VwGH Ra 2016/21/0277

VwGHRa 2016/21/027720.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision von 1. T M,

2. N B, 3. M M, und 4. M M, alle in W und vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Juli 2016, L518 1423069-7/4E, L518 1423066-7/4E, L518 1423067-7/4E und L518 1423068-7/4E, betreffend Abweisung von Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, Erlassung von Rückkehrentscheidungen samt Festsetzung einer Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8;
BFA-VG 2014 §9 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8;
BFA-VG 2014 §9 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet, die beiden anderen Revisionswerber sind deren im Oktober 2007 und im Juni 2009 geborene Kinder. Alle sind armenische Staatsangehörige und gelangten gemeinsam unter Umgehung der Grenzkontrolle Anfang Mai 2011 nach Österreich.

2 Die Revisionswerber stellten am 2. Mai 2011 erstmals Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 23. November 2011 samt Ausweisungen nach Armenien zur Gänze abgewiesen wurden. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. Jänner 2012 als unbegründet ab.

3 In der Folge, nämlich am 8. Mai 2012, stellten die Revisionswerber zweite Anträge auf internationalen Schutz, die letztlich im Instanzenzug mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 16. Jänner 2013 neuerlich abgewiesen wurden; unter einem ergingen noch einmal Ausweisungen der Revisionswerber nach Armenien.

4 Ungeachtet dessen verblieben die Revisionswerber in Österreich und stellten am 10. April 2013 wiederum Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 27. November 2013 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden, wobei auch mit diesen Entscheidungen Ausweisungen verbunden waren. Die dagegen eingebrachten Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 29. Jänner 2014 in Bezug auf die Punkte Asyl und subsidiärer Schutz als unbegründet ab. Im Übrigen verwies es gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 "das Verfahren" zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück. Diesbezügliche Anträge der Revisionswerber auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung von (außerordentlichen) Revisionen wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. März 2014, Ra 2014/20/0003 bis 0006, wegen Aussichtslosigkeit ab.

5 Im fortgesetzten Verfahren entschied das BFA sodann mit Bescheiden vom 30. Juni 2014 dahin, dass den Revisionswerbern Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werden. Unter einem wurden gegen die Revisionswerber Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei. Schließlich setzte das BFA die Frist für die freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen fest. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das BVwG mit Erkenntnis vom 14. August 2014 als unbegründet ab.

6 Hierauf stellten die Revisionswerber am 2. September 2014 Anträge, ihnen gemäß § 55 AsylG 2005 "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" zu erteilen. Mit Bescheiden des BFA vom 21./22./25. Jänner 2016 wurden diese Anträge abgewiesen und es wurden gegen die Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 3 FPG (neuerlich) unter Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen Rückkehrentscheidungen erlassen; gleichzeitig wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei.

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des BVwG vom 21. Juli 2016 wurde die dagegen von den Revisionswerbern eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen, wobei das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aussprach, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 In der diesbezüglichen Begründung der Zulässigkeit der Revision wird nur das Unterbleiben der (von den Revisionswerbern beantragten) Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gerügt und insoweit ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet.

11 Richtig ist zwar, dass das BVwG im angefochtenen Erkenntnis nicht ausdrücklich begründete, weshalb es eine Verhandlung für entbehrlich hielt, jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang mit der übrigen Begründung, dass das BVwG offenbar iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG von einem ausreichend geklärten Sachverhalt ausging. Demgegenüber meinen die Revisionswerber, eine Verhandlung hätte "einen wichtigen Beitrag zur Ermittlung der materiellen Wahrheit leisten können", weil die Beurteilung ihrer "zu Österreich bestehenden Bindungen bzw. deren Integration" und anderer "relevanter Kriterien" (Deutschkenntnisse, "sonstige soziale Verankerung") sowie der gesundheitlichen Situation des Erstrevisionswerbers "im Rahmen einer persönlichen Befragung möglich gewesen wäre".

12 Mit diesen Ausführungen gelingt es der Revision nicht, einen iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt aufzuzeigen, der im Beschwerdeverfahren noch näher geklärt hätte werden müssen. Das BVwG hat nämlich seiner Entscheidung im Wesentlichen alle von den Revisionswerbern zu ihren Gunsten ins Treffen geführten Umstände, einschließlich des schlechten Gesundheitszustandes des Erstrevisionswerbers, zugrunde gelegt und erkennbar auch bei der nach den Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung berücksichtigt. Dass das vom BVwG erzielte (in der weiteren Begründung der Revision bekämpfte) Ergebnis der einzelfallbezogenen Interessenabwägung unvertretbar (krass fehlerhaft) sei, wird im Übrigen in der Revision gar nicht behauptet. Das ist auch nicht anzunehmen, weil der vorliegende Fall - wie sich aus der einleitenden Darstellung des Verfahrensganges ergibt - dadurch gekennzeichnet ist, dass die Revisionswerber nur durch unberechtigte wiederholte Anträge und durch Missachtung der gegen sie ergangenen Ausweisungen bzw. Rückkehrentscheidungen eine Aufenthaltsdauer von nunmehr insgesamt etwas mehr als fünf Jahren erreichen konnten. Dass dem Erstrevisionswerber eine Ausreise nicht zumutbar gewesen wäre, wie in der Revision in diesem Zusammenhang behauptet wird, lässt die gegenteiligen rechtskräftigen Entscheidungen völlig außer Acht. Das BVwG durfte daher hier im Besonderen die bisher erlangte Integration während "unsicheren Aufenthaltsstatus" iSd Z 8 des § 9 Abs. 2 BFA-VG als relativiert ansehen, wobei in Bezug auf die Rückkehr der Kinder auch unterstellt werden durfte, dass sie sich insoweit in einem anpassungsfähigen Alter befinden; das wird in der Revision auch nicht in Frage gestellt.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen war.

Wien, am 20. Oktober 2016

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