VwGH Ra 2017/04/0036

VwGHRa 2017/04/003629.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der G S, vertreten durch den Sachwalter Ing. R S in G, dieser vertreten durch Dr. Georg Rihs, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 26. Jänner 2017, Zl. LVwG-AV-523/001-2016, betreffend Bewilligung nach dem NÖ Elektrizitätswesengesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde G), zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AVG §37 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §8;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §10 Abs1 Z3;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §10;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §11 Abs1 Z2;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §11 Abs1 Z3;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §14 Abs1;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §14 Abs3;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §7;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §8;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §9 Abs1;
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §9;
MRK Art6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Marktgemeinde G (mitbeteiligte Partei) gemäß § 14 NÖ Elektrizitätswesengesetz 2005 (NÖ ElWG 2005) iVm § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG die Genehmigung zum Betrieb der Rechenreinigungsanlage der Wasserkraftanlage E inklusive Abspülvorgang erteilt (1.) und die Revision gegen das Erkenntnis gemäß § 25a VwGG für nicht zulässig erklärt (2.)

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) vom 18. Mai 2011, BMWFJ-556.050/0009-IV/5a/2011, sei festgestellt worden, dass die in diesem Bescheid näher beschriebene Änderung der Stromerzeugungsanlage "E" in G durch Neuerrichtung bzw. Revitalisierung dem vereinfachten Verfahren unterliege. Die Betriebsgenehmigung für die Rechenreinigungsanlage inklusive Abspülvorgang sei gemäß § 14 Abs. 1 NÖ ElWG 2015 vorbehalten und ein Probebetrieb für die Dauer von 18 Monaten angeordnet worden.

3 Zum Beschwerdevorbringen der Revisionswerberin, das Genehmigungsansuchen der mitbeteiligten Partei (vom 9. September 2015) sei verspätet gewesen, führte das Verwaltungsgericht aus, dass im Gegenstand ein Probebetrieb für die Dauer von 18 Monaten genehmigt worden sei, dessen Beginn durch die mitbeteiligte Partei (mit 11. Juni 2012) angezeigt worden sei. Noch vor Ablauf dieser Frist sei von der mitbeteiligten Partei (am 10. Dezember 2013) ein Fristverlängerungsantrag eingebracht worden, über den niemals abgesprochen worden sei. Da keine Entscheidung über diesen Antrag getroffen worden sei, sei der Fristablauf gemäß § 14 Abs. 1 letzter Satz NÖ ElWG 2005 gehemmt worden. Somit habe sich der Antrag der mitbeteiligten Partei vom 9. September 2015 rechtmäßig auf den Bescheid des BMWFJ vom 18. Mai 2011 stützen können.

4 Sache des gegenständlichen Verfahrens sei ausschließlich die Betriebsgenehmigung der Rechenreinigungsanlage inklusive des Abspülvorganges. Hinsichtlich dieser vorerst nur als Probebetrieb genehmigten Anlagenteile seien von der belangten Behörde umfassende lärmtechnische und umwelthygienische Gutachten eingeholt worden. Das Beschwerdeverfahren sei bereits seit mehr als sechs Monaten anhängig. Bisher seien von der Beschwerdeführerin - entgegen der Ankündigung in der Beschwerde - keine anderen Messergebnisse vorgelegt worden. Den von "tauglichen" Sachverständigen erstellten, "mit den Erfahrungen des Lebens- und Denkgesetzen" nicht im Widerspruch stehenden Gutachten sei nicht durch gleichwertige Gutachten entgegengetreten worden. Auf Grund der Gutachten des lärmtechnischen und umwelthygienischen Amtssachverständigen, die auf lärmtechnische Messergebnisse aufbauten, habe die belangte Behörde zu Recht die verfahrensgegenständliche Betriebsgenehmigung erteilt.

5 Diese Entscheidung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden können, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren handle es sich ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung eine mündliche Verhandlung nicht geboten sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

7 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit (unter anderem) vor, das Verwaltungsgericht habe entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen, obwohl es der Revisionswerberin keine Möglichkeit gegeben habe, zur überraschenden Rechtsansicht zur "Perpetuierung" der Frist des Probebetriebes Stellung zu nehmen und ohne die von der Revisionswerberin beantragten, zur Ergänzung des Sachverhaltes notwendig und sinnvoll gewesenen Beweise aufzunehmen.

9 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtslage

10 Die in der vorliegenden Rechtssache maßgeblichen

Bestimmungen des NÖ ElWG 2005, LGBl. 7800-0 in der Fassung

LGBl. Nr. 94/2015, lauten:

"§ 5

Genehmigungspflicht

(1) Unbeschadet der nach anderen Vorschriften erforderlichen Genehmigungen oder Bewilligungen bedarf die Errichtung, wesentliche Änderung und der Betrieb einer Erzeugungsanlage mit einer Engpassleistung von mehr als 50 Kilowatt (kW), soweit sich aus den Abs. 2, 3 oder 4 nichts anderes ergibt, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer elektrizitätsrechtlichen Genehmigung (Anlagengenehmigung). ...

...

§ 7

Vereinfachtes Verfahren

(1) Ergibt sich aus dem Genehmigungsantrag und dessen

Unterlagen, dass die Erzeugungsanlage

1. ausschließlich zur Notstromversorgung bestimmt ist oder

2. eine Engpassleistung von höchstens 500 kW ausweist,

3. (entfällt)

so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Einwendungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 11 Abs. 1 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Erzeugungsanlage. ...

...

§ 8

Genehmigungsverfahren, Anhörungsrechte

(1) Die Behörde hat, ausgenommen in den Fällen des § 7, auf Grund eines Antrages um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Erzeugungsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Erzeugungsanlage eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

...

§ 9

Nachbarn

(1) Nachbarn sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Erzeugungsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. ...

...

§ 10

Parteien

(1) In Verfahren gemäß den §§ 7 und 8 haben Parteistellung:

...

3. die Nachbarn hinsichtlich des Schutzes der gemäß § 11 Abs. 1 Z 2 und 3 wahrzunehmenden Interessen,

...

§ 11

Voraussetzungen für die Erteilung der

elektrizitätsrechtlichen Genehmigung

(1) Erzeugungsanlagen sind unter Berücksichtigung der Interessen des Gewässerschutzes entsprechend dem Stand der Technik so zu errichten, zu ändern und zu betreiben, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage oder durch die Lagerung von Betriebsmitteln oder Rückständen und dergleichen

...

2. das Leben oder die Gesundheit oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn nicht gefährdet werden,

3. Nachbarn durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen und Schwingungen, im Falle von Windkraftanlagen auch durch Schattenwurf, nicht unzumutbar belästigt werden,

...

§ 14

Betriebsgenehmigung, Probebetrieb

(1) Die Behörde kann in der elektrizitätsrechtlichen Genehmigung (§§ 7 Abs. 1, 12 Abs. 1) anordnen, dass die Erzeugungsanlage oder Teile von ihr erst auf Grund einer Betriebsgenehmigung in Betrieb genommen werden dürfen, wenn im Zeitpunkt der Genehmigung nicht ausreichend beurteilt werden kann, ob die die Auswirkungen der genehmigten Anlage oder von Teilen dieser Anlage betreffenden Auflagen oder Aufträgen der Genehmigung die gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 bis 3 und § 12 Abs. 1 zweiter Satz wahrzunehmenden Interessen hinreichend schützen oder zur Erreichung dieses Schutzes andere oder zusätzliche Auflagen oder Aufträge erforderlich sind; sie kann zu diesem Zweck nötigenfalls unter Vorschreibung von Auflagen oder Aufträgen einen befristeten Probebetrieb zulassen oder anordnen. Der Beginn des Probebetriebes ist der Behörde schriftlich anzuzeigen. Der Probebetrieb darf höchstens zwei Jahre und im Falle einer beantragten Fristverlängerung insgesamt höchstens drei Jahre dauern; die Behörde darf eine Fristverlängerung nur einmal und nur um höchstens ein Jahr zulassen oder anordnen, wenn der Zweck des Probebetriebes diese Verlängerung erfordert; der Antrag auf Fristverlängerung bzw. auf Betriebsgenehmigung ist vor Ablauf des befristeten Probebetriebes zu stellen; durch einen rechtzeitig gestellten Antrag wird der Ablauf der Frist bis zur rechtskräftigen Entscheidung gehemmt.

...

(3) Im Verfahren zur Erteilung der Betriebsgenehmigung haben außer dem Genehmigungswerber nur jene im § 10 Abs. 1 Z 2 bis 4 genannten Personen Parteistellung, deren Parteistellung im Verfahren gemäß §§ 7 oder 8 aufrecht geblieben ist.

..."

Zur Fristhemmung beim Probebetrieb

11 Die Revisionswerberin bringt zu der in § 14 Abs. 1 letzter Satz NÖ ElWG 2005 geregelten Fristhemmung beim Probebetrieb vor, der Antrag der mitbeteiligten Partei sei verspätet gestellt worden, sodass diese sich nicht mehr auf die vom BMWFJ erteilte elektrizitätsrechtliche Genehmigung stützen könne.

12 Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass das Mitspracherecht von Parteien (hier: Nachbarn) nach dem NÖ ElWG 2005 in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als der Partei nach den in Betracht kommenden Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. insoweit zum Mitspracherecht des Nachbarn im MinroG das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/04/0022, mwN).

13 Was die in der vorliegenden Rechtssache maßgebliche Parteistellung im Verfahren zur Erteilung der Betriebsgenehmigung anlangt, verweist § 14 Abs. 3 NÖ ElWG 2005 auf die in § 10 NÖ ElWG 2005 geregelte Parteistellung.

14 § 10 NÖ ElWG 2005 regelt ausdrücklich, wer Parteistellung im Genehmigungsverfahren nach den §§ 7 und 8 leg. cit. hat, sodass ein Rückgriff auf § 8 AVG nicht notwendig ist (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Dezember 2016, Ra 2016/04/0143). Dem Nachbar im Sinn des § 9 Abs. 1 NÖ ElWG 2005 kommt gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. Parteistellung hinsichtlich des Schutzes der gemäß § 11 Abs. 1 Z 2 und 3 leg. cit. wahrzunehmenden Interessen zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. August 2014, Ro 2014/05/0057). Damit ist die Parteistellung und das Mitspracherecht des Nachbarn auf die in § 11 Abs. 1 Z 2 und 3 NÖ ElWG 2005 genannten Interessen beschränkt. Diese betreffen den Schutz des Nachbarn vor einer Gefährdung seines Leben oder seiner Gesundheit oder seines Eigentums oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn (Z 2) sowie den Schutz vor unzumutbar Belästigung durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen und Schwingungen, im Falle von Windkraftanlagen auch durch Schattenwurf (Z 3).

15 Die Frage ob es gemäß § 14 Abs. 1 letzter Satz NÖ ElWG 2005 zu einer Fristhemmung beim Probebetrieb gekommen ist und daher der Antrag des Genehmigungswerbers auf Erteilung der Betriebsgenehmigung gemäß § 14 leg. cit. zulässig ist, zählt nicht zu den dem Nachbarn gemäß § 11 Abs. 1 Z 2 und 3 leg. cit. zukommenden Interessen. Daher besteht in diesem Umfang auch kein Mitspracherecht des Nachbarn nach § 10 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005.

16 Fallbezogen bedeutet dies, dass die Revisionswerberin mit dem Vorbringen, der Antrag der mitbeteiligten Partei sei im Hinblick auf § 14 Abs. 1 letzter Satz NÖ ElWG 2005 verspätet gestellt worden, keine Verletzung eines ihr als Nachbarin zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechts aufzeigt. Zur Verletzung der Verhandlungspflicht

17 Dagegen besteht sehr wohl ein Mitspracherecht der Revisionswerberin als Nachbarin bei der Frage, ob durch die Errichtung und den Betrieb der Erzeugungsanlage ihr Leben oder ihre Gesundheit gefährdet werden (§ 11 Abs. 1 Z 2 NÖ ElWG 2005) oder ob sie durch (etwa) Lärm unzumutbar belästigt wird (§ 11 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005).

18 Im Rahmen dieses Mitspracherechts kann die Revisionswerberin auch eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend machen, was ihr vorliegend auch gelingt und der Revision zum Erfolg verhilft:

19 Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

20 Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinne des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. den hg. Beschluss vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/04/0117, mwN).

21 Die im Verfahren zur Erteilung der Betriebsgenehmigung nach dem NÖ ElWG 2005 normierten Nachbarrechte stehen in so engem Zusammenhang mit Auswirkungen der Erzeugungsanlage auf das Nachbargrundstück und dessen Wert bzw. auf den ungestörten Genuss des Eigentums am Nachbargrundstück, dass sie als "civil rights" anzusehen sind (vgl. idS zu Bauvorhaben nach der NÖ Bauordnung 1996 das hg. Erkenntnis vom 29. März 2017, Ra 2015/05/0051, mwN). Somit ist auch vorliegend keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen.

22 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es zum Entfall der Verhandlungspflicht, wenn Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage ist (vgl. den zitierten hg. Beschluss Ra 2016/04/0117, mit Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des EGMR in den Urteilen vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein, und vom 8. November 2016, Nr. 64160/11, Pönkä).

23 Auf diese Voraussetzung des Entfalles der Verhandlungspflicht beruft sich auch das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Rechtssache, jedoch zu Unrecht:

24 Unter dem Titel "wesentliche Verfahrensmängel" verweist die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde auf die durchgeführten Lärmmessungen und rügt, dass sich die belangte Behörde nicht damit auseinander gesetzt habe, ob dieser Lärmpegel im Normalbetrieb oder lediglich bei Notbetrieb (z.B. bei Hochwasser) auftrete. Die belangte Behörde habe - so die Beschwerde weiter - auch die Sachverständigen nicht dazu befragt, ob die von der Rechenanlage ausgehenden Geräusche bzw. das von Abspülvorgängen hervorgerufene Rauschen lediglich bei Niederwasser oder auch bei Hochwasser die Grenzen der einschlägigen Richtwerte bzw. allenfalls sogar bis zur Gesundheitsgefährdung, überschreite. Weiters bringt die Beschwerde vor, dass der Amtssachverständige für Lärmtechnik seine Messungen nur in einem großen Abstand zu dem zu genehmigenden Anlagenteil im Hof des Grundstücks der Revisionswerberin durchgeführt habe. Diese Messung hätte im Garten bzw. an der Grundstücksgrenze zum Wasserkraftwerk hin vorgenommen werden müssen, weil durch die Messung in einem großen Abstand zur Lärmquelle der Erholungswert des Gartens überhaupt nicht berücksichtigt werde. Die Revisionswerberin habe die Lärmsituation durch in der Beschwerde bezeichnete Beweismittel dokumentiert und einen Sachverständigen für Lärmschutz mit Messungen beauftragt. Diese Messergebnisse lägen noch nicht vor, würden aber "im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegt werden". Auch habe es die mitbeteiligte Partei verabsäumt, im Rahmen des Probebetriebes die zur Beurteilung der Lärm- und der Erschütterungsemissionen notwendigen Daten aufzuzeichnen.

25 Bei diesem Vorbringen kann keine Rede davon sein, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ausschließlich Rechtsfragen seien. Vielmehr werden in der Beschwerde mehrere Sachverhaltsfragen aufgeworfen, deren Erörterung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte.

26 Es kommt dabei nicht - wie von der belangten Behörde in der Revisionsbeantwortung vorgebracht - darauf an, ob die Revisionswerberin "taugliche Beweise" vorgelegt hat, welche "die Richtigkeit der von der belangten Behörde eingeholten beweise in Zweifel gezogen hätten". Entscheidend ist, dass die mündliche Verhandlung Teil des Ermittlungsverfahrens (vgl. § 39 Abs. 2 AVG) ist, dessen Zweck es ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache (Rechtssache) maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 37 Abs. 1 AVG; so die Erläuterungen zur VwGVG-Novelle BGBl. I Nr. 24/2017 in:

RV 1255 BlgNR XXV. GP , 5).

Ergebnis

27 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

28 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

29 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 29. Juni 2017

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