übrigen wird bei den in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmängeln deren Relevanz nicht konkret dargelegt:
17 Soweit der Revisionswerber etwa behauptet, das Verwaltungsgericht habe entsprechend der hg. Judikatur die Einwohner von B und K "keinesfalls zur Gänze" dem Versorgungspotential der von der revisionswerbenden Partei betriebenen Apotheke (im Fall der Erteilung der beantragten Konzession) zurechnen dürfen, wird das Ausmaß der sich so nach Auffassung der revisionswerbenden Partei ergebenden Verringerung des Versorgungspotentials und damit (angesichts der vom Verwaltungsgericht angenommenen 6.950 weiterhin zu versorgenden Personen) die Relevanz des behaupteten Begründungsmangels nicht dargelegt. Dies gilt auch für die Behauptung der revisionswerbenden Partei, die Zurechnung von 59 Einwohnergleichwerten für Personen mit Zweitwohnsitz gründe auf einer Studie, die im Wesentlichen auf der Befragung von Personen beruhe, und sei deshalb mit Blick auf hg. Judikatur (Hinweis etwa auf VwGH 18.4.2012, 2010/10/0254), unzulässig.
18 Soweit sich die Zulässigkeitsausführungen schließlich kritisch mit der Zugrundelegung der sogenannten "Hausapothekenstudie" der Österreichischen Apothekerkammer befasst, räumt die revisionswerbende Partei selbst ein, dass diese in der hg. Rechtsprechung nicht auf Bedenken gestoßen sei. Auch dieses Vorbringen ist somit nicht geeignet, eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuwerfen.
19 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.
20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. April 2018
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