VwGH Ra 2016/21/0354

VwGHRa 2016/21/035420.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des G S in W, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2016, Zl. W124 1421138-3/2E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9. November 2016, Zl. W124 1421138-3/3Z, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Fremdenpolizeigesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs3;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §58 Abs13;
AsylG 2005 §75 Abs23;
AVG §19;
BFA-VG 2014 §16 Abs5;
FrÄG 2011;
FrÄG 2015;
FrPolG 2005 §46 Abs2a idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §46 Abs2a idF 2015/I/070;
FrPolG 2005 §46;
FrPolG 2005 §52 Abs3;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016210354.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 23. Oktober 2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. September 2009 vollumfänglich abgewiesen, und der Revisionswerber wurde nach Indien ausgewiesen. Am 23. Mai 2011 stellte er einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. August 2011 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde; unter einem erging neuerlich eine Ausweisung des Revisionswerbers nach Indien. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Juli 2012 abgewiesen. Am 28. November 2014 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. Dieser Antrag wurde vom Bundesasylamt (BFA) mit Bescheid vom 15. Juni 2015 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen; gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Indien zulässig sei, und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt. Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

2 Mit Ladungsbescheid des BFA vom 22. September 2016 wurde der Revisionswerber - während das Beschwerdeverfahren betreffend seinen Antrag nach § 55 AsylG 2005 noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig war - gemäß § 19 AVG und § 46 Abs. 2a FPG aufgefordert, am 21. Oktober 2016 zur Konsularabteilung der Botschaft der Republik Indien zu kommen; ein Behördenvertreter werde anwesend sein. Als "Gegenstand der Amtshandlung" wurde Folgendes angegeben: "Gegen Sie besteht eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung. Für Sie ist ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde für die Abschiebung einzuholen. Eine Befragung zur Klärung Ihrer Identität und Herkunft ist erforderlich." Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung ohne wichtigen Grund wurde dem Revisionswerber die Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 4 BFA-VG angedroht.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

6 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, dass die Ladung nicht notwendig gewesen sei. Im Bescheid des BFA vom 15. Juni 2015 sei ihm für die freiwillige Ausreise eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt worden; diese hätte vorerst abgewartet werden müssen. Die Ladung sei "zur Unzeit" und ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels durch eine vorzeitige Abschiebung zu verhindern. Die vorangegangenen Ausweisungen seien durch die Rückkehrentscheidung vom 15. Juni 2015 "aufgehoben und egalisiert" worden, weshalb die Abschiebung nicht auf sie gestützt werden könne. Das Bundesverwaltungsgericht weiche auch von der Rechtsprechung ab, nach der bei einem langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet "mit voller Integration und Familienbezug" der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK über die öffentliche Ordnung zu stellen sei. Das Bundesverwaltungsgericht erkenne zudem nicht, dass der Konsul kein behördliches Organ sei, sodass die Vorsprache im Konsulat keine Amtshandlung darstellen könne.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf:

7 Richtig ist, dass der mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 neu geschaffene § 46 Abs. 2a FPG zwar eine Ladung zwecks Beschaffung eines Heimreisezertifikates auch außerhalb des Amtsbereichs der zuständigen Behörde zulässt, dass aber weiterhin eine Amtshandlung unter Leitung durch ein Behördenorgan stattfinden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2013, Zl. 2013/21/0097). Dies wurde mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 durch eine entsprechende Änderung des § 46 Abs. 2a FPG ausdrücklich klargestellt. Auf die Anwesenheit eines Behördenvertreters des BFA wurde in der gegenständlichen Ladung aber ausdrücklich hingewiesen, sodass nicht von einer unzulässigen Ladung vor den Konsul - statt zu einer Amtshandlung des BFA - auszugehen war.

8 Auch das anhängige Verfahren über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 bewirkte entgegen dem Revisionsvorbringen nicht die Unzulässigkeit der Ladung. Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 stehen solche Anträge der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Der Antrag als solcher änderte daher nichts an der Durchsetzbarkeit der - gemäß § 75 Abs. 23 AsylG 2005 als Rückkehrentscheidung geltenden - Ausweisung aus dem Jahr 2012. Durch die Erlassung der mit der erstinstanzlichen Antragszurückweisung verbundenen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG wurde zwar ein neuer Titel für die Abschiebung geschaffen; es kam aber weiterhin allenfalls die Ausweisung aus dem Jahr 2012 als mögliche Grundlage für eine Abschiebung in Betracht. Aus § 16 Abs. 5 BFA-VG ergibt sich nämlich, dass eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (u.a.) nach § 55 AsylG 2005 kein Aufenthalts- und Bleiberecht begründet und der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegensteht. Das wird in der Revision nicht berücksichtigt.

9 Vor allem ist der Revisionswerber aber darauf hinzuweisen, dass bloße Vorbereitungen für eine allfällige Abschiebung - etwa (wie hier) die Erwirkung eines Heimreisezertifikates - unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig sind, solange nicht feststeht, dass eine Ausreiseverpflichtung nicht besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2012, Zl. 2012/21/0081, mwN). Davon, dass der Wegfall der Ausreiseverpflichtung des Revisionswerbers zum Zeitpunkt der Bestätigung der Ladung durch das Bundesverwaltungsgericht bereits feststand, kann aber keine Rede sein. Weitere Gründe, die gegen die Notwendigkeit der Ladung sprechen könnten, werden in der Revision, in der wiederholt außer Acht gelassen wird, dass es vorliegend nicht um die Abschiebung geht, nicht genannt.

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Im Übrigen hat der Revisionswerber nach seinen eigenen Angaben der Ladung Folge geleistet, sodass schon zum Zeitpunkt der Einbringung der Revision keine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den Ladungsbescheid vorlag (vgl. den hg. Beschluss vom 19. März 2013, 2012/21/0257, mwN). Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2016

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