Normen
Alpenkonvention 1995 Art2 Abs1;
BauO Tir 2001 §26 Abs3;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 litc;
BauO Tir 2011 §26 Abs3;
BauRallg;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art50 Abs2;
ROG Tir 2016 §62 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der mitbeteiligten Partei (Bauwerberin) wurde mit Bescheid des Stadtmagistrates I vom 30. Jänner 2017 die Bewilligung zum Abbruch eines bestehenden Wohnhauses samt Garage und Errichtung einer Wohnanlage mit 14 Wohneinheiten und einer Tiefgarage für 16 Pkw-Stellplätze auf einem näher genannten Hanggrundstück erteilt. Das Baugrundstück liegt im Wohngebiet; laut gültigem Bebauungsplan (HW-B5 sowie BW-B5/1, in Kraft getreten am 12. April 2011) sind unter anderem eine Höchstzahl von zwei oberirdischen Geschossen sowie eine Bauhöhe (oberster Punkt von Gebäuden, absoluter Wert) von 670,00 m festgelegt.
2 Die Revisionswerberin ist Eigentümerin des westlich unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes. Ihre Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte das LVwG - soweit dies für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof noch relevant ist - aus, Nachbarn könnten gemäß § 26 Abs. 3 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) keine subjektiv-öffentlichen Rechte hinsichtlich des Ort- und Landschaftsbildes, der Belichtung oder Belüftung des Nachbargrundstückes, einer rechtlich gesicherten Zufahrt zum Baugrundstück, der Entsorgung von Abwässern und Niederschlagswässern sowie der Zufahrt für Feuerwehrfahrzeuge geltend machen. Die Einhaltung der Bestimmungen des Bebauungsplanes könne ein Nachbar nur hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe geltend machen. "Ein subjektiv-öffentliches Recht auf eine darüber hinaus gehende Einhaltung einer Bestimmung des Bebauungsplanes, zB zur oberirdischen Geschossanzahl (diese kann nach § 62 Abs. 1 TROG 2016 neben der Bauhöhe im Bebauungsplan normiert werden) oder der Höchstbaudichte, besteht nicht (VwGH 02.11.2016, Zl 2013/06/0206)." Eine Inanspruchnahme des Grundstückes der Revisionswerberin (Fremdgrundinanspruchnahme für die Befestigung der Baugrube) sei nicht Gegenstand des Baubescheides; bei einer dauerhaften Inanspruchnahme bestünden allenfalls zivilrechtliche Möglichkeiten. Im Abbruchanzeigeverfahren gemäß § 42 Abs. 1 TBO 2011 komme den Nachbarn auch dann keine Parteistellung zu, wenn die Abbruchanzeige - wie vorliegend - als Teil eines Bauansuchens eingebracht werde (Hinweis auf die Ausführungen bei Weber/Rath-Kathrein, Tiroler Bauordnung (2014) § 42 Rz 1). Nachbarn müssten die Immissionsbeeinträchtigung durch Abgase in Zusammenhang mit den vorgesehenen 16 Kfz-Pflichtstellplätzen (gemäß den Vorgaben der Stellplatzhöchstzahlenverordnung 2015, LGBl. Nr. 99/2015) in Kauf nehmen, sofern nicht besondere Umstände vorlägen. Als besonderen Umstand habe die Revisionswerberin die steile Ein- und Ausfuhrrampe der Tiefgarage ins Treffen geführt. Dazu habe der hochbautechnische Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass die Zufahrt zur Tiefgarage auf Ebene 0 im südöstlichen Eckbereich des Baugrundstückes und damit so weit vom Grundstück der Revisionswerberin entfernt geplant sei, dass mit einer Beeinflussung der Emissionssituation für die Revisionswerberin nicht zu rechnen sei; darüber hinaus liege die Tiefgarageneinfahrt unmittelbar neben dem G-Weg, ca. 39 m vom Grundstück der Revisionswerberin entfernt. Eine unzulässige Immissionsbelastung durch die gegenständlichen Pflichtstellplätze - so das LVwG - könne somit nicht erfolgreich eingewendet werden.
Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt. 3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 In ihrer Zulässigkeitsbegründung rügt die Revisionswerberin zunächst die Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil das LVwG Beweisanträgen betreffend die Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes, des Lichtentzugs, im Hinblick auf die geplante Anzahl der Geschoße, zur Inanspruchnahme von Fremdgut, hinsichtlich der mit dem Abbruch des Altgebäudes verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen, der Abwasser- und Niederschlagsproblematik, der Feuerwehrzufahrt, der erhöhten Abgaswerten und zum Lawinenschutz nicht nachgekommen sei.
7 Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Zulässigkeit einer Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass es abstrakt möglich sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/05/0019, mwN). Da die Verfahrensrechte einer Partei nicht weiter als ihre materiellen Rechte gehen, können Verfahrensfehler für die Nachbarn nur dann von Relevanz sein, wenn damit eine Verletzung ihrer materiellen Nachbarrechte gegeben wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2017, Ra 2015/05/0051, mwN).
8 Die Revision geht nicht auf die - zutreffenden - Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis ein, wonach Nachbarn gemäß § 26 Abs. 3 TBO 2011 keine subjektiv-öffentlichen Rechte hinsichtlich des Ort- und Landschaftsbildes, der Belichtung oder Belüftung des Nachbargrundstückes, der Entsorgung von Abwässern und Niederschlagswässern sowie der Zufahrt für Feuerwehrfahrzeuge geltend machen können. Mit dem diesbezüglichen Revisionsvorbringen wird somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
9 Gemäß § 26 Abs. 3 lit. c TBO 2011 sind (u.a.) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen, berechtigt, die Nichteinhaltung der Festlegung des Bebauungsplanes hinsichtlich (u.a.) der Bauhöhe geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen. Gemäß § 62 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) ist die Bauhöhe von Gebäuden in Bebauungsplänen durch deren obersten Punkt bezogen auf die absolute Höhe oder auf einen sonstigen Fixpunkt festzulegen; weiters können unter anderem die Anzahl der oberirdischen Geschoße festgelegt werden. Ein subjektivöffentliches Recht auf die Einhaltung einer Bestimmung des Bebauungsplanes über die oberirdische Geschoßanzahl besteht jedoch - wie das LVwG unter Hinweis auf u.a. das hg. Erkenntnis vom 2. November 2016, 2013/06/0206, zutreffend ausführte - nicht. Auf diese Begründung geht die Revision überhaupt nicht ein. Fallbezogen wurde eine Bauhöhe von 670,00 m als absoluter Wert festgelegt. Dass diese Bauhöhe nicht eingehalten werde, wird in der Revision nicht vorgebracht. Im Übrigen behauptet die Revisionswerberin auch nicht, das gegenständliche Bauvorhaben verfüge auf der ihrem Grundstück zugewandten Gebäudefront (vgl. die bei Weber/Rath-Kathrein, Tiroler Bauordnung (2014) § 7 Rz 2 zitierte hg. Rechtsprechung) bezogen auf das Geländeniveau vor der Bauführung (vgl. die bei Weber/Rath-Kathrein, a.a.O., § 7 Rz 4 und E 2 zitierte hg. Rechtsprechung) über mehr als zwei Geschoße, bei denen mehr als die Hälfte der Gesamtfläche der Außenwände über das angrenzende Gelände ragt und die somit gemäß § 62 Abs. 4 TROG als oberirdische Geschoße zu beurteilen sind.
10 Zur behaupteten Inanspruchnahme von Fremdgrund führte das LVwG aus, eine solche sei nicht Gegenstand des Bauansuchens und auch nicht der Genehmigung. Dem tritt die Revision nicht entgegen; eine grundsätzliche Rechtsfrage wird somit nicht aufgezeigt.
11 Zu den von der Revisionswerberin befürchteten Gesundheitsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit dem Abbruch des Altgebäudes (Asbestbelastung) wies das LVwG darauf hin, dass Nachbarn in Abbruchverfahren gemäß § 42 Abs. 1 TBO 2011 keine Parteistellung zukomme; eine solche werde auch nicht dadurch begründet, dass die Abbruchanzeige als Teil eines Bauansuchens für eine neue bauliche Anlage eingebracht werde (Hinweis auf die Ausführungen bei Weber/Rath-Kathrein, a.a.O., § 42 Rz 1; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2008, 2004/06/0058). Darauf geht die Revision überhaupt nicht ein; eine grundsätzliche Rechtsfrage wird somit nicht aufgezeigt.
12 Die Revision rügt außerdem, zur Belastung durch die erhöhten Abgaswerte durch die geplanten 16 Kfz-Stellplätze sei nur der hochbautechnische Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung befragt, das beantragte umwelttechnische Gutachten jedoch nicht eingeholt worden.
Das LVwG geht fallbezogen auf Grund der Vorgaben der Stellplatzhöchstzahlenverordnung 2015, LGBl. Nr. 99/2015, von 16 Pflichtstellplätzen aus. Dem tritt die Revision nicht entgegen; Abweichendes ergibt sich auch nicht aus den Verfahrensakten. Nach ständiger hg. Rechtsprechung müssen Nachbarn grundsätzlich die von den Pflichtstellplätzen ausgehenden Immissionen hinnehmen, es sei denn, es liegen ungewöhnliche Umstände vor. Diese erblickt die Revisionswerberin darin, dass die Ein- und Ausfahrrampe der Tiefgarage "extrem steil" sei. Dem hält das LVwG - gestützt auf die Ausführungen des hochbautechnischen Sachverständigen - entgegen, dass die Einfahrt der Tiefgarage an der südöstlichen Ecke des Baugrundstückes, etwa 39 m von der Grundgrenze der Revisionswerberin entfernt, unmittelbar neben dem G-Weg liege, sodass mit einer Beeinflussung der Revisionswerberin nicht zu rechnen sei. Angesichts des Umstandes, dass es sich hier ausschließlich um Pflichtstellplätze handelt, die Garagenausfahrt an der öffentlichen Verkehrsfläche situiert ist und die Revisionswerberin in ihrem Beweisantrag in der Beschwerde kein konkretes Beweisthema für ein einzuholendes umwelttechnisches Gutachten nannte, wurde die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht dargetan.
Soweit die Revision auch zur Begründung der Zulässigkeit unter dem Titel "Unrichtige rechtliche Beurteilung" die Beweiswürdigung des LVwG im Hinblick auf die Ausführungen des hochbautechnischen Sachverständigen, wonach keine Beeinflussung der Emissionssituation für die Revisionswerberin zu erwarten sei, rügt, zeigt sie nicht auf, dass die vom LVwG gezogenen Schlussfolgerungen tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes verletzen könnten bzw. die vom LVwG getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 26. April 2017, Ra 2017/05/0058, mwN). Dies ist fallbezogen auch nicht ersichtlich.
13 Abgesehen davon, dass Nachbarn hinsichtlich der Gefährdung durch Naturgewalten nach der TBO 2011 keine subjektiv-öffentlichen Rechte zukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 2015, 2014/06/0001), wäre die Revisionswerberin bezügliches des Lawinenschutzes auch präkludiert.
14 Wenn erstmals in der Revision das Fehlen einer gesicherten Rechtsprechung zu Artikel 2 Abs. 1 lit. b, c und j des Übereinkommens zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention), BGBl. Nr. 477/1995, vorgebracht wird, ist dazu auszuführen, dass die Alpenkonvention durch den Nationalrat unter Erfüllungsvorbehalt im Sinn des Art. 50 Abs. 2 B-VG genehmigt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2005, 2004/03/0116), sodass sie schon aus diesem Grund im gegenständlichen Verfahren nicht unmittelbar anwendbar ist.
15 Mit ihrem Hinweis auf die Art. 11 und 191ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zeigt die Revisionswerberin nicht auf, mit welchen unmittelbar anwendbaren Unionsrechtsbestimmungen die angefochtene Entscheidung im Widerspruch stünde und in welchen subjektiv-öffentlichen Rechten sie verletzt sein könnte.
16 Zu der bereits in der Beschwerde gerügten Verletzung von Abstandsbestimmungen führte das LVwG nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit den vorgelegten Planunterlagen aus, dass eine solche weder hinsichtlich der Fahrradabstellplätze noch bezüglich der Freitreppe vorliegt. Dem tritt die Revision nicht substantiiert entgegen.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.
18 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 29. Juni 2017
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