VwGH Ra 2016/04/0024

VwGHRa 2016/04/002416.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch die Sundström/Partner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 1190 Wien, Pokornygasse 21, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 17. Dezember 2015, Zl. VGW-123/072/14142/2015-1, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. B GesmbH in W, vertreten durch die Breitenfeld Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Marc-Aurel-Straße 6, 1010 Wien;

2. Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs7;
BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §13 Abs7;
BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 17. Dezember 2015 wurde das Feststellungsverfahren (betreffend das Vergabeverfahren der Stadt Wien "Durchführung des Schulbusbetriebes für SchülerInnen mit Behinderungen in Wien") hinsichtlich der Lose III, VI, VIII, IX und X eingestellt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

Dem Verfahren lag ein Antrag der Revisionswerberin vom 29. Juli 2011 auf Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung im genannten Vergabeverfahren (u.a.) hinsichtlich der Lose II bis VI und VIII bis XI zugrunde. Nach Aufhebung des - diesen Antrag abweisenden - Bescheides des Vergabekontrollsenates Wien durch das hg. Erkenntnis vom 9. April 2013, 2011/04/0207, stellte die Revisionswerberin einen (sekundären) Feststellungsantrag. Der diesen Antrag zurückweisende Bescheid des Vergabekontrollsenates Wien wurde mit hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 2014, 2013/04/0140, aufgehoben, weshalb das Verfahren vom Verwaltungsgericht Wien fortzuführen war.

Das Verwaltungsgericht führte am 17. September 2015 eine mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde die Revisionswerberin eingangs aus dem Senat gefragt, auf welche Lose des verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahrens sich der Antrag auf Feststellung beziehe. In weiterer Folge findet sich in dem (im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen) Verhandlungsprotokoll folgende Passage:

"Die Antragstellervertreterin bringt dazu vor, dass die Lose, die an die Teilnahmeberechtigte (= die erstmitbeteiligte Partei) vergeben wurden, dieser nicht zugeschlagen hätten werden dürfen. Ihr Antrag beziehe sich daher auf die Lose I., II., IV., V., XI., XII., XIV. und XVIII."

Weiters stellte das Verwaltungsgericht den Protokollberichtigungsantrag der Revisionswerberin vom 23. September 2015 dar, der allerdings keine Protokollrüge betreffend die hier relevante Passage über die Lose, auf die sich der Antrag beziehe, zum Inhalt hatte.

In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe - trotz Hinweis aus dem Senat, dass die Lose I, XIII, XIV, XVIII und XX in einem gesonderten Feststellungsverfahren behandelt würden und hier nicht gegenständlich seien, und trotz Hinweis der zweitmitbeteiligten Partei, dass die Revisionswerberin den Zuschlag in Los XII ohnedies selbst erhalten habe, - auf der Protokollierung ihres Vorbringens bestanden, wonach sich ihr Antrag auf die Lose I, II, IV, V, XI, XII, XIV und XVIII beziehe. Die Revisionswerberin sei dabei rechtsfreundlich vertreten gewesen. Die vorangegangene Aufforderung aus dem Senat habe einen eindeutigen Erklärungswert gehabt, nämlich die Klarstellung des Antragsumfangs im Hinblick auf die Rechtsansicht des Senates, dass nur ein Teil der angeführten Lose im vorliegenden Verfahren zu behandeln sei. Die Revisionswerberin habe ihren Feststellungsantrag durch ihre Erklärung dahingehend modifiziert, dass sich dieser Antrag auf die genannten Lose beziehe. Somit seien die im ursprünglichen Feststellungsantrag noch enthaltenen Lose III, VI, VIII, IX und X nicht mehr verfahrensgegenständlich, weshalb darüber nicht mehr abzusprechen gewesen sei.

2 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Zur Zulässigkeit der Revision bringt die Revisionswerberin vor, dass die zu lösende Rechtsfrage nicht bloß in der Auslegung ihrer in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2015 abgegebenen Erklärung liege, sondern in der Frage, ob der unionsrechtlich gebotene vergaberechtliche Rechtsschutz durch die Verhandlungsführung und Auslegung einer Nachprüfungsbehörde eingeschränkt werden dürfe. Unter Berücksichtigung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität hätte das Verwaltungsgericht in der Sache selbst entscheiden müssen. Es sei unzulässig, nach einer mehr als vierjährigen rechtlichen Auseinandersetzung die "aus dem Zusammenhang herausgezogene Erklärung in der mündlichen

Verhandlung ... umzuinterpretieren". Zudem widerspreche die

Auslegung durch das Verwaltungsgericht auch der im Fristsetzungsantrag der Revisionswerberin (vom 7. Dezember 2015) deutlich gemachten Intention. Die Erklärung der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung sei lediglich eine Antwort auf eine undeutliche bzw. unzulässige Frage des Verwaltungsgerichtes gewesen. Zudem sei der Revisionswerberin nicht vorgehalten worden, dass das Verwaltungsgericht die Erklärung der Revisionswerberin als (teilweise) Zurückziehung verstehe.

Nach Auffassung der Revisionswerberin werde für die Zurückziehung eines Antrags ein höherer Grad an Erklärungswert gefordert. Eine derartige Deutlichkeit sei der Erklärung vom 17. September 2015 nicht zu entnehmen. Im Hinblick auf die Komplexität der angefochtenen Billigstbieterermittlung und die fehlende ausreichende Aktenkenntnis (der Revisionswerberin) widerspreche die Aufforderung (durch das Verwaltungsgericht) zur Benennung der Lose, auf welche sich der Feststellungsantrag beziehe, sowie das daran anschließende Vorgehen des Verwaltungsgerichtes, die Antwort als teilweise Zurückziehung des Feststellungsbegehrens zu werten, dem Effektivitätsgebot.

5 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision aus folgenden Gründen keine Rechtsfragen auf, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

6 Gegenständlich hat das Verwaltungsgericht das bei ihm anhängige Feststellungsverfahren hinsichtlich einzelner Lose eingestellt. Der Umstand allein, dass das Verwaltungsgericht über einen Antrag, der zurückgezogen wurde, nicht mehr in der Sache abzusprechen hat, vermag keinen Verstoß gegen die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität darzustellen, zumal die Möglichkeit des Antragstellers, über seinen Antrag selbst zu disponieren, dadurch nicht beeinträchtigt wird. Ausgehend davon ist im vorliegenden Fall - entgegen der Revisionsauffassung - einzig entscheidungserheblich, ob das Verwaltungsgericht die Erklärung der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2015 fallbezogen als teilweise Zurückziehung des Feststellungsantrags werten durfte.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (siehe die hg. Beschlüsse vom 11. November 2015, Ra 2015/04/0077, mwN, vom 14. Oktober 2015, Ra 2015/04/0055, und vom 18. März 2015, Ra 2015/04/0017, mwN). Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall wäre nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (siehe den hg. Beschluss vom 17. Februar 2015, Ro 2014/02/0124).

8 Soweit die Revisionswerberin erhöhte Anforderungen für die Zurückziehung eines Antrags ins Treffen führt, ist Folgendes anzumerken: Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 28. September 1976, 830/75, festgehalten, dass für die Zurückziehung bereits eingebrachter (dort) Rechtsmittel die Beachtung besonderer Formerfordernisse nicht vorgesehen ist. Die Zurückziehung eines Antrags bedarf einer ausdrücklichen diesbezüglichen Willenserklärung gegenüber der Behörde. Eine Pflicht der Behörde, den Einschreiter zur Präzisierung aufzufordern, hat der Verwaltungsgerichtshof (nur) dann angenommen, wenn ein Anbringen einen undeutlichen Inhalt aufweist (siehe zu all dem das hg. Erkenntnis vom 25. Juli 2013, 2013/07/0099, mwN). Im Zusammenhang mit der Frage, ob Zweifel am Inhalt eines Anbringens bestehen mussten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis auch darauf abgestellt, dass der (dort) Beschwerdeführer im Verfahren anwaltlich vertreten war.

9 Ausgehend davon ist es fallbezogen jedenfalls nicht als unvertretbar anzusehen, dass das Verwaltungsgericht die Erklärung der anwaltlich vertretenen Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2015, ihr Antrag beziehe sich auf die darin genannten Lose, als eine teilweise Zurückziehung des Antrags hinsichtlich der in dieser Erklärung nicht genannten Lose angesehen hat und keine Aufforderung zur Präzisierung erging. Ein ausdrücklicher Vorhalt dieser rechtlichen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht war nicht geboten.

Dabei konnte berücksichtigt werden, dass der Revisionswerberin die Möglichkeit der Protokollrüge offen stand und sie von dieser Möglichkeit grundsätzlich auch Gebrauch gemacht hat, allerdings nicht hinsichtlich der hier maßgeblichen Erklärung. Der bloße Umstand, dass die zugrunde liegende rechtliche Auseinandersetzung bereits mehr als vier Jahr andauerte, musste zu keinem anderen Ergebnis führen. Die im Fristsetzungsantrag vom 7. Dezember 2015 zum Ausdruck kommende Intention der Revisionswerberin ist für die Auslegung ihrer Erklärung vom 17. September 2015 ohne Relevanz.

Weshalb die - der hier relevanten Erklärung der Revisionswerberin vorausgehende - einleitende Frage des Verwaltungsgerichtes, nämlich klarzustellen, auf welche Lose sich der gegenständliche Antrag bezieht, undeutlich oder unzulässig gewesen sei (und dies bei der Auslegung der Erklärung in Anschlag zu bringen gewesen wäre), vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Komplexität der Billigstbieterermittlung oder die fehlende teilweise Aktenkenntnis es ihr verunmöglicht hätten sollen, diejenigen Lose anzugeben, auf die sich ihr Antrag beziehe.

10 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 16. März 2016

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