VwGH Ra 2015/08/0206

VwGHRa 2015/08/020617.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofrätin Dr. Julcher sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 5. Oktober 2015, Zl. LVwG-S-2226/001-2015, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung; mitbeteiligte Partei: Z Z in Wien, vertreten durch Dr. Alice Gao, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 88-90/ Top 11), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §35 Abs1;
ASVG §35;
ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §35 Abs1;
ASVG §35;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 15. Juli 2015 in vier Fällen gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG bestraft, weil sie als Dienstgeberin vier namentlich genannte Personen in ihrem Lokal als Putzkräfte beschäftigt habe, ohne sie vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde, in der sie vorbrachte, dass es sich bei den vier Personen um Angehörige der bei ihr beschäftigten Reinigungskraft S.A. gehandelt habe. Diese seien ohne Erlaubnis und ohne Wissen der Mitbeteiligten in das Lokal gelangt und hätten die Arbeit von S.A. verrichtet, ohne von der Mitbeteiligten beauftragt oder bezahlt worden zu sein.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Beschwerde Folge und stellte das Strafverfahren ein. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, dass ihm das Beschwerdevorbringen "aufgrund der Aktenlage als durchaus glaubwürdig und nachvollziehbar" erscheine. So sei aktenkundig, dass sich die Mitbeteiligte am Kontrolltag auf Urlaub und nicht in ihrem Lokal in Österreich befunden habe. Aktenkundig sei auch, dass sich die von der Mitbeteiligten als Arbeitnehmerin angemeldete Reinigungskraft S.A. am Tag der Kontrolle im Krankenstand befunden habe. Die im Lokal angetroffenen vier Personen hätten angegeben, S.A. zu helfen bzw. für diese zu arbeiten. Den Lokalschlüssel hätten sie von S.A. erhalten.

Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes sei daher bereits auf Grund der Aktenlage "erweislich", dass sich die Mitbeteiligte hinsichtlich der angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht verantwortlich zeichne. Vielmehr sei für die Tätigkeit der vier Personen S.A. verantwortlich.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Mitbeteiligte erwogen:

6 Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil das Landesverwaltungsgericht - wie auch die Revision hervorhebt - von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.

7 Zum einen wäre zu beachten gewesen, dass Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG derjenige ist, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird. Ein Beschäftigungsverhältnis wird in der Regel durch die Aufnahme der Beschäftigung im Betrieb des Dienstgebers begründet. Will der Dienstgeber das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses durch die Aufnahme einer Beschäftigung ohne seine Zustimmung bzw. ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung verhindern, so muss er ein wirksames Kontrollsystem errichten bzw. entsprechende Weisungen erteilen und deren Befolgung sicherstellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2014, Zl. 2012/08/0207, mwN). Das angefochtene Erkenntnis enthält aber keine Feststellungen betreffend derartige Maßnahmen der Mitbeteiligten oder betreffend Umstände, die von vornherein ihrer Dienstgebereigenschaft im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG entgegenstünden.

8 Zum anderen wäre das Landesverwaltungsgericht gemäß § 44 VwGVG verpflichtet gewesen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

9 Das angefochtene Erkenntnis war wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 17. März 2016

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