Normen
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs5;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 2016, Ra 2015/09/0137, verwiesen. Demnach wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 14. Oktober 2014 auf Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 iVm § 1 Abs. 2 lit l des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz - bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 19. Oktober 2015 - abgewiesen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Vorerkenntnis aufgehoben, weil das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung die Ausstellung der Bestätigung mit der Begründung abgelehnt hat, dass die zur Ankerperson notwendige Familienangehörigeneigenschaft des Revisionswerbers als möglichen Begünstigten fehle, sich jedoch überhaupt nicht mit dem festgestellten Vorliegen einer Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG (woraus gegenteilig der Anspruch des Revisionswerbers abgeleitet werden könnte bzw. bei Nichtvorliegen der Voraussetzung Schritte nach § 55 NAG eingeleitet werden könnten) auseinandergesetzt hat.
2 Mit dem (nunmehr) angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auch im fortgesetzten Verfahren ohne Durchführung einer Verhandlung neuerlich ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerber als Schwiegersohn eines Unionsbürgers nicht unter den Angehörigenbegriff nach Art. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 falle und damit bereits an der ersten Voraussetzung des § 54 Abs. 1 NAG scheitere; der Sachverhalt sei im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG aufgrund der Aktenlage entscheidungsreif und es erübrige sich somit die weitere Prüfung der allfälligen Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Revisionswerbers aufgrund der Bescheinigung seiner Aufenthaltskarte. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Verwaltungsgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erwogen hat:
4 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Die Revision ist zulässig und es kommt ihr Berechtigung zu, wenn darin das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor der Entscheidung gerügt wird.
7 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
8 Bei der Erlassung der Ersatzentscheidung sind die Verwaltungsbehörden bzw. Verwaltungsgerichte somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2016, Ro 2016/11/0007, mwN; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2015, Ra 2015/09/0003).
9 Im vorliegenden Fall erstreckte sich die Bindungswirkung auf die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Erörterung und Klärung der vordergründig im Widerspruch zum Vorliegen einer Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG stehenden Angaben des Revisionswerbers zu seinen Familienverhältnissen notwendig sei, bevor über seine aufenthaltsrechtliche Stellung und die daraus abgeleitete Frage der Ausstellung einer Bestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG entschieden werden könne. Aufgrund des unbestrittenen Vorliegens einer Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG erschien unklar, ob der Revisionswerber sein darin dokumentiertes Aufenthaltsrecht allenfalls von anderen Personen ableiten könnte oder aber die Aufenthaltskarte zu Unrecht ausgestellt wurde. Eine Auseinandersetzung mit dem vor diesem Hintergrund missverständlichen Parteienvorbringen war nach dem Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 26. April 2016 geboten und sollte im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erörtert werden, worin dem Revisionswerber die Möglichkeit der Stellungnahme dazu einzuräumen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass mit einer solchen Erörterung des Vorbringens und damit der Rechtssache nicht notwendigerweise (ergänzende) Ermittlungen verbunden sind, sondern das Prozessvorbringen der Partei(en) im Sinne einer effektiven und zielorientierten Verfahrensführung abgeklärt werden soll; allfällige Ermittlungen könn(t)en sich erst in der Folge dann aus diesem (geklärten und allenfalls konkretisierten) Vorbringen ergeben.
10 Das Bundesverwaltungsgericht hat (auch) im zweiten Rechtsgang ohne Durchführung der Verhandlung und ohne ausreichender Auseinandersetzung mit der Aufenthaltskarte über den Antrag abschlägig entschieden. Eine Änderung der Sachlage, weshalb ein Abgehen von der Bindungswirkung gerechtfertigt sei, wurde weder behauptet noch ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass iSv § 24 Abs. 4 VwGVG die mündliche Erörterung (in der Verhandlung) eine Klärung der Rechtssache nicht erwarten lassen könnte.
11 Indem das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte, hat es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
12 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 28. März 2017
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