VwGH Ra 2017/04/0024

VwGHRa 2017/04/002415.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. V GmbH in Z, 2. H GmbH in M,

3. E GmbH, 4. K V, 5. A V, 6. T V, 7. S V, alle in Z, 8. G N in M, alle vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in 5700 Zell/See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 10. November 2016, Zl. 405-2/31/1/2-2016, 405-2/33/1/2-2016, betreffend gewerbliche Betriebsanlage und Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Zell am See, mitbeteiligte Partei: M S in M), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §68 Abs1;
B-VG Art132;
VwGG §38;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
VwGVG 2014 §8 Abs1;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art132;
VwGG §38;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
VwGVG 2014 §8 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See (Gewerbebehörde) vom 10. März 2016 wurde festgestellt, dass die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei (Badebuffett samt Terrasse beim Strandbad E) in ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise § 359b Abs. 1 GewO 1994 und der Verordnung BGBl. Nr. 850/1994 entspreche.

2 Dieser Genehmigung (mit Feststellungsbescheid) im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO 1994 ging am 21. April 2015 eine mündliche Verhandlung voraus, an der auch die Revisionswerber teilnahmen. In dieser Verhandlung wurde allen anwesenden Personen, unter anderem den Revisionswerbern, im Hinblick auf ihre eingeschränkte Parteistellung mitgeteilt, dass es sich beim gegenständlichen Verfahren um ein vereinfachtes Verfahren nach § 359b GewO 1994 handle, da die Betriebsanlage samt Terrasse über 150 Sitzplätze verfüge, der elektrische Anschlusswert weit unter 300 kW liege und die Musikanlage nur als Hintergrundmusik betrieben werde. Der Bescheid vom 10. März 2016 wurde den Revisionswerbern nicht zugestellt, da die Gewerbebehörde der Auffassung war, dass diese im Rahmen ihrer beschränkten Parteistellung in der mündlichen Verhandlung keine zulässigen Einwendungen erhoben hatten.

3 Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2016 wurde von den Revisionswerbern beim Verwaltungsgericht eine Säumnisbeschwerde eingebracht, da die Gewerbebehörde nicht innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist einen Bescheid nach § 359b GewO 1994 erlassen habe.

4 Mit Bescheid vom 28. Juni 2016 wurde von der Gewerbebehörde auf Grund eines Antrages der Revisionswerber (neuerlich) festgestellt, dass die (oben angeführte) Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei in ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise den Bestimmungen des § 359b Abs. 1 GewO 1994 und der Verordnung BGBl. Nr. 850/1994 entspreche. In der Begründung führte die Gewerbebehörde aus, die Einwendungen der Revisionswerber als Nachbarn seien hinsichtlich des vereinfachten Genehmigungsverfahrens unbegründet und abzuweisen.

5 Gegen diesen Bescheid vom 28. Juni 2016 erhoben die Revisionswerber Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Angefochtenes Erkenntnis

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Bescheid vom 28. Juni 2016 wegen entschiedener Sache gemäß § 28 VwGVG ersatzlos behoben (I.) und die Säumnisbeschwerde der Revisionswerber gemäß § 31 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen (II.). Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt (III.).

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Feststellung des oben angeführten Sachverhaltes im Wesentlichen aus, durch den rechtskräftigen Bescheid der Gewerbebehörde vom 10. März 2016 lag im Hinblick auf den Bescheid vom 28. Juni 2016 entschiedene Sache vor. Der Gewerbebehörde sei es daher verwehrt gewesen, eine neuerliche Sachentscheidung und somit einen neuerlichen Bescheid in derselben Angelegenheit zu erlassen. Die Säumnisbeschwerde sei zurückzuweisen gewesen, weil von der Gewerbebehörde bereits am 10. März 2016 ein Bescheid nach § 359b GewO 1994 erlassen worden sei und daher Säumnis im Sinn einer Untätigkeit der Behörde nicht vorgelegen sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende

außerordentliche Revision.

Rechtslage

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Zulässigkeit

12 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit zunächst aus, in der Verhandlung vom 21. April 2015 sei den Revisionswerbern mitgeteilt worden, dass in ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren "gewechselt" werde. Dadurch seien die Revisionswerber als Nachbarn in ihrem Anhörungsrecht bzw. im Recht, sich eingehend mit der Frage der Voraussetzungen für ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren nach § 359b GewO 1994 zu beschäftigen, verletzt worden. In diesem Umstand liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

Dem ist zu entgegnen, dass das rechtliche Schicksal der vorliegenden Revision nicht von dieser aufgezeigten Rechtsfrage abhängt. Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses ist ausschließlich die ersatzlose Behebung des Bescheides vom 28. Juni 2016 (wegen entschiedener Sache; vgl. hiezu auch den hg. Beschluss vom 24. Mai 2016, Ra 2016/03/0050, wonach vom Verwaltungsgericht bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen ist, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen) und die Zurückweisung der Säumnisbeschwerde der Revisionswerber (wegen fehlender Säumnis der Gewerbebehörde).

13 Als weitere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung behauptet die Revision, das Verwaltungsgericht sei von (nicht weiter bezeichneter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Der Bescheid vom 10. März 2016 sei den Revisionswerbern nicht zugestellt worden und diese hätten bis dato keine Kenntnis vom Inhalt dieses Bescheides. Dieser könne sohin mangels Zustellung auch keine Rechtswirksamkeit entfalten und daher stehe sowohl der Beschwerde als auch der Säumnisbeschwerde nicht entschiedene Sache entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum VwGVG bereits ausgesprochen, dass auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden darf. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. den zitierten Beschluss Ra 2016/03/0050, mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Bescheid als erlassen anzusehen, wenn dieser zumindest einer der am Verfahren beteiligten Personen zugestellt worden ist (vgl. den hg. Beschluss vom 25. November 2015, Ra 2015/09/0104).

Daher ist es entgegen dem Vorbringen der Revisionswerber im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang, ob der bereits erlassene Bescheid vom 10. März 2016 diesen zugestellt wurde. Nach Erlassung dieses Bescheides war die Gewerbebehörde nicht (mehr) berechtigt in dieser Rechtssache eine neuerliche Entscheidung zu treffen (vgl. zur Identität der Sache den zitierten hg. Beschluss Ra 2016/03/0050, mwN).

Aus demselben Grund hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass auch die Säumnisbeschwerde der Revisionswerber zurückzuweisen war:

So hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung zur Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 darauf hingewiesen, dass ein Fristsetzungsantrag gemäß § 38 VwGG bereits dann unzulässig ist, wenn das Verwaltungsgericht seine Entscheidung am Tag des Einlangens des Fristsetzungsantrages bei ihm erlassen hat, wobei es dafür ebenfalls ausreicht, wenn die Entscheidung (zumindest) einer Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an diesem Tag rechtswirksam zugestellt worden ist (vgl. den hg. Beschluss vom 17. Dezember 2014, Fr 2014/18/0033, mwN).

Gleiches gilt für die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde nach § 8 VwGVG: eine Säumnis der Behörde liegt dann nicht mehr vor, wenn die Behörde ihre Entscheidung vor Einlangen der Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht erlassen hat. Dafür reicht es aus, wenn die Entscheidung (zumindest) einer Partei des Verfahrens rechtswirksam zugestellt worden ist. In einem solchen Fall erweist sich die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG als unzulässig.

14 Die Revision bringt als Zulässigkeitsgrund zuletzt vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im hg. Erkenntnis vom 22. April 1997, 97/04/0037, abgewichen, indem es gerade nicht über die Einwendungen der Revisionswerber, dass kein vereinfachtes Bewilligungsverfahren vorliege, abgesprochen habe.

In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass im Gesetz ein eigener Antrag eines Genehmigungswerbers auf Erlassung eines Feststellungsbescheides im Sinne des § 359b Abs. 1 GewO 1994 nicht vorgesehen ist, sondern dass die Behörde bei Vorliegen eines den Voraussetzungen des § 353 GewO 1994 entsprechenden Genehmigungsantrages dann, wenn sich aus diesem Ansuchen ergibt, dass die Anlage den in § 359b Abs. 1 Z. 1 und 2 genannten Tatbestandsvoraussetzungen entspricht, von Amts wegen einen Feststellungsbescheid im Sinne dieser Gesetzesstelle zu erlassen hat.

Diese Rechtsprechung hat alleine für den Bescheid vom 10. März 2016 Bedeutung, mit dem die Gewerbebehörde auf Grund des Genehmigungsantrages der mitbeteiligten Partei eine Genehmigung (mit Feststellungsbescheid) im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO 1994 erlassen hat. Dieser Bescheid ist jedoch nicht Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses, die aufgezeigte Rechtsfrage ist daher schon aus diesem Grund nicht relevant. Ergebnis

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2017

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