VwGH Ra 2016/03/0048

VwGHRa 2016/03/004813.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 25. Jänner 2016, Zl LVwG-700088/15/MB/SA, betreffend Übertretung des Oö Sexualdienstleistungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: U A in L, vertreten durch GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Museumstraße 31a), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
SDLG OÖ 2012 §2 Z4;
SDLG OÖ 2012 §2 Z5;
SDLG OÖ 2012 §4 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §31;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
B-VG Art133 Abs4;
SDLG OÖ 2012 §2 Z4;
SDLG OÖ 2012 §2 Z5;
SDLG OÖ 2012 §4 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §31;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I. Sachverhalt

1 A. Mit Straferkenntnis der amtsrevisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (BH) vom 23. Februar 2016 wurde der mitbeteiligten Partei nach § 17 Abs 3 Oö Sexualdienstleistungsgesetzes (SDLG) zur Last gelegt, sie habe am 26. September 2014 um 21.02 Uhr in einem näher genannten Objekt in T ("Massagestudio/O"), in welchem Sexualdienstleistungen angebahnt und ausgeübt worden seien, ein Bordell iSd § 2 Z 4 SDLG ohne Bewilligung der Gemeinde betrieben, obwohl ein Bordell nur mit Bewilligung der Gemeinde betrieben werden dürfe (Bordellbewilligung). Dadurch habe sie § 4 Abs 1 iVm § 17 Abs 1 Z 1 und § 17 Abs 3 SDLG, LGBl Nr 80/2012 idF LGBl Nr 90/2013, verletzt. Über sie wurde gemäß § 17 Abs 3 SDLG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 134 Stunden) verhängt.

2 Begründend wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass gemäß § 2 Z 4 und Z 5 SDLG unter einem Bordell ein Betrieb zu verstehen sei, in dem Sexualdienstleistungen durch eine oder mehrere Personen angebahnt oder ausgeübt würden. Auch bordellähnliche Einrichtungen gälten als Bordelle. Damit seien insbesondere Häuser gemeint, in denen Personen in angemieteten Zimmern oder Wohnungen voneinander unabhängig Sexualdienstleistungen anbahnten oder ausübten. Aus den Gesetzesmaterialien zum SDLG gehe eindeutig hervor, dass auch erotische Massagen, sofern dabei Tätigkeiten ausgeübt würden, die einen sexuellen Bezug in physischer Hinsicht aufwiesen, diesem Landesgesetz unterlägen. Von einem derartigen sexuellen Bezug in physischer Hinsicht könne ausgegangen werden, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifische eigentümliche Körperpartien sexuell sinnbezogen und nicht bloß flüchtig berührt würden. Den Aussagen eines näher genannten Zeugen sei zu entnehmen, dass er im besagten Studio O mehrmals Sexualdienstleistungen in Anspruch genommen habe, darunter auch jedenfalls sogenannte "Happy-End-Massagen". Aufgrund der schlüssigen und glaubhaften Aussagen dieses Zeugen stehe fest, dass es sich beim besagten Studio eindeutig um ein Bordell iSd § 2 Z 4 und 5 SDLG handle. An diesem Umstand ändere die Einwendung der mitbeteiligten Partei nichts, dass die Damen selbstständig und auf eigene Rechnung arbeiteten und der mitbeteiligten Partei nicht bekannt sei, was diese genau machten. Dieses Studio werde von der mitbeteiligten Partei betrieben. § 4 Abs 1 SDLG normiere, dass ein Bordell nur mit Bewilligung der Gemeinde betrieben werden dürfe (Bordellbewilligung). Jede wesentliche Änderung des Bordellbetriebes bedürfe vor ihrer Ausführung ebenfalls der Bewilligung. Für das Studio O liege eine derartige Bewilligung nicht vor.

3 Die BH habe die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 12. Jänner 2015 (zugestellt am 13. Jänner 2015) aufgefordert, sich zu der ihr wie folgt zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zu rechtfertigen:

"Sie haben am 26.09.2014 um 21:02 im Objekt T (‚Massagestudio O'), in welchem Sexualdienstleistungen angebahnt und ausgeübt wurden, ein Bordell iSd § 2 Z 4 Oö. SDLG ohne Bewilligung der Gemeinde betrieben, obwohl ein Bordell nur mit Bewilligung der Gemeinde betrieben werden darf (Bordellbewilligung)."

4 Dazu habe die mitbeteiligte Partei insbesondere ausgeführt, sie habe sich zur Zeit der Polizeikontrolle am 26. September 2015 auf Urlaub befunden; die Damen arbeiteten im Studio O selbstständig und auf eigene Rechnung, was sie genau machten, sei der mitbeteiligten Partei nicht bekannt, diese sei auch nicht im Studio anwesend. Die mitbeteiligte Partei kassiere lediglich eine Zimmermiete, die sich daraus ergebe, wie lang das Zimmer besetzt sei und versteuere den für die Massage genommenen Umsatz laut Finanzamtsvorgabe. Die Damen würden lediglich bekannt geben, wie lang das Zimmer besetzt sei. Den Preis machten die Damen selbst aus, die Arbeitszeiten auch.

5 B. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei hob das Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis den Bescheid der belangten Behörde auf und stellte das Strafverfahren ein (Spruchpunkt I.); die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 25a VwGG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

6 In der Begründung dieser Entscheidung stellte das Verwaltungsgericht auf dem Boden der mündlichen Verhandlung zusätzlich folgenden Sachverhalt fest: In den von der mitbeteiligten Partei untervermieteten Zimmern fänden sexuelle Handlungen am eigenen Körper bzw die Vornahme von sexuellen Handlungen an fremden Körpern durch bzw mit den jeweils anwesenden Damen statt, welche Zimmer von der mitbeteiligten Partei (stundenweise) untervermietet bekämen. Diese Zimmer seien mit einem Massagetisch ausgestattet. Beispielsweise werde in diesen Zimmern klassischer Geschlechtsverkehr oder Massagen mit "Happy-Ending" ("Handentspannung") durchgeführt. Mieteten die Damen von der mitbeteiligten Partei keine Zimmer, so habe sie auch keine Einnahmen, aber dennoch die Betriebskosten des Gebäudes (und sonstige Nebenkosten) zu zahlen. Weiters habe die Verhandlung ergeben, dass die mitbeteiligte Partei über das bloße Zurverfügungstellen von Raum auch Kenntnis über die Tätigkeit der Damen in den Zimmern habe. Insbesondere sei die Mobiltelefonnummer der mitbeteiligten Partei auf mehreren Online-Auftritten des Massagestudios O als Kontakt angeführt und noch aktiv. Die von der mitbeteiligten Partei selbst initiierte (und nach ihrer Aussage nicht mehr aktive) Homepage weise ua die Worte: Doktorspiele, Rollenspiele, Prostatamassage, Analmassage, Orgasmus, Masseurin etc aus. Die mitbeteiligte Partei nehme auch eingehende Anrufe entgegen und erörterte das Leistungsspektrum des Studios, die Öffnungszeiten, die anwesenden Damen und die sonstigen Modalitäten. Körperlich anwesend sei die mitbeteiligte Partei im Studio nur selten. Die mitbeteiligte Partei habe nach zunächst erfolgtem Leugnen zugestanden, dass die Mobiltelefonnummer, die sich auch auf der Homepage befinde, ihre Handynummer sei.

7 Eine Legaldefinition für den Begriff des "Betreibens" im Zusammenhang mit den Regelungen betreffend Bordelle im SDLG finde sich in diesem Gesetz nicht. Nach dem Wortsinn betreibe jemand ein Bordell, wenn er die Anbahnung und Ausübung der Prostitution im Rahmen eines ihm zuzurechnenden Betriebes mit der Absicht, daraus wirtschaftlichen Vorteil zu ziehen, ermögliche (VwGH vom 4. September 2000, 97/10/0222 (VwSlg 15.485 A/2000)). Der Begriff Betrieb setze ein Mindestmaß einer auf die Anbahnung und Ausübung der Prostitution gerichteten Organisation voraus, zuzurechnen sei der Betrieb demjenigen, auf dessen Rechnung und Gefahr die Erwerbsgelegenheit geführt werde (vgl weiters VwGH vom 25. April 2001, 98/10/0042; VwGH vom 29. Jänner 2014, 2012/01/0053). Die Tathandlung des § 17 Abs 1 Z 1 SDLG, wonach eine Verwaltungsübertretung begeht, wer ein Bordell ohne Bewilligung betreibe, sei sohin als vielschichtig und komplex zu erkennen. Es müsse einerseits die Anbahnung und Ausübung der Prostitution ermöglicht werden (1). Diese Ermöglichung müsse im Rahmen eines Betriebs (2) erfolgen, der der mitbeteiligten Partei zuzurechnen sei (3). Diese Zurechnung setze einerseits (a) einen tauglichen Betrieb voraus (ein Mindestmaß an auf die Anbahnung bzw Ausübung ausgerichtete Organisation) und erfordere andererseits (b) die Tragung des wirtschaftlichen Risikos der Erwerbsgelegenheit (nicht: die Anbahnung bzw Ausübung der Prostitution selbst). Diese im Objektiven liegenden Tatbestandselemente würden um ein subjektives Element ergänzt. Die mitbeteiligte Partei müsse diese Anbahnung bzw Ausübung der Prostitution in einem ihr zurechenbaren Betrieb mit der Absicht, hieraus einen wirtschaftlichen Vorteil zu ziehen, ermöglichen. Der unter diese Tathandlung zu subsumierende Lebenssachverhalt (die Tat) setze sich daher ebenso aus mehreren Teilen zusammen und erschöpfe sich nicht in der Ausführung des Wortes "betreiben", was (lediglich) die Wiedergabe der Umschreibung in § 17 Abs 1 Z 1 SDLG darstelle. Dies sei auch vor dem Hintergrund des § 17 Abs 2 SDLG geboten. Hier werde der Versuch für strafbar erklärt; um die noch straflose Vorbereitungsphase der Tat vom bereits strafbaren Versuch abgrenzen zu können, seien einerseits rechtlich die Grenzen der Tathandlung genau zu beschreiben und andererseits sei die zugrunde gelegte Tat (der Lebenssachverhalt) ebenso genau zu umreißen. Nach § 44a Z 1 VStG sei die als erwiesen angenommene Tat der den Delikttatbestand erfüllende Sachverhalt ("§ 44a Z 2 VStG = Verwaltungsvorschrift, die übertreten wurde"). Der Beschuldigte habe in diesem Sinn das Recht, dass ihm die Tat richtig und vollständig vorgehalten werde. Die Umschreibung der Tat habe bereits im Spruch zu erfolgen und müsse so präzise sein, dass die betroffene Person nicht der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt sei, sie müsse sich auch entsprechend verteidigen können. Die Tatanlastung müsse somit alle Tatbestandselemente umfassen und dürfe keinen Zweifel daran lassen, wofür der Täter bestraft worden sei. Es sei daher für die Bezeichnung der Tat in tatsächlicher Hinsicht erforderlich, das Geschehen, also jenes eine Vorschrift übertretende Verhalten der mitbeteiligten Partei, zu umschreiben. Diese Umschreibung sei sodann der Verwaltungsvorschrift zu unterstellen. Das Nachschärfen der Umschreibung der Tat sei vor dem Hintergrund des Schutzzweckes des § 44a VStG begrenzt; einerseits dürfe die Tat nicht ausgetauscht werden, andererseits sei ein Ergänzen bzw Nachschärfen der Tat nur im Rahmen der Verfolgungsverjährung zulässig. Speziell das Anführen der Tathandlung durch die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts erscheine als unzureichend. Da im Spruch des Bescheides der BH und auch in der Aufforderung zur Rechtfertigung für die Tathandlung selbst kein Lebenssachverhalt über die Anführung der Tatzeit und des Tatortes hinaus vorhanden sei, komme jede Änderung hier einem Austausch der Tat gleich. Innerhalb des Zeitraums der Verfolgungsverjährung sei von der BH sohin keine taugliche Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG gesetzt worden, die die erforderliche Tat(handlungs)umschreibung enthalte. Dem Verwaltungsgericht sei es verwehrt, die Tat im Spruch des Bescheides der BH zu ergänzen.

8 Da die vorliegende Entscheidung von der ohnehin vorhandenen und nicht uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweiche, sei die ordentliche Revision dagegen nicht zulässig.

9 C. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der BH. Zur Zulässigkeit dieser Revision wird ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht entgegen seiner Darstellung von der in seiner Entscheidung zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich des Betreibens von Bordellen ohne entsprechende Bewilligung abgewichen sei. Die in diesen Fällen jeweils zugrunde liegende Ausgangslage sei hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und der Spruchformulierung mit dem Bescheid der BH vom 23. Februar 2015 vergleichbar.

10 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung beitrat.

II. Rechtslage

11 Die im vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen des Oö Sexualdienstleistungsgesetzes, LGBl Nr 4/2013 idF

LGBl Nr 90/2013 (SDLG), lauten auszugsweise:

"§ 1

Geltungsbereich

(1) Dieses Landesgesetz regelt die Anbahnung und Ausübung von Sexualdienstleistungen sowie den Betrieb von Peep-Shows.

(2) Soweit durch Bestimmungen dieses Landesgesetzes der Zuständigkeitsbereich des Bundes berührt wird, sind sie so auszulegen, dass sich keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung ergibt."

"§ 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

1. Sexualdienstleistung: Die gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen.

2. Anbahnung der Sexualdienstleistung: Ein Verhalten, das die Absicht erkennen lässt, eine Sexualdienstleistung ausüben zu wollen.

3. Gewerbsmäßigkeit: Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn die Anbahnung, Duldung oder Handlung wiederholt zu dem Zweck erfolgt, sich eine, wenn auch nicht regelmäßige, Einnahme zu verschaffen.

4. Bordell: Betrieb, in dem die Sexualdienstleistung durch eine oder mehrere Personen angebahnt oder ausgeübt wird.

5. Bordellähnliche Einrichtungen: Insbesondere Häuser, in denen Personen in angemieteten Zimmern oder Wohnungen voneinander unabhängig Sexualdienstleistungen anbahnen oder ausüben (Laufhäuser); bordellähnliche Einrichtungen gelten als Bordell.

..."

"BORDELLE

§ 4

Bewilligungspflicht

(1) Ein Bordell darf nur mit Bewilligung der Gemeinde betrieben werden (Bordellbewilligung). Jede wesentliche Änderung des Bordellbetriebs bedarf vor ihrer Ausführung ebenfalls der Bewilligung.

..."

"§ 17

Strafbestimmungen

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, wer

  1. 1. ein Bordell ohne Bewilligung betreibt;
  2. 2. eine Peep-Show ohne Bewilligung betreibt;

    ...

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind mit Geldstrafe bis 10.000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis 20.000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

..."

III. Erwägungen

12 A. Wenn die BH zur Frage der Zulässigkeit ihrer Amtsrevision auf konkrete Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs und damit auf deren Inhalt hinweist, von denen die in Revision gezogene Entscheidung abweiche, wird entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Partei hinreichend substantiiert dargetan, dass nach Auffassung der Revision ein Fall der Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs iSd Art 133 Abs 4 B-VG vorliege. Die Amtsrevision ist somit entgegen der mitbeteiligten Partei zulässig und - wie sich aus dem Folgenden ergibt - auch begründet.

13 B. Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 VStG) vorgenommen wurde. Die Verjährungsfrist beträgt bei Übertretungen des SDLG zufolge des § 31 Abs 1 VStG ein Jahr. Diese Frist ist ab dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt (vgl § 31 Abs 1 zweiter Satz VStG). Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als beschuldigte Person gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u dgl) und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder die beschuldigte Person davon keine Kenntnis erlangt hat. Eine Verfolgungshandlung hat sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente zu beziehen, hingegen ist es nicht erforderlich, der beschuldigten Person die Subsumtion der ihr angelasteten Übertretung zur Kenntnis zu bringen; die rechtliche Qualifikation der angelasteten Verwaltungsübertretung ist für die Verfolgungsverjährung bedeutungslos. Eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs 2 VStG ist auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzenden Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen; die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich (vgl in diesem Zusammenhang etwa VwGH vom 30. Jänner 2015, Ro 2014/02/0121; VwGH vom 21. Oktober 2014, Ra 2014/03/0006; VwGH vom 25. März 2009, 2009/03/0024; VwGH vom 28. Mai 2014, 2012/07/0033; VwGH vom 30. Juni 2006, 2003/03/0033).

14 Der vom Verwaltungsgericht ebenfalls herangezogenen Bestimmung des § 44a Z 1 VStG wird - aus Rechtschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Strafbescheides bzw der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren (gegebenenfalls auch einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, die beschuldigte (bestrafte) Person rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Diese Rechtschutzüberlegungen sind auch für die Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG gegeben ist. Das bedeutet, dass die der beschuldigten Person vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit diese in die Lage versetzt wird, dem Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit ihr Rechtschutzinteresse zu wahren (vgl etwa VwGH vom 28. Mai 2014, 2012/07/0033).

15 C. Auf dem Boden dieser Rechtslage erweist sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts als verfehlt.

16 Da auf dem Boden des § 2 Z 5 SDLG bordellähnliche Einrichtungen als Bordell gelten, wobei bei solchen Einrichtungen insbesondere Häuser zu verstehen sind, in denen Personen in angemieteten Zimmern oder Wohnungen voneinander unabhängig Sexualdienstleistungen anbahnen oder ausüben, kann nicht gesehen werden, dass der sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung als auch im Strafbescheid der BH erhobene Tatvorwurf gegenüber der mitbeteiligten Partei, ohne Bewilligung ein Bordell zu betreiben, in dem Sexualdienstleistungen durch eine oder mehrere Personen angebahnt oder ausgeübt werden, nicht dem Tatbild des § 17 Abs 1 Z 1 SDLG entsprechen würde, wonach eine Verwaltungsübertretung begeht, wer ein Bordell ohne Bewilligung betreibt.

17 Wie die BH zutreffend darlegte, betreibt ein Bordell iSd § 2 Z 4 und Z 5 SDLG, wer die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution im Rahmen eines ihm zurechenbaren Betriebes mit der Absicht ermöglicht, daraus wirtschaftlichen Vorteil zu ziehen. Der Begriff "Betrieb" setzt ein Mindestmaß einer auf die Anbahnung und Ausübung der Prostitution gerichteten Organisation voraus; zuzurechnen ist der Betrieb demjenigen, auf dessen Rechnung und Gefahr die Erwerbsgelegenheit geführt wird (insofern einschlägig das Erkenntnis zum Kärntner Prostitutionsgesetz VwGH vom 29. Jänner 2014, 2012/01/0053). Ein diesem Verhalten entsprechender Vorwurf in einer Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG wird hinreichend mit der Umschreibung "Betrieb" bzw "Betreiben" eines Bordells zum Ausdruck gebracht, zumal ein solcherart gefasster Vorwurf auf dem Boden des allgemeinen Sprachgebrauchs sachbereichsbezogen verständlich ist. Für bordellähnliche Einrichtungen iSd § 2 Z 5 SDLG ist das genannte Mindestmaß an Organisation zudem an der Besonderheit dieser Einrichtungsart zu messen. Auf dem Boden der insofern unstrittigen Feststellungen hat die mitbeteiligte Partei das dort beschriebene, für den Betrieb einer bordellähnlichen Einrichtung jedenfalls ausreichende Verhalten gesetzt. Da bei bordellähnlichen Einrichtungen nach § 2 Z 5 SDLG der Betrieb auf die Zurverfügungstellung von angemieteten Zimmern oder Wohnungen fokussiert ist, reicht es in diesem Zusammenhang im Übrigen für das Mindestmaß an Organisation aus, wenn die die Zimmer bzw Wohnungen mit der Absicht, daraus einen wirtschaftlichen Vorteil zu ziehen, zur Verfügung stellende Person um die Anbahnung bzw Ausübung von Sexualdienstleistungen wusste.

18 Angesichts der Angabe von Tatzeit und Tatort ist auch nicht erkennbar, dass eine Gefahr einer Doppelbestrafung bestünde. Dass diese Art des Tatvorwurfs die verfolgte Person in die Lage versetzt, sich entsprechend zu verteidigen, zeigt die Rechtfertigung der mitbeteiligten Partei gegenüber der innerhalb der Verjährungsfrist als Verfolgungshandlung erfolgten Aufforderung zur Rechtfertigung. Ausgehend davon entspricht der Tatvorwurf im Strafbescheid der BH auch dem § 44a Z 1 VStG.

IV. Ergebnis

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Wien, am 13. September 2016

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