VwGH Ra 2015/17/0036

VwGHRa 2015/17/003610.2.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 27. April 2015, LVwG-NK-14-0095, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft N; mitbeteiligte Partei: E, Bulgarien, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1;
GSpG 1989 §52 Abs3 idF 2014/I/013;
GSpG 1989 §54 idF 2010/I/073;
VStG §1 Abs1;
GSpG 1989 §52 Abs1;
GSpG 1989 §52 Abs3 idF 2014/I/013;
GSpG 1989 §54 idF 2010/I/073;
VStG §1 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. August 2014 ordnete die belangte Behörde die Einziehung des anlässlich einer Kontrolle am 23. April 2013 in einem näher bezeichneten Lokal gemäß § 53 Abs 2 Glücksspielgesetz (GSpG) beschlagnahmten, näher bezeichneten Glücksspielgerätes an, welches im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehe.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es seien beim verfahrensgegenständlichen Glücksspielgerät Höchsteinsätze von über EUR 10,-- möglich gewesen. Ein fortgesetzter Verstoß gegen das Glücksspielgesetz habe von 7. Jänner bis 23. April 2013 stattgefunden.

Voraussetzung für eine Einziehung nach § 54 Abs 1 GSpG sei, dass es sich hierbei um einen Gegenstand handle, mit dem gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen worden sei, was im Einziehungsverfahren selbständig zu beurteilen sei. Zwar sei unter Zugrundelegung der Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichtshofs (Hinweis auf VfGH vom 13. Juni 2013, B 422/2013) bei Einsätzen von über EUR 10,-- pro Spiel oder bei Serienspielen eine gerichtliche Strafbarkeit nach § 168 StGB gegeben, mit BGBl I Nr 13/2014 sei § 52 GSpG jedoch insofern geändert worden, als nur nach der Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 zu bestrafen sei, sofern durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht sei.

Über Beschwerde der mitbeteiligten Partei behob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den erstinstanzlichen Einziehungsbescheid und führte im Wesentlichen begründend aus, von den Organen der Finanzpolizei sei ein Testspiel durchgeführt und dabei ein Maximaleinsatz von EUR 10,50 festgestellt worden. Die gegenständliche Tathandlung sei unter Zugrundelegung der vor dem 1. März 2014 geltenden Gesetzeslage und der darauf basierenden einhelligen Judikatur der Höchstgerichte verwaltungsstrafrechtlich nicht zu ahnden gewesen, da aufgrund ausschließlicher Gerichtszuständigkeit eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung dem Doppelbestrafungsverbot widersprochen hätte. Da im Rahmen des gegenständlichen Einziehungsverfahrens selbständig zu beurteilen sei, ob eine Übertretung nach § 52 Abs 1 GSpG vorliege, sei auch irrelevant, ob und in welcher Form die Verwaltungsstrafverfahren, so insbesondere jenes gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei, (rechtskräftig) beendet worden seien. Da nach dieser (alten) Rechtslage mit den verfahrensgegenständlichen Gegenständen sohin nicht gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen worden sei, scheide auch eine Einziehung dieser Gegenstände nach § 54 Abs 1 GSpG unter Zugrundelegung dieser (alten) Rechtslage aus. Demnach ergebe sich zweifellos, dass - soweit es das Einziehungsverfahren betreffe - diese (alte) Rechtslage für die mitbeteiligte Partei günstiger sei, ohne weiter darauf eingehen zu müssen, ob nach der nunmehr geltenden Rechtslage überhaupt im konkreten Fall (allenfalls auch) von einer Verwaltungsübertretung auszugehen gewesen wäre. Der erstinstanzliche Einziehungsbescheid sei deshalb aufzuheben gewesen.

Gleichzeitig erachtete das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die ordentliche Revision für unzulässig.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht legte die Akten vor. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsvorschriften wird zunächst auf das hg Erkenntnis vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/17/0068, verwiesen.

§ 54 Abs 1 GSpG idF BGBl I Nr 73/2010 lautet:

"Einziehung

§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.

..."

Zur Zulässigkeit der Revision:

Die Revision erweist sich im Hinblick auf die im Zusammenhang mit der Strafbarkeit der verfahrensgegenständlichen Tat als Verwaltungsübertretung, an die § 54 Abs 1 GSpG anknüpft, aufgeworfene Frage, ob die Anwendung des zum Zeitpunkt der Erlassung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Kraft stehenden § 52 Abs 1 Z 1 und Abs 3 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 13/2014 auf den Revisionsfall geboten war, als zulässig.

In der Sache:

Auch wenn die Einziehung nach § 54 GSpG unabhängig von einer Bestrafung eines Beschuldigten vorgesehen ist und nach den Erläuterungen zu § 54 GSpG in der Fassung BGBl I Nr 73/2010 eine Sicherungsmaßnahme und keine Strafe darstellen soll (657 BlgNR 24. GP , zu Z 20 und 24 (§ 54 und § 60 Abs 25 GSpG)), hängt sie doch gemäß § 54 Abs 1 GSpG von der Verwirklichung eines Tatbilds nach § 52 Abs 1 GSpG ab, da sie voraussetzt, dass mit dem von der Einziehung betroffenen Gegenstand "gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs 1 verstoßen wird" und der Verstoß überdies nicht geringfügig sein durfte. Auch wenn in den erwähnten Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle zum GSpG mit BGBl I Nr 73/2010 hervorgehoben wird, dass kein Zusammenhang zu "dem" Strafverfahren bestehe, setzt sie nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes die Verwirklichung eines der Tatbestände des § 52 Abs 1 GSpG voraus (vgl VwGH vom 22. August 2012, 2011/17/0323).

Eine Einziehung nach § 54 GSpG ist daher jedenfalls dann rechtswidrig, wenn die Anlasstat im Zeitpunkt ihrer Begehung nicht mit Strafe bedroht war (vgl § 1 Abs 1 VStG). Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/17/0068, auf das gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, kann der Rechtssatz des § 1 Abs 1 VStG, dass als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden kann, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, im systematischen Zusammenhang nur bedeuten, dass die Tat zur Zeit der Begehung den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung gebildet hat, dh einer Übertretung, die von solchen Behörden zu ahnden ist, auf die das Verwaltungsstrafgesetz Anwendung findet.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat für die Tat, die im vorliegenden Revisionsfall als Anknüpfungspunkt für die Einziehung nach § 54 Abs 1 GSpG dienen könnte, als Tatzeitraum 7. Jänner 2013 bis 23. April 2013 angenommen.

Nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich waren an dem verfahrensgegenständlichen Glücksspielgerät Höchsteinsätze von über EUR 10,-- möglich.

Da im Zeitraum der Tatbegehung eine von einer Verwaltungsbehörde bzw von einem Verwaltungsgericht zu ahndende strafbare Handlung nicht vorlag (vgl ein weiteres Mal VwGH vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/17/0068, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird), wurde gegen eine Bestimmung des § 52 Abs 1 GSpG nicht verstoßen.

Die Anlasstat, an die die Einziehung nach § 54 Abs 1 GSpG anknüpft, hätte daher nicht als Verwaltungsübertretung bestraft werden können.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/17/0068, ausgesprochen hat, führt auch die zwischen Tatzeit und Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts eingetretene Änderung der Zuständigkeit zwischen Verwaltungsbehörden und Strafgerichten für die Bestrafung durch § 52 Abs 3 GSpG idF der Novelle BGBl I Nr 13/2014 nicht zur Heranziehung des Günstigkeitsprinzips im Revisionsfall, weil eine Bestrafung schon unter Anwendung einer einfachgesetzlichen Bestimmung (§ 1 Abs 1 VStG) ausgeschlossen ist.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat daher zu Recht ausgehend von der maximal möglichen Einsatzhöhe von über EUR 10,-- und der damit auf Grund des hier vorliegenden Tatzeitraums verbundenen ausschließlichen gerichtlichen Strafbarkeit nicht die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden für die Einziehung nach § 54 Abs 1 GSpG angenommen und den erstinstanzlichen Bescheid behoben.

Die Revision war somit als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 10. Februar 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte