VwGH Ra 2015/21/0133

VwGHRa 2015/21/013315.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des M B in L, vertreten durch Mag. Heimo Lindner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 35b, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. Juli 2015, Zl. G307 2110526- 1/3E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §67 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verhängte gegen den Revisionswerber, einen (laut eigener Aussage vom 19. Juni 2013) zuletzt seit Mai 2013 in Österreich aufhältigen tschechischen Staatsangehörigen, mit Bescheid vom 23. Juni 2015 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. Juli 2015 insoweit statt, als es die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf ein Jahr herabsetzte und dem Revisionswerber gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährte. Im Übrigen wies es die Beschwerde gemäß § 67 Abs. 1 FPG als unbegründet ab. Unter einem sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Revision erweist sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig, weil sie - wie im Folgenden dargelegt wird - der Sache nach zu Recht geltend macht, dass das Bundesverwaltungsgericht von der (ständigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist; die Revision ist daher auch berechtigt.

Gegen den Revisionswerber ist als EWR-Bürger die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß dem ersten bis vierten Satz des § 67 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039, Punkt 2.1. der Entscheidungsgründe, mwN, und daran anschließend die Erkenntnisse vom 22. Jänner 2015, Ra 2014/21/0052, Punkt 2. der Entscheidungsgründe, und vom 19. Mai 2015, Ra 2014/21/0057).

Das Bundesverwaltungsgericht stellte die dem Revisionswerber zur Last liegenden und den Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bildenden Straftaten im angefochtenen Erkenntnis nur dahin fest, dass die beiden Urteile jeweils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (richtig) vom 6. August 2013 und vom 22. Jänner 2015, die maßgeblichen Strafbestimmungen und die verhängten Strafen angeführt wurden. Das reicht - wie in der Revision zu Recht geltend gemacht wird - nicht für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose aus (so schon das hg. Erkenntnis vom 26. September 2006, Zl. 2004/21/0097, mwN, und darauf Bezug nehmend etwa das Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2007/21/0533; ebenso die Erkenntnisse vom 24. November 2009, Zl. 2009/21/0267, und vom 24. März 2015, Zl. Ra 2014/21/0049).

Daran ändert es nichts, dass inhaltlich noch "die Begehung eines gewerbsmäßigen Diebstahls" sowie - die letzte Verurteilung betreffend - eine "Mehrzahl der Angriffe" erwähnt werden. Vielmehr wären nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes konkrete Feststellungen zu den einzelnen, den Verurteilungen des Revisionswerbers zu Grunde liegenden Straftaten (darunter auch zu der in der Revision hervorgehobenen Höhe herbeigeführter Schäden) zu treffen gewesen.

Schon deshalb war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. Oktober 2015

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