VwGH Ra 2015/18/0212

VwGHRa 2015/18/02123.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision der S A M in L, vertreten durch Dr. Edda Obernosterer, Rechtsanwältin in 9900 Lienz, Egger-Lienz-Platz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2015, Zl. W149 1430368- 1/26E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

32011L0095 Status-RL Art11 Abs1 lite;
32011L0095 Status-RL Art11 Abs2;
32011L0095 Status-RL Art11;
32011L0095 Status-RL Art4 Abs4;
62008CJ0175 Salahadin Abdulla VORAB;
AsylG 1997 §7;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2;
EURallg;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnC;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015180212.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Somalias, beantragte am 15. Oktober 2011 internationalen Schutz in Österreich. Als Fluchtgrund brachte sie zusammengefasst vor, am 17. November 2010 von Al Shabaab-Milizen entführt und mit anderen Personen in einem Lager in der Nähe von Mogadischu zwei Monate lang festgehalten worden zu sein, weil sie in ihrem Heimatdorf, welches zwischen Mogadischu und Afgooye liege, ein Lokal bzw. eine Teestube betrieben habe, in der sie auch Kat serviert habe. Sie sei in der Folge von AMISOM-Soldaten befreit worden, habe sich jedoch nicht getraut, in ihr Heimatdorf zurückzukehren, weshalb sie in einen von den Regierungstruppen kontrollierten Stadtteil Mogadischus gebracht worden sei. Da sie allerdings aus einem von Al Shabaab kontrollierten Teil dorthin gekommen sei und einen Schleier getragen habe, sei sie von den Regierungstruppen dort verdächtigt worden, Unterstützerin der Islamisten zu sein, weshalb man sie habe verhaften wollen. Die Revisionswerberin habe sich daher zur Ausreise entschlossen.

2 Das Bundesasylamt (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Folgenden: BFA) wies den Antrag der Revisionswerberin mit Bescheid vom 18. September 2012 zur Gänze ab und wies die Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nach Somalia aus.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet ab. Gleichzeitig erkannte es der Revisionswerberin gemäß § 8 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu, erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung und behob die Ausweisung ersatzlos. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

Begründend hielt das BVwG unter anderem fest, die Revisionswerberin sei zu dem für ihre Flucht maßgeblichen Zeitpunkt einer Verfolgung durch Al Shabaab ausgesetzt gewesen. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass sie während der Kampfhandlungen im Jänner/März 2011 aufgrund ihrer Herkunft aus einem von Al Shabaab besetzten Gebiet und der Flucht aus einem kurz zuvor noch von Al Shabaab dominierten Stadtteil von Mogadischu verdächtigt worden sein könnte, Unterstützerin der Islamisten zu sein. Entscheidend für die Gewährung von Asyl sei jedoch nur die begründete Furcht vor aktueller "systematischer" Verfolgung der behaupteten Art. Zum Vorbringen des Rechtsvertreters der Revisionswerberin in der Verhandlung, wonach sich bei festgestellter zurückliegender Verfolgung aus Art. 4 Abs. 4 der Statusrichtlinie eine - nur durch einen Gegenbeweis widerlegbare - gesetzliche Vermutung einer weiterbestehenden Verfolgung ergebe, führte das BVwG aus, es beachte ohnehin bei der Prüfung der Einzelfälle die von der Richtlinie geforderte Indizwirkung einer bewiesenen früheren Verfolgung. Die besagte Richtlinie sehe darüber hinaus ausdrücklich eine Widerlegbarkeit (arg. "es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen") vor, die vor allem auch durch geänderte Umstände im Herkunftsland erfolgen könne.

Seit der Flucht der Revisionswerberin seien mehrere Jahre vergangen und Al Shabaab habe die vollständige Kontrolle über weite Gebiete Somalias mittlerweile verloren. Es sei daher kaum zu erwarten, dass es gerade in der Region, aus der die Revisionswerberin stamme, noch Al Shabaab-Mitglieder gebe, die sich an sie erinnern und sie wegen des - immerhin aufgegebenen - früheren Betriebes eines als "unislamisch" angesehenen Straßencafes weiter "organisiert" verfolgen würden. Aus den Länderfeststellungen ergebe sich auch nicht, dass ein solches Vorgehen der Al Shabaab in Bezug auf lange zurückliegende Vorfälle und in Gebieten, die nicht mehr vollständig unter ihrer Kontrolle liegen würden, bekannt wäre. Dasselbe gelte für die Furcht vor Verfolgung durch die Regierungstruppen. Die damalige Furcht habe auf den speziellen Umständen der damaligen Kampfsituation um Mogadischu beruht. Diese sei nach den Länderfeststellungen seit der Übernahme der Kontrolle durch die AMISOM und die Regierungstruppen im Jahr 2012 nicht mehr gegeben. Es gebe auch keine Hinweise dafür, dass die Revisionswerberin bei einer Rückkehr wegen ihrer Eigenschaft als "alleinstehende, sorgeverpflichtete Frau aus einem Minderheiten-Clan ohne familiäres Netzwerk" oder allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit verfolgt werden könnte; ebensowenig könne aus der vergangenen Verfolgung durch die Al Shabaab geschlossen werden, dass die Revisionswerberin bei einer Rückkehr nach Somalia auch noch zum Entscheidungszeitpunkt wegen ihrer Eigenschaft als Frau individuelle Verfolgung zu erwarten hätte. Insgesamt komme das BVwG zu der Erkenntnis, dass eine etwaige Furcht der Revisionswerberin, es könne ihr bei einer Rückkehr asylrelevante Verfolgung drohen, nicht als "wohlbegründet" im Sinne der maßgeblichen Rechtsgrundlagen und Judikatur angesehen werden könne. Die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten stützte das BVwG in weiterer Folge darauf, dass Al Shabaab in der Herkunftsregion der Revisionswerberin, in Lower Shabelle, einem ländlichen Gebiet nahe der umkämpften Verbindungsstraße zwischen Mogadischu und Afgooye, seit dem vergangenen Jahr wieder vermehrt Kämpfe ausführe und Anschläge verübe, der sich die Revisionswerberin praktisch nicht entziehen könne. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 bestehe zudem nicht, weil die Revisionswerberin in Mogadischu mangels unterstützender Verwandtschaft über kein soziales Netzwerk verfüge und daher keine Lebensgrundlage finden würde. Zudem wäre sie als alleinstehende Frau und Binnenvertriebene dort in einer besonders gefährlichen Lage.

4 Gegen die Abweisung der Beschwerde im Hinblick auf Asyl richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Aktualität der Verfolgungsgefahr abgewichen bzw. es fehle Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 4 der Statusrichtlinie, wonach eine einmal festgestellte zurückliegende Verfolgung einen ernsthaften Hinweis auf eine aktuelle Verfolgung begründe. Es stelle sich die Frage, welche Bedeutung diese Regelung für die Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung habe und ob damit eine gesetzliche (widerlegbare) Vermutung aufgestellt werde, wonach eine aktuelle Verfolgung stets dann anzunehmen sei, wenn eine asylrelevante Verfolgung in der Vergangenheit bestanden habe, es sei denn, es würden gewichtige, konkrete Gründe dagegen sprechen.

5 Die belangte Behörde vor dem BVwG erstattete keine Revisionsbeantwortung.

6 Die Revision ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. 7 Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen

Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Neufassung (in der Folge: Statusrichtlinie), welche seit 9. Jänner 2012 in Kraft ist und bis 21. Dezember 2013 in innerstaatliches Recht umzusetzen war, lautet:

"Artikel 4

Prüfung der Tatsachen und Umstände

(...)

(4) Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird."

8 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits wegen Unzuständigkeit Österreichs (§§ 4, 4a oder 5) zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

9 Gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003).

11 Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass die Revisionswerberin bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher die Revisionswerberin im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. - im vorliegenden Fall - des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. in diesem Sinne auch Hathaway/Foster, The Law of Refugee Status2 (2014), etwa 123, 162 und 165, wonach das Kriterium der wohlbegründeten Furcht vorausschauender Natur sei; vgl. auch Goodwin-Gill/McAdam, The Refugee in International Law3 (2007), 54).

12 Wenn Art. 4 Abs. 4 der Statusrichtlinie vorsieht, dass eine Vorverfolgung der schutzsuchenden Person einen "ernsthaften Hinweis" (in der englischen Sprachfassung: "a serious indication", in der französischen Sprachfassung: "un indice serieux") für die Begründetheit der Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens darstellt, so handelt es sich dabei lediglich um ein Indiz für die in freier Beweiswürdigung durch die Asylbehörde bzw. das Gericht zu treffenden Sachverhaltsfeststellungen aufgrund deren die Beurteilung vorzunehmen ist, ob dem oder der Betroffenen bei Rückkehr weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im asylrechtlichen Sinn oder ein ernsthafter Schaden als Voraussetzung des subsidiären Schutzes drohen könnte. Liegen dem Gericht "stichhaltige Gründe" (in der englischen Sprachfassung:

"good reasons", in der französischen Sprachfassung: "bonnes raisons") vor, die gegen eine weitere Verfolgung sprechen, kommt dem Umstand einer Vorverfolgung hingegen keine entscheidende Beweiskraft mehr zu (vgl. zur Vorverfolgung unter dem Aspekt der "Beweiskraft" etwa EuGH vom 2. März 2010, Rs. C-175/08  u.a., Abdulla u.a., RNr. 94).

13 Das in Bezug auf die Aktualität der Verfolgung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom BVwG erzielte Ergebnis - es liege im Fall der Revisionswerberin keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung mehr vor - kann angesichts der vom BVwG angestellten Überlegungen zum zeitlichen Abstand zur Verfolgung, dem Kontrollverlust und den aktuellen Aktivitäten der Al Shabaab im Herkunftsgebiet der Revisionswerberin nicht als unvertretbar angesehen werden. Die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung liegt somit nicht vor.

14 Der in der Revision vorgebrachten, den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge konzedierten Gefahr einer Rückeroberung von bereits verlorenen Gebieten durch die Al Shabaab im Zuge der volatilen Sicherheitslage hat das BVwG durch die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigen Rechnung getragen, eine aktuell zu befürchtende individuelle Verfolgung jedoch mit plausibler Begründung, der weder in der Beschwerde noch in der Revision substantiiert entgegengetreten worden ist, verneint.

15 Sofern das Revisionsvorbringen darauf abzielt, im Fall einer festgestellten Vorverfolgung eine zwingend vorzunehmende Prüfung von Endigungsgründen anhand des dabei anzuwendenden Maßstabs schon im Rahmen des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz einzufordern, ist zur Klarstellung festzuhalten, dass die Beurteilung, ob einem Antragsteller der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist (§ 3 AsylG 2005), grundsätzlich nicht mit der Prüfung des Vorliegens von Endigungsgründen im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 gleichzusetzen ist. Auch der EuGH hat in seiner Entscheidung Abdulla diesbezüglich eine klare Abgrenzung vorgenommen (vgl. EuGH vom 2. März 2010, Rs. C-175/08  u.a., Abdulla u.a., betreffend Art. 4 Abs. 4 und Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG  - Statusrichtlinie aF, welche in der Neufassung unverändert geblieben sind).

16 Im nationalen Recht sah vor Inkrafttreten des AsylG 2005 zwar § 7 Asylgesetz 1997 noch vor, dass die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren hatte, wenn glaubhaft war, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK) drohte "und" keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorlag.

17 Vor diesem Hintergrund ging der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur zum AsylG 1997 davon aus, dass ein Asylwerber im Entscheidungszeitpunkt Flüchtling im Sinne der Flüchtlingskonvention war, wenn er die Flüchtlingseigenschaft - in der Regel mit dem Verlassen des Herkunftsstaates - erworben hatte und kein Endigungstatbestand erfüllt war (vgl. dazu ausführlich etwa VwSlg. 16084 A/2003, sowie jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046). Das Fehlen eines Endigungsgrundes war nach dem AsylG 1997 somit Voraussetzung für die Anerkennung als Asylberechtigter und folglich auch bereits im Rahmen der Asylgewährung zu prüfen.

18 Nunmehr normiert § 3 Abs. 1 AsylG 2005 jedoch, dass dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Eine Bezugnahme auf die Endigungstatbestände enthält § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ausdrücklich nicht mehr. Aus diesem Grund ist auch die dargestellte relevante Judikatur zum AsylG 1997 insoweit nicht auf die - hier maßgebliche - Rechtslage seit Inkrafttreten des AsylG 2005 übertragbar.

19 Auch aus der Statusrichtlinie ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Erlöschenstatbestände (Art. 11 Statusrichtlinie) bereits im Verfahren über die (erstmalige) Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit zu prüfen wären.

20 Die fallbezogen - bei Wegfall der Verfolgung - in Betracht kommende Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 lit. e Statusrichtlinie lautet:

"Ein Drittstaatsangehöriger oder eine Staatenloser ist nicht mehr Flüchtling, wenn er (...) e) nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (...)."

Abs. 2 lautet:

"Bei der Prüfung von Absatz 1 Buchstaben e und f haben die Mitgliedstaaten zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann."

21 Dementsprechend ist bei der Prüfung nach Art. 11 Abs. 1 lit. e Statusrichtlinie von einem erhöhten Maßstab (erhebliche und nicht nur vorübergehende Veränderung der Umstände) auszugehen (vgl. dazu die auch im Rahmen der Statusrichtlinie zu beachtenden Kriterien laut UNHCR-Richtlinien zum Internationalen Schutz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) und (6) GFK (‚Wegfall der Umstände'-Klauseln)).

22 Aus dem klaren Wortlaut ("...Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist...", Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof) dieser Bestimmung der Statusrichtlinie (Art. 11 Abs. 1 lit. e) ergibt sich allerdings, dass Endigungstatbestände erst dann zum Tragen kommen können, wenn einem Asylwerber bereits der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, somit erst nachdem sein Anerkennungsverfahren abgeschlossen wurde, nicht jedoch bereits im Zuge des Anerkennungsverfahrens.

23 Im Hinblick auf die oben dargestellte durch das AsylG 2005 erfolgte Änderung der österreichischen Rechtslage wurde diesen Vorgaben der Statusrichtlinie bei der Prüfung der vorgebrachten Tatsachen und Umstände im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz Rechnung getragen.

24 Zusammengefasst ist daher im Fall einer festgestellten Vorverfolgung der Wegfall der Verfolgung aufgrund geänderter Umstände im Herkunftsland des Asylwerbers im laufenden Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen der Prognoseentscheidung zu berücksichtigen, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Endigungsgründe nach Art. 1 Abschnitt C GFK iVm § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 bzw. Art. 11 Abs. 1 lit. e iVm Abs. 2 Statusrichtlinie zu prüfen.

25 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 3. Mai 2016

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