VwGH Ra 2016/20/0343

VwGHRa 2016/20/034326.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag.a Ortner, in der Rechtssache der Revision des O P in W, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Oktober 2016, Zl. W103 2135917-1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG, den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
32013L0032 IntSchutz-RL Art20;
BFA-VG 2014 §52 Abs2;
BFA-VG 2014 §52;
EURallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit - zusammengefasst - vorgebracht, es existiere noch keine Rechtsprechung zur Frage, ob ein Asylwerber in seinem Recht auf eine wirksame Beschwerde verletzt werde, wenn ein Rechtsberater sich weigere, den Asylwerber auf sein Verlangen bei der Beschwerdeerhebung zu vertreten. Es sei Sache des Verwaltungsgerichts, dafür Sorge zu tragen, dass von einem Asylwerber das ihm zustehende Recht auf einen Rechtsberater tatsächlich in Anspruch genommen werden könne. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse das Verwaltungsgericht von der Möglichkeit des § 19 AVG (iVm § 17 VwGVG) Gebrauch machen, wenn ein Rechtsberater unentschuldigt der Verhandlung fernbleibe. Dies müsse sinngemäß auch für die Erhebung einer Beschwerde gelten. Die Vorschriften, die eine Unterstützung des Asylwerbers durch einen Rechtsberater vorsehen, seien ein wichtiger Teil des effektiven Rechtsschutzes. Im vorliegenden Fall sei der Revisionswerber nicht ausreichend über die rechtlichen Voraussetzungen "für eine wirksame Beschwerde bzw. eine mündliche Verhandlung" aufgeklärt worden. Der Bescheid sei ihm nur in deutscher Sprache vorgelegen. Es sei ihm letztlich selbst oblegen, ohne Anleitung eine handgeschriebene Beschwerde zu verfassen. Die Rechtsberatung sei somit ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen. Zudem müsse aus unionsrechtlichen Gründen - insbesondere aufgrund der Vorgaben des Art. 47 GRC - davon ausgegangen werden, dass § 52 BFA-VG nur so interpretiert werden könne, "dass ‚Unterstützung' nur eine Vertretung bedeuten" könne. Ein diesbezüglicher Verfahrensfehler müsse wegen der Notwendigkeit, im Verfahren die "Waffengleichheit" zu wahren, auch immer zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen, sodass auch die Darstellung der Relevanz des Verfahrensfehlers auf den Verfahrensausgang entbehrlich sei. Zudem hätte das Bundesverwaltungsgericht ausgehend von seiner eigenen Auffassung, die Beschwerde sei mangelhaft gewesen, die Behebung dieser Mängel gemäß § 13 Abs. 3 AVG (iVm § 17 VwGVG) veranlassen müssen.

5 Den vorgelegten Verfahrensakten ist nicht zu entnehmen, dass der Revisionswerber ein an die Behörde oder das Bundesverwaltungsgericht gerichtetes Ersuchen erstattet hätte, durch einen Rechtsberater vertreten zu werden oder für ihn einen sonstigen Vertreter zu bestellen. Auch wird in der Revision nicht behauptet, der Revisionswerber sei mit dem Vorbringen an das Bundesverwaltungsgericht herangetreten, der Rechtsberater hätte es abgelehnt, ihn (allenfalls: schon bei Erhebung der Beschwerde) zu unterstützen oder trotz eines entsprechenden Ersuchens zu vertreten. Schon deshalb entbehrt die (erstmals in der Revision aufgestellte) Behauptung, der Rechtsberater habe sich geweigert, den Revisionswerber im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu vertreten, einer für das Revisionsverfahren maßgeblichen Grundlage (§ 41 VwGG).

Es ist aber am Boden dieser Sachlage auch nicht erkennbar, dass im Rahmen der Verfahrensführung den unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf die unentgeltliche Beistellung von Rechtsberatung und Rechtsvertretung - insbesondere im Hinblick auf Art. 20 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ("Verfahrensrichtlinie") und Art. 47 Grundrechtecharta - nicht entsprochen worden wäre. Das Vorbringen des Revisionswerbers, aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben müsse "Unterstützung" immer mit - nur so können die Revisionsausführungen verstanden werden:

von Amts wegen zu bestellender - "Vertretung" gleichgesetzt werden, findet gleichfalls in den genannten Vorschriften keine Deckung.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2016, Ra 2016/19/0016, zur (bis 30. September 2016 geltenden) Rechtslage des § 52 BFA-VG festgehalten, dass die gesetzlich vorgesehene Unterstützung durch den Rechtsberater nicht dazu führt, dass dem Asylwerber ein - vor dem Verwaltungsgerichtshof durchsetzbares - Recht auf ein zweckentsprechendes Verhalten des Rechtsberaters während der mündlichen Verhandlung zukommt. § 52 Abs. 2 BFA-VG (idF vor der mit BGBl. I Nr. 24/2016 erfolgten Novellierung) stellt nämlich - vom Erscheinen des Rechtsberaters zur mündlichen Verhandlung abgesehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2016, Ro 2016/18/0001) - keine Verfahrensvorschrift dar, deren Einhaltung vom Verwaltungsgericht eingefordert werden kann, zumal es in einem kontradiktorischen Verfahren nicht Aufgabe des Gerichts ist, in der mündlichen Verhandlung auf ein bestimmtes, dem Anliegen des Asylwerbers dienendes Verhalten des Rechtsberaters hinzuwirken.

7 Dies gilt auch für die Unterstützung durch einen Rechtsberater bei der Abfassung einer Beschwerde gegen einen behördlichen Bescheid an das Verwaltungsgericht. Anders als es der Revisionswerber vor Augen hat, ist das Verwaltungsgericht nach der hier maßgeblichen Rechtslage durch keine Verfahrensvorschrift gehalten, ein Verhalten des Rechtsberaters sicherzustellen, das eine für ihn erfolgreiche Beschwerdeerhebung garantiert. Auch im Zusammenhang mit der Beschwerdeerhebung ist zu betonen, dass es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts ist, auf ein bestimmtes, dem Anliegen des Asylwerbers dienendes Verhalten des Rechtsberaters hinzuwirken.

8 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers bestand aber auch sonst für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, hinsichtlich der den formellen und inhaltlichen Kriterien Genüge tuenden Beschwerde, eine auf § 13 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG gestützte Verbesserung der Beschwerde veranlassen zu müssen.

9 Die in Rede stehende Rechtsfrage wurde nach dem Gesagten vom Verwaltungsgerichtshof - wenn auch nach Einbringung der gegenständlichen Revision - bereits geklärt (vgl. zu den Prozessvoraussetzungen bei nachträglichem Wegfall der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung etwa den hg. Beschluss vom 12. September 2016, Ro 2015/12/0021, mwN). Der Revision gelingt es auch nicht aufzuzeigen, dass ein Verfahrensmangel vorgelegen wäre. Es werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (im Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision) grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. Jänner 2017

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