VwGH Ra 2016/15/0065

VwGHRa 2016/15/006528.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der S H in O, vertreten durch Mag. Kurt Jelinek, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 23. Juni 2016, Zl. RV/6101072/2015, betreffend Einkommensteuer 2008, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1 Z10 idF 2004/I/180;
EStG 1988 §4 Abs4 Z7 idF 2004/I/180;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin war im Streitjahr als Lehrerin an einer Hauptschule tätig. Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung für dieses Jahr machte sie u.a. Werbungskosten in Höhe von 7.898,34 EUR geltend.

2 Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 3. April 2014 die Einkommensteuer 2008 fest. Es berücksichtigte Werbungskosten in Höhe von 877,12 EUR. Begründend verwies das Finanzamt u.a. darauf, unter den Kontoauszügen sei nur die Zahlungsbestätigung über das Wintersemester, es würden daher die geltend gemachten Kilometergelder nur für Oktober bis Dezember 2008 berücksichtigt.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und änderte den Einkommensteuerbescheid ab. Es sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei im Streitjahr als Lehrerin tätig gewesen; sie habe in den Fächern Ernährung und Haushalt, Sport und Bewegung, Technisches und Textiles Werken sowie Tanz, Theater und Kreativität unterrichtet.

6 Was das Studium der Rechtswissenschaften anbelange, so habe die Revisionswerberin in ihrer Eingabe betreffend das Jahr 2011 lediglich angeführt, das Studium absolviert zu haben, "um einen höheren Dienst im Schulwesen zu erlangen". Die Revisionswerberin habe den erforderlichen Nachweis, dass das Studium zeitnah zu einer beruflichen Verwendung geführt habe, nicht erbracht; sie habe auch den Vorhalt des Bundesfinanzgerichts zu diesem Punkt nicht beantwortet. Die Revisionswerberin gehe weiterhin unverändert ihrer unterrichtenden Tätigkeit ohne Verwendungsänderung (nunmehr an einer Neuen Mittelschule) nach. Darüber hinaus lägen für 2008 weder Zahlungsbelege betreffend Studienbeiträge noch eine Berechnung der beantragten Kilometergelder im Akt auf. Den Kosten des Studiums sei daher insgesamt die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten zu versagen.

7 Im vorliegenden Fall seien hauptsächlich Fragen der Beweiswürdigung zu lösen gewesen; soweit Rechtsfragen strittig gewesen seien, seien diese durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt.

8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat - gemeinsam zu dem ebenfalls die Revisionswerberin betreffenden Verfahren Ra 2016/15/0066 - eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

 

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10 Die Revision ist zulässig und begründet.

11 Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 erster Satz EStG 1988 und § 4 Abs. 4 Z 7 erster Satz EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2004 (BGBl. I Nr. 180/2004) sind Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

12 Als Umschulungsmaßnahme begünstigt sind nur umfassende Bildungsmaßnahmen, die den Einstieg in einen anderen Beruf ermöglichen, wobei das Gesetz verlangt, dass die Umschulungsmaßnahme auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufs "abzielt". Daraus ist abzuleiten, dass ein konkreter Zusammenhang der Bildungsmaßnahme mit geplanten nachfolgenden (Betriebs‑)Einnahmen erforderlich ist. Es müssen somit Umstände vorliegen, die über eine allgemeine Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgehen (vgl. VwGH vom 23. Mai 2013, 2011/15/0159, mwN). Abzugsfähig sind Aufwendungen, die - auch unter Berücksichtigung der zunächst angefallenen Ausbildungskosten - zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen sollen und daher künftiges Steuersubstrat darstellen. Ob der Wille des Steuerpflichtigen darauf gerichtet ist, sich eine neue Einkunftsquelle durch die Ausübung eines anderen Berufes zu verschaffen, ist im Einzelfall an Hand objektiver Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (vgl. VwGH vom 15. September 2011, 2008/15/0321, VwSlg. 8662/F, sowie vom 27. April 2017, Ra 2015/15/0069).

13 Die steuerliche Abzugsfähigkeit einer mit der konkreten Absicht auf künftige Einnahmenerzielung betriebenen Umschulungsmaßnahme hängt nicht davon ab, ob es dem Steuerpflichtigen nach Abschluss der Umschulung tatsächlich gelingt, im angestrebten Beruf Fuß zu fassen, verschafft doch grundsätzlich keine Ausbildung eine Garantie, nach ihrem Abschluss in einem vorher festgelegten Bereich beruflich tätig sein zu können (vgl. neuerlich VwGH vom 23. Mai 2013).

14 Das Bundesfinanzgericht versagte die Berücksichtigung von Aufwendungen für das Studium der Rechtswissenschaften mit der Begründung, die Revisionswerberin habe - trotz auch darauf gerichteten Vorhalts - den erforderlichen Nachweis, dass das Studium zeitnah zu einer beruflichen Verwendung geführt habe, nicht erbracht; sie gehe unverändert ihrer unterrichtenden Tätigkeit nach.

15 Damit hat das Bundesfinanzgericht die Rechtslage verkannt, kommt es doch - wie bereits dargelegt - nicht darauf an, ob im angestrebten Beruf Fuß gefasst werden kann. Damit, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Absicht der Revisionswerberin darauf gerichtet war, tatsächlich einen anderen Beruf auszuüben, oder ob es sich hiebei um eine bloße Absichtserklärung handelte, hat sich das Bundesfinanzgericht aber nicht auseinandergesetzt.

16 Soweit das Bundesfinanzgericht die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen auch damit begründet, für das Jahr 2008 lägen weder Zahlungsbelege betreffend Studienbeiträge noch eine Berechnung der beantragten Kilometergelder im Akt auf, rügt die Revision zutreffend die Aktenwidrigkeit dieser Sachverhaltsannahme. Wie bereits das Finanzamt im Bescheid vom 3. April 2014 ausführte, liegt (zumindest) eine Zahlungsbestätigung über das Wintersemester vor.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren findet in diesen Bestimmungen keine Deckung.

Wien, am 28. Juni 2017

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