VwGH Ra 2016/04/0142

VwGHRa 2016/04/014226.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der Marktgemeinde S, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2016, Zlen. W109 2122706-1/8E, W109 2122705-1/8E, betreffend Bewilligungen nach dem Mineralrohstoffgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: (nunmehr) Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus; mitbeteiligte Partei:

R Aktiengesellschaft in W), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §62 Abs3;
AVG §62;
B-VG Art130 Abs1 Z1;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGVG 2014 §7 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016040142.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 13. Dezember 2007 wurde für ein bestimmt bezeichnetes Projekt eine Bewilligung gemäß § 119 Abs. 1 und 2 Mineralrohstoffgesetz (MinroG) erteilt.

2 Mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 18. Februar 2009 wurde im Zusammenhang mit demselben Projekt eine weitere Bewilligung gemäß § 119 Abs. 1 und 2 MinroG erteilt.

3 Die beiden Bescheide wurden jeweils im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gemäß § 62 Abs. 1 AVG verkündet und gemäß § 62 Abs. 2 AVG in der jeweiligen Verhandlungsschrift protokolliert. Bei den Verhandlungen war - laut Feststellungen im angefochtenen Beschluss - für die Revisionswerberin jeweils deren stellvertretender Amtsleiter anwesend. Weiter hielt das Verwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung fest, dass "der Vertreter der beschwerdeführenden Gemeinde sich offensichtlich vor Schluss der Verhandlung entfernte".

4 Die Verhandlungsschrift samt der beurkundeten mündlichen Verkündung der Bescheide wurde in beiden Fällen unter anderem jeweils dem Bürgermeister der Revisionswerberin mit Verständigung vom 13. Dezember 2007 bzw. vom 18. Februar 2009 zugestellt. Sie sind diesem auch tatsächlich zugegangen.

5 2. Mit Schriftsatz je vom 8. Februar 2016 erhob die Revisionswerberin gegen die oben genannten Bescheide Beschwerde und führte zur Rechtzeitigkeit der Einbringung aus, die Genehmigungsbescheide zugunsten der mitbeteiligten Partei seien der Revisionswerberin erst über ihren schriftlichen Antrag am 11. Jänner 2016 übermittelt worden.

6 3. Mit dem hier angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht beide Beschwerden als verspätet zurück und erklärte die Revision für nicht zulässig.

7 Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen führte das Bundesverwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, beide Bescheide seien infolge der mündlichen Verkündung zustande gekommen und ordnungsgemäß beurkundet. Die Zustellung der jeweiligen Verhandlungsschrift an den Bürgermeister sei nicht in Abrede gestellt worden. Dieser vertrete die Gemeinde nach außen, weshalb die Bescheide auch als gegenüber der Revisionswerberin erlassen anzusehen seien. Die Rechtsmittelfrist habe mit der Zustellung der Verhandlungsschrift zu laufen begonnen und sei ungenützt verstrichen. Eine spätere nochmalige Übermittlung der schriftlichen Bescheidausfertigungen löse keine Rechtswirkungen mehr aus. Ungeachtet des Umstandes, ob die Revisionswerberin in den beiden Verfahren von der belangten Behörde als Partei oder nur Anhörungsberechtigte angesehen worden sei, wäre es ihr jedenfalls frei gestanden, ein Beschwerdeverfahren anzustrengen. Die eingebrachten Beschwerden seien daher als verspätet zurückzuweisen.

8 4. Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

9 Die belangte Behörde beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

10 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 5.1. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision ausschließlich vor, das Bundesverwaltungsgericht verkenne, dass die Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters nicht dazu führe, dass eine laut Zustellverfügung an diesen ergangene Erledigung als an die Revisionswerberin als Rechtsträgerin ergangen zu werten sei. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach eine Zustellung an den Vertretungsbefugten tatsächlich nicht als an die vom Vertreter verschiedene Rechtsperson rechtswirksam ergangen gelte, zumal dem Bürgermeister auch andere behördliche Funktionen zukommen würden. Das Bundesverwaltungsgericht verkenne die Bedeutung der Zustellverfügung.

14 Die Zulässigkeit einer Revision ist nur dann gegeben, wenn die geltend gemachte Rechtsfrage für die Entscheidung über die Revision von Relevanz ist. Die Entscheidung über die vorliegende Revision muss also von der Lösung der vom Revisionswerber aufgeworfenen Frage abhängen (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2017/06/0004).

15 Die von der Revision aufgeworfene Frage der Zustellung der Verhandlungsschriften - auf welche sich die Feststellungen im angefochtenen Beschluss ausschließlich beziehen - ist für die angefochtene Entscheidung nicht relevant:

16 Gemäß § 62 Abs. 3 AVG ist den bei der Verkündung nicht anwesenden Parteien eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides zuzustellen. Die vierwöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung (§ 7 Abs. 4 VwGVG).

17 Die Zustellung der Verhandlungsschrift ist sohin für die Beurteilung der Frage der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde nicht von Relevanz. Die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerden - und damit die Entscheidung über die Revision - hängt daher nicht von der in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vorgebrachten Rechtsfrage ab, ob die an den Bürgermeister der Revisionswerberin erfolgten Zustellungen der Verhandlungsschriften als wirksame Zustellung an die Revisionswerberin anzusehen sind.

18 Nach dem oben Gesagten vermag daher das Vorbringen in der Revision ihre Zulässigkeit nicht zu begründen.

19 5.2. Sofern sich die Ausführungen in der Revision auf die Zustellung einer Bescheidausfertigung an den Bürgermeister beziehen sollten, ist zu ergänzen, dass entgegen der Ansicht der Revisionswerberin die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts in Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs steht, wonach durch die Zustellung des Bescheides an das zur Empfangnahme von an die Gemeinde gerichteten Schriftstücken befugte Organ der Bescheid auch gegenüber der Gemeinde erlassen wurde. Auch der Umstand, dass die Zustellung an den Bürgermeister "zur Kenntnis" verfügt wird, schadet nicht (vgl. VwGH 9.11.2006, 2005/07/0123).

20 Die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision angeführte Rechtsprechung steht dem nicht entgegen: Das ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Juli 2007, 2006/06/0088, behandelt die Frage der Rechtsmittellegitimation des dortigen Beschwerdeführers ausgehend vom Inhalt des erlassenen Bescheides und trägt zur verfahrensgegenständlichen Rechtsfrage nichts bei. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juni 1997, 97/08/0087, spricht über die Folgen der mangelnden Rechtsmacht der Person, die für die dortige Beschwerdeführerin eingeschritten war, ab, was zur Zurückweisung der erhobenen Beschwerde führte. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. November 2008, 2006/03/0097, behandelt die Frage der rechtswirksamen Erlassung eines Strafbescheides, welcher keinen Adressaten enthielt. Auch hier liegt kein vergleichbarer Sachverhalt vor, sodass damit keine Abweichung von der Rechtsprechung dargetan wird.

21 Somit liegt auch die zur Begründung der Zulässigkeit vorgebrachte Abweichung von der Rechtsprechung nicht vor.

22 5.3. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. zur ständigen Rechtsprechung, wonach die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den VwGH ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung erfolgt, etwa VwGH 10.2.2015, Ra 2015/02/0016, mwN). Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

23 5.4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Juni 2018

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