VwGH Ra 2015/08/0135

VwGHRa 2015/08/013523.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Mag. A N in L, vertreten durch die Holter-Wildfellner Rechtsanwälte OG in 4710 Grieskirchen, Uferstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 19. Juni 2015, LVwG- 300526/23/PY/SA, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:

Normen

ASVG §4 Abs2;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht die Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 33 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG zu drei Geldstrafen von je EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von je 36 Stunden), weil dieser als Dienstgeber unterlassen habe, drei von ihm am 29. Juni 2013 auf einem Anwesen seiner Ehefrau im Salzkammergut als Bauhelfer gegen Entgelt beschäftigte Personen (R P, S K und I A) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Vollversicherung anzumelden.

Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig.

2.2. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in mehreren Punkten behauptet wird.

3.1. Der Revisionswerber macht geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht vom Vorliegen eines Dienstverhältnisses aus und verneine unrichtig das Vorliegen eines Gefälligkeitsverhältnisses.

3.2. Wie das Verwaltungsgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs festgehalten hat, kann - wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, also arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten - von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne ausgegangen werden, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2012, 2010/08/0179). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substanziiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2013, 2012/08/0177).

Vorliegend verantwortet sich der Revisionswerber damit, dass die Arbeiten aus bloßer Gefälligkeit erbracht worden seien.

3.3. Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind nach der einhelligen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2012, 2012/08/0165).

Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen wurde den Arbeitern "als Gegenleistung" zugesagt, dass sie das Anwesen, auf dem die Bauarbeiten zu verrichten waren, später für einen Urlaubsaufenthalt nutzen könnten. Folglich wurde ein Sachbezug im Sinn der §§ 49 Abs. 1, 50 ASVG vereinbart, der die Unentgeltlichkeit der Leistungserbringung ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 2013, 2010/08/0229). Ein Gefälligkeitsdienst ist schon im Hinblick darauf zu verneinen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. August 2008, 2008/09/0119).

3.4. Im Übrigen spricht gegen die Annahme eines Gefälligkeitsdienstes auch der Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zwischen dem Revisionswerber und R P kein über einen bloß fallweisen Kontakt hinausgehendes besonderes Naheverhältnis - im Sinn einer spezifischen Bindung oder Nahebeziehung, die ein für die Erbringung von Gefälligkeitsdiensten nachvollziehbares Motiv bilden könnte - bestanden hat (vgl. abermals die hg. Erkenntnisse 2012/08/0177 und 2008/09/0119).

Mit S K und I A hat der Revisionswerber nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen vor dem Arbeitseinsatz überhaupt keinen Kontakt gehabt, sodass die behauptete Verrichtung der Arbeiten aus bloßer Gefälligkeit schon im Hinblick darauf jedenfalls ausgeschlossen erscheint.

4.1. Der Revisionswerber releviert, selbst wenn man von der Vereinbarung eines Sachbezugs (Gewährung eines Urlaubsaufenthalts) ausginge, wäre nur eine geringfügige Beschäftigung gegeben. Diese würde aber eine Meldepflicht nach § 33 Abs. 2 ASVG auslösen, dem Revisionswerber sei daher der "falsche" Straftatbestand des § 33 Abs. 1 ASVG angelastet worden.

4.2. Der Revisionswerber hat im Verfahren vor der Strafbehörde und vor dem Verwaltungsgericht keinerlei Vorbringen erstattet, dass die vereinbarte Gegenleistung einem unter der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG liegenden Entgelt entspreche. Die erstmals in der Revision erhobene diesbezügliche Behauptung verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG).

Davon abgesehen kann auch kein Zweifel bestehen, dass der Wert des vereinbarten Sachbezugs als Gegenleistung für die - laut dem Vorbringen nur für einen Tag vorgesehenen - Arbeiten jedenfalls die tägliche Geringfügigkeitsgrenze von EUR 29,70 überschritten hat.

5.1. Der Revisionswerber macht weiters geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen eines Dienstvertrags ausgegangen, seien doch alle Voraussetzungen für einen Werkvertrag erfüllt.

5.2. Das Verwaltungsgericht ist unter schlüssiger Würdigung der Beweisergebnisse auf fallbezogen nicht unvertretbare Weise zur Überzeugung gelangt, dass nach den im Sinn der ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 10. Dezember 1986, VwSlg. 12.325/A) anzuwendenden Abgrenzungskriterien, bezogen auf das Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung, vom Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG - und nicht etwa vom Vorliegen eines Werkvertrags - auszugehen ist (vgl. auch den hg. Beschluss vom 2. September 2015, Ra 2015/08/0073).

Im Übrigen hat der Revisionswerber auch nicht vorgebracht und ist nicht hervorgekommen, dass die Arbeiter - für einen Werkvertrag essenziell (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2014, 2012/08/0024) - einen "gewährleistungstauglichen" Erfolg der Tätigkeit geschuldet hätten und bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung den für einen Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt gewesen wären.

5.3. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers spricht auch der Umstand, dass die Arbeiten wegen der anstehenden Fortsetzung der Bauführung durch Fachunternehmen umgehend (an einem Wochenende) fertig zu stellen waren, nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses.

Nach den vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Tatsachenannahmen hat R P die beiden anderen Arbeiter mit Wissen und Willen des Revisionswerbers auf die Baustelle mitgenommen. Da der Revisionswerber den Arbeitern eine Vertretungsbefugnis nicht eingeräumt hat, ist auch die persönliche Arbeitspflicht nicht in Zweifel zu ziehen.

Zutreffend ist, dass die nicht gewerbliche Verrichtung der Arbeiten und die erfolgte Abgeltung der Fahrtspesen keine entscheidenden Abgrenzungskriterien darstellen, was aber der Qualifizierung der in Rede stehenden Rechtsverhältnisse als Dienstverhältnisse keinen Abbruch tut.

6.1. Soweit der Revisionswerber Verfahrensmängel behauptet, übersieht er, dass insofern die Zulässigkeit der Revision neben einem - eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden - Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision auch von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn die Relevanz für den Verfahrensausgang konkret dargetan wird (vgl. den hg. Beschluss vom 9. Februar 2015, Ra 2015/02/0014). Eine nicht weiter substanziierte Behauptung von Mängeln reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. den hg. Beschluss vom 19. Jänner 2016, Ra 2015/19/0226).

6.2. Vorliegend ist der Revision eine im soeben erörterten Sinn ausreichende Relevanzdarstellung nicht zu entnehmen. Der Revisionswerber legt nicht konkret und substanziiert dar, welche - vor dem Hintergrund der zu beantwortenden Rechtsfragen relevanten - tatsächlichen Angaben die unterbliebene Befragung des K H sowie die ergänzende Vernehmung des R P und des Revisionswerbers hätte erbringen sollen und inwieweit sich daraus eine für ihn günstigere Sachverhaltsgrundlage hätte ergeben können.

7.1. Soweit sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nur insofern zugänglich ist, als es um die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die diesbezügliche Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. den hg. Beschluss vom 16. August 2016, Ra 2015/08/0074).

7.2. Vorliegend hält die Beweiswürdigung den aufgezeigten Kriterien einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Basis der abgelegten Aussagen getroffen und dabei eine schlüssige Beweiswürdigung vorgenommen. Es kann keine Rede davon sein, dass diese Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre.

8. Insgesamt wird daher in der Revision keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 23. Oktober 2017

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