VwGH Ra 2015/03/0076

VwGHRa 2015/03/007630.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der B V, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 14. Juli 2015, Zl VGW- 102/069/34515/2014-4, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien),

Normen

SPG 1991 §40 Abs1;
SPG 1991 §40 Abs4;
VStG §36 Abs1;
VStG §39 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

zu Recht erkannt und beschlossen:

Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als damit die zugrunde liegende Maßnahmenbeschwerde im Punkt Dauer der Anhaltung und Beschlagnahme von Bargeld abgewiesen wurde (sowie hinsichtlich der Kostenentscheidung), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Das Land Wien hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1. 346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erhobene Maßnahmenbeschwerde der Revisionswerberin, die sich gegen die Festnahme und Anhaltung der Revisionswerberin, gegen die Anordnung, sich zu entkleiden und einer Leibesvisitation unterziehen zu lassen, sowie gegen die anlässlich der Anhaltung erfolgte Beschlagnahme von Bargeld gerichtet hatte, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs 6 VwGVG als unbegründet ab, verpflichtete die Revisionswerberin zum Kostenersatz und sprach aus, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision unzulässig sei.

2 Seiner Entscheidung legte das Verwaltungsgericht zusammengefasst folgenden Sachverhalt zu Grunde: Am 29. Oktober 2014 habe die Revisionswerberin um ca 11:40 Uhr bis ca 11:50 Uhr öffentlich an einer näher genannten Adresse in Wien in gewerbsmäßiger Weise um Geld gebettelt. Sie sei aus diesem Grund im Instanzenzug gemäß § 2 Abs 1 lit a des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes (WLSG) zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

3 Sie sei bulgarische Staatsangehörige und von zwei Organen der belangten Behörde, denen sie bereits als der Bettelszene zugehörig bekannt gewesen sei und deshalb bereits wiederholt angezeigt worden sei, aufgefordert worden, sich auszuweisen, woraufhin sie den Polizeibeamten einen bulgarischen Personalausweis ausgehändigt habe. Die Beamten hätten vor Ort einen ZMR-Auszug angefordert, der einen nicht mehr aufrechten Wohnsitz an einer näher genannten Adresse in Wien ausgewiesen habe. Nach ihrem Wohnort gefragt, habe die Revisionswerberin angegeben, aus Bulgarien zu kommen und im Park zu wohnen. Da die Revisionswerberin nur wenig Deutsch gesprochen habe, sei eine Verständigung kaum möglich gewesen.

4 Die Revisionswerberin sei um ca 11:50 Uhr gemäß § 35 Z 2 VStG festgenommen worden. Nach dem Eintreffen in der Polizeiinspektion seien ihr neben einigen persönlichen Gegenständen Bargeld in der Höhe von EUR 15,32 abgenommen worden. Ihr sei eine Sicherstellungsbestätigung ausgefolgt worden und sie habe sich - ausschließlich vor einer weiblichen Beamtin - bis auf die Unterwäsche entkleiden müssen. Etwa sechs Stunden nach der Festnahme sei sie unter Beiziehung einer Dolmetscherin einvernommen worden. Dabei habe sie angegeben, ihren Unterhalt teilweise durch Betteln zu bestreiten und nicht gewerbsmäßig zu betteln. Nach Abschluss der Einvernahme seien die persönlichen Gegenstände wieder ausgefolgt, das beschlagnahmte Geld sei einbehalten und der Revisionswerberin eine Beschlagnahmebestätigung ausgefolgt worden. Die Anhaltung habe um ca 19:00 Uhr geendet.

5 Diese Feststellungen stützte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf das Vorbringen in der Beschwerde und der Gegenschrift in Verbindung mit der Anzeige und den Aussagen der in der Verhandlung vernommenen Zeugen (der beiden einschreitenden Beamten). Strittig sei lediglich geblieben, ob der Revisionswerberin eine Sicherstellungsbestätigung ausgefolgt worden sei und ob sie sich "bis auf die Unterhose" (so ihr Vorbringen) oder nur "bis auf die Unterwäsche (Ober- und Unterkörper)" ausziehen habe müssen. Dabei sei dem Vorbringen der belangten Behörde zu folgen gewesen, zumal die Revisionswerberin selbst unentschuldigt zur Verhandlung nicht gekommen sei.

6 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst Folgendes aus: Die Festnahme wegen gewerbsmäßiger Bettelei gemäß § 2 Abs 1 lit a WLSG iVm § 35 Z 2 VStG erweise sich als gerechtfertigt. Die Organe der belangten Behörde hätten im gegenständlichen Fall mit gutem Grund von einer Verwaltungsübertretung ausgehen können, was letztlich auch durch das verurteilende Erkenntnis des Verwaltungsgerichts bestätigt worden sei. Das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes rechtfertige für sich allein genommen zwar noch nicht die Annahme eines Fluchtverdachts als Festnahmegrund nach § 35 Z 2 VStG. Die belangte Behörde habe aber im konkreten Fall zu Recht von einer subjektiven Fluchtintention der Revisionswerberin ausgehen dürfen, weil für die einschreitenden Organe überhaupt kein Wohnsitz feststellbar gewesen sei, zumal die Revisionswerberin angegeben habe, im Park zu nächtigen. Weiters hätten die Polizeibeamten auf Grund ihrer Wahrnehmungen, wonach die Revisionswerberin erkennbar ihren Lebensunterhalt durch Betteln in Wien zu bestreiten suchte, in Verbindung mit der Tatsache, dass selbst ein allfälliger bulgarischer Wohnsitz schon auf Grund der großen Entfernung während dieser Erwerbstätigkeit unmöglich aufrechtzuerhalten sei, in vertretbarer Weise annehmen dürfen, dass sie ihren Wohnsitz in Wien gewechselt habe und in nicht allzu weiter Entfernung vom Ort ihrer Erwerbsausübung Wohnung genommen habe.

7 Die Maximaldauer der Anhaltung nach § 36 VStG (24 Stunden) sei durch die Anhaltung für etwa sieben Stunden "nur zu etwa einem Viertel ausgeschöpft" worden, was keinesfalls als zu lang zu beurteilen sei, müsse man doch den Zeitaufwand für die Durchführung eines Strafverfahrens berücksichtigen. Die Revisionswerberin habe nach ihrer Festnahme in der Polizeiinspektion zuerst visitiert werden müssen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sie kaum Deutsch gesprochen habe, "weshalb sich erfahrungsgemäß sämtliche Handlungen zeitlich verzögern", andererseits, "dass eine Visitierung einer weiblichen Festgenommenen nur von einer weiblichen Beamtin vorgenommen werden darf, und da nicht immer eine weibliche Beamtin sofort verfügbar ist, es schon dadurch zu erheblichen Verzögerungen kommen kann". Nach der Abgabe der Revisionswerberin in den Arrest seien "das Anzeigeprogramm (zu) starten und einerseits die Festnahme und andererseits die Beschlagnahme (zu) protokollieren" gewesen. Beide Protokolle seien anschließend dem Arrestantenposten übergeben worden. Allein eine Anzeige zu schreiben nehme je nach Erfahrung des Verfassers und des Umfangs der Tat viel Zeit in Anspruch. Nachdem die Anzeige verfasst worden sei, habe eine Dolmetscherin für die bulgarische Sprache gesucht werden können. Aus Erfahrung sei zudem bekannt, dass "ein Dolmetscher unter Umständen erst nach mehreren Stunden in Wien verfügbar sein" könne. "Schlussendlich" müsse das Straferkenntnis geschrieben, der Revisionswerberin übersetzt und erklärt werden, sodass die Revisionswerberin keinesfalls zu lange angehalten worden sei.

8 Zur Leibesvisitation führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst Folgendes aus: Eine Personendurchsuchung stehe unter dem Schutz der Art 3 und 8 EMRK; einfachgesetzliche, eine solche Untersuchung vorsehende Regelungen seien an diesem Maßstab zu messen. Ob eine Personendurchsuchung eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Missachtung der Person des Betroffenen bzw eine erniedrigende Behandlung darstelle, sei stets im Einzelfall zu prüfen. Die Durchsuchung nach § 40 Abs 1 SPG diene ausschließlich dem Zweck zu verhindern, dass festgenommene Menschen sich oder andere gefährden oder Gegenstände bei sich haben, die ihnen die Flucht ermöglichen würden.

9 Aus § 40 SPG ergebe sich, dass bei der Durchsuchung eines Festgenommenen auch ein völliges Entkleiden verlangt werden könne. Die Durchsuchung sei allerdings nicht Selbstzweck, sondern diene der Sicherstellung der eben dargestellten Ziele. An diesem Zweck sei auch ihre notwendige Intensität zu messen, was gegebenenfalls auch ein völliges Entkleiden rechtfertigen könne. Deshalb sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine mit der Personendurchsuchung einhergehende Entkleidung nach den Umständen des Falles geboten sei oder nicht.

10 Im konkreten Fall - die Revisionswerberin sei nicht zum völligen Entkleiden aufgefordert worden, die Visitierung sei durch eine weibliche Beamtin in einem eigenen Zimmer erfolgt - sei die Durchsuchung, insbesondere auch die Aufforderung zur Entkleidung bis auf die Unterwäsche berechtigt und notwendig gewesen, damit eine Selbstgefährdung (beispielsweise durch ein Feuerzeug oder eine Rasierklinge) ausgeschlossen werden habe können. Auch dabei müssten die mangelnden Deutschkenntnisse der Revisionswerberin berücksichtigt werden, wodurch es für die Polizeibeamten umso schwieriger gewesen sei abzuschätzen, ob sie sich selbst gefährden würde oder nicht. Im Zweifel habe daher nicht nur das Recht, sondern die Pflicht der belangten Behörde bestanden, eine Selbstgefährdung durch die vorgenommene Visitierung auszuschließen. Eine erniedrigende Behandlung sei angesichts der festgestellten Begleitumstände nicht vorgelegen.

11 Die Beschlagnahme des Bargelds in der Höhe von EUR 15,32 sei rechtskonform gewesen, weil bei einer ex ante Betrachtung der Verdacht einer Verwaltungsübertretung, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen sei, jedenfalls vorgelegen habe, was letztlich auch durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts bestätigt worden sei. Eine Beschlagnahmebestätigung sei der Revisionswerberin zudem auch ausgehändigt worden.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten vorgelegte außerordentliche Revision.

13 Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

 

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision begründet die ihrer Auffassung nach entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts doch gegebene Zulässigkeit zusammengefasst mit Folgendem:

16 Es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein kurzeitiger Aufenthalt in Wien in Verbindung mit dem Nachweis eines bestehenden Wohnsitzes in Bulgarien die Annahme einer subjektiven Fluchtintention zur Vereitelung der Strafverfolgung rechtfertige und einen tauglichen Festnahmegrund iSd § 35 Z 2 VStG darstelle. Weiters fehle Rechtsprechung zur Frage, ob Verständigungsschwierigkeiten, die die Nennung eines im Bundesgebiet befindlichen Wohnsitzes erschwerten, bei gleichzeitigem Nachweis des Bestehens eines aufrechten ausländischen Wohnsitzes eine Festnahme nach § 35 Z 2 VStG rechtfertigten.

17 Hinsichtlich der Dauer der Anhaltung macht die Zulässigkeitsbegründung der Revision im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung zuließen, ob die Anhaltedauer so kurz wie möglich gehalten worden sei. Damit weiche das Erkenntnis auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab (Hinweis auf VwGH vom 12. September 2013, 2012/21/0204 und vom 8. September 2010, 2006/01/0182).

18 Bezüglich der "Leibesvisitation" vermisst die Zulässigkeitsbegründung Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach die "Befestigung" von die Sicherheit gefährdenden oder eine Flucht begünstigenden Gegenständen am Körper zu vermuten gewesen sei. Mangelnde Sprachkenntnisse allein rechtfertigten nach Auffassung der Revision eine Visitierung nicht; das Vorliegen einer erniedrigenden Behandlung könne auch nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass die Visitierung durch eine weibliche Beamtin vorgenommen worden sei; jedenfalls fehle dazu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

19 Hinsichtlich der Beschlagnahme bringt die Revision vor, das angefochtene Erkenntnis verstoße insofern gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (Hinweis auf VwGH vom 14. November 2001, 2001/03/0218), als es sich nicht mit dem Vorliegen von Gefahr im Verzug iSd § 39 Abs 2 VStG auseinandersetze.

20 Die Revision ist, wie sich aus dem Folgenden ergibt, nur teilweise zulässig und begründet.

21 § 2 des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes - WLSG, LGBl Nr. 51/1993 idF LGBl Nr 33/2013, lautet auszugsweise wie folgt:

"Bettelei

§ 2. (1) Wer an einem öffentlichen Ort

a) in aufdringlicher oder aggressiver oder gewerbsmäßiger

Weise oder als Beteiligter an einer organisierten Gruppe um Geld

oder geldwerte Sachen bettelt, oder

b) ...,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 700 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen.

(2) Geld und geldwerte Sachen, die durch eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 erworben worden sind, können für verfallen erklärt werden.

..."

Die im konkreten Fall relevanten Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl I Nr 52/1991 idF BGBl I Nr 33/2013, lauten - auszugsweise - wie folgt:

"2. Abschnitt: Sicherung des Strafverfahrens und des

Strafvollzuges

Festnahme

§ 35. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen

außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf

frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die

Behörde festnehmen, wenn

1. der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich

nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort

feststellbar ist oder

2. begründeter Verdacht besteht, daß er sich der

Strafverfolgung zu entziehen suchen werde, oder

3. der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der

strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

§ 36. (1) Jeder Festgenommene ist unverzüglich der nächsten sachlich zuständigen Behörde zu übergeben oder aber, wenn der Grund der Festnahme schon vorher wegfällt, freizulassen. Er ist ehestens, womöglich bei seiner Festnahme, in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten. Die Behörde hat den Angehaltenen unverzüglich zu vernehmen. Er darf keinesfalls länger als 24 Stunden angehalten werden.

(2) Bei der Festnahme und Anhaltung ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person vorzugehen. ...

...

Beschlagnahme von Verfallsgegenständen

§ 39. (1) Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen.

(2) Bei Gefahr im Verzug können auch die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht solche Gegenstände vorläufig in Beschlag nehmen. Sie haben darüber dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen und der Behörde Anzeige zu erstatten.

..."

§ 40 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl I Nr 566/1991

lautet wie folgt:

"Durchsuchung von Menschen

§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Menschen, die festgenommen worden sind, zu durchsuchen, um sicherzustellen, daß diese während ihrer Anhaltung weder ihre eigene körperliche Sicherheit noch die anderer gefährden und nicht flüchten.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind außerdem ermächtigt, Menschen zu durchsuchen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, diese stünden mit einem gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum gerichteten gefährlichen Angriff in Zusammenhang und hätten einen Gegenstand bei sich, von dem Gefahr ausgeht.

...

(4) Bei Durchsuchungen gemäß Abs. 1 und 2 haben sich die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf eine Durchsuchung der Kleidung und eine Besichtigung des Körpers zu beschränken, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, der Betroffene habe einen Gegenstand in seinem Körper versteckt; in solchen Fällen ist mit der Durchsuchung ein Arzt zu betrauen."

22 Im Revisionsverfahren ist - anders als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht - nicht mehr strittig, dass die einschreitenden Organe die Begehung der der Revisionswerberin angelasteten Verwaltungsübertretung mit gutem Grund annehmen konnten. Was den Festnahmegrund nach § 35 Z 2 VStG anlangt, hat das Verwaltungsgericht dessen Bestehen - wie oben dargelegt - nicht etwa bloß auf das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes gestützt. Für die einschreitenden Organe sei vielmehr überhaupt kein Wohnsitz feststellbar gewesen, zumal die Revisionswerberin angegeben habe, im Park zu nächtigen. Soweit die Zulässigkeitsbegründung der Revision dem entgegen vom Nachweis eines Wohnsitzes in Bulgarien ausgeht, entfernt sie sich von den getroffenen Feststellungen und ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt. Schon deshalb wird damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG aufgezeigt.

23 Anders verhält es sich hinsichtlich der Dauer der Anhaltung: § 36 Abs 1 VStG begrenzt deren zulässige Höchstdauer auf 24 Stunden. Dabei handelt es sich nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs um eine Maximalfrist und ist die Behörde verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz wie möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen (vgl nur etwa VwGH vom 12. September 2013, 2012/21/0204, mwN).

24 Das Revisionsvorbringen zeigt auf, dass auf Basis der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden kann, ob diese Vorgaben von der belangten Behörde eingehalten worden sind.

25 Die Revisionswerberin wurde um ca 11:50 Uhr festgenommen. Der Strafverhandlungsschrift ist zu entnehmen, dass ihre Einvernahme in Anwesenheit einer Dolmetscherin um 18:25 Uhr begonnen hat. Ihre Enthaftung erfolgte um ca 19:00 Uhr. Nach einer Dolmetscherin für die bulgarische Sprache sei den Erwägungen des Verwaltungsgerichts nach erst nach dem Verfassen der Anzeige "gesucht" worden.

26 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 36 Abs 1 VStG soll die Einvernahme einer festgenommenen Person unverzüglich nach der Festnahme erfolgen, eine mehrstündige Verzögerung bedarf einer besonderen Rechtfertigung (vgl ua VwGH vom 12. April 2005, 2003/01/0489). Die sehr allgemein gehaltenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens vom Verfassen der Anzeige bis zur Übersetzung und Aushändigung des Straferkenntnisses viel Zeit in Anspruch nehme, die Visitierung durch eine weibliche Beamtin nicht immer sofort möglich sei und die Verständigungsprobleme mit der Revisionswerberin zu einer zeitlichen Verzögerung sämtlicher Handlungen geführt hätten, werden dieser Anforderung nicht gerecht und vermögen die mehr als siebenstündige Anhaltung der Revisionswerberin nicht zu rechtfertigen. Welche konkreten Schwierigkeiten es bei der Kontaktierung der Dolmetscherin gegeben hat bzw warum nach dieser erst nach dem Verfassen der Anzeige "gesucht" wurde, wird nicht näher dargelegt (vgl dazu VwGH 2012/21/0204).

27 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich auf Grund dieser Erwägungen hinsichtlich der Dauer der Anhaltung der Revisionswerberin als rechtswidrig.

28 Zur "Visitierung": Die Durchsuchungsbefugnis nach § 40 Abs 1 SPG setzt - anders als die nicht auf festgenommene Personen beschränkte Regelung nach Abs 2 - nicht das Vorliegen bestimmter Tatsachen voraus, aufgrund derer zu vermuten sei, der in einem Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff stehende Betreffende, hätte "einen Gegenstand bei sich, von dem Gefahr ausgeht". Sie ist vielmehr in jedem Fall einer Festnahme zulässig, allerdings ausschließlich zu dem Zweck sicherzustellen, dass die festgenommene Person während ihrer Anhaltung weder ihre eigene körperliche Sicherheit, noch die von anderen gefährdet und dass sie nicht flüchten kann. An diesem Zweck ist die Intensität der Durchsuchung zu messen, was unter Umständen - wenn etwa zu vermuten wäre, die zu durchsuchende Person habe unmittelbar an ihrem Körper sicherheitsgefährdende oder fluchtbegünstigende Gegenstände befestigt - auch ein völliges Entkleiden der festgenommenen Person rechtfertigen kann. Grundsätzlich haben sich gemäß § 40 Abs 4 erster Halbsatz SPG - außer bei Vorliegen der in Abs 4 zweiter Halbsatz genannten Voraussetzungen - Durchsuchungen nach § 40 SPG auf die Durchsuchung der Kleidung und eine Besichtigung des Körpers zu beschränken (vgl zum Ganzen Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4 § 40 Rz 6ff, Pürstl/Zirnsack2, Sicherheitspolizeigesetz § 40 Anm 1ff und die dort jeweils genannte Judikatur, insbesondere VwGH vom 29. Juli 1998, 97/01/0102).

29 Das Revisionsvorbringen zeigt nicht auf, dass die entsprechend dieser Rechtsgrundsätze gezogenen Grenzen im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden seien. Die Revisionswerberin war den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zufolge nicht aufgefordert worden, sich "vollständig" zu entkleiden. Auch mit dem Vorbringen, es habe ein "Abtasten ihres Körpers" stattgefunden, entfernt sich die Revision von den maßgebenden Feststellungen. Dass die Durchsuchung der Bekleidung der Revisionswerberin im konkreten Fall ein "Entkleiden bis auf die Unterwäsche" erforderte, ist angesichts der vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegten Begleitumstände (die Revisionswerberin habe "mehrere Hosen übereinander getragen"; so das vom Verwaltungsgericht wiedergegebene Vorbringen der belangten Behörde, dem von der Revisionswerberin nicht entgegengetreten worden war) nicht als unschlüssig zu erkennen. Andere Anhaltspunkte dafür, dass die durchgeführte Personendurchsuchung gegebenenfalls unter gröblicher Missachtung der Betroffenen als Person erfolgt sei, werden von der Revision nicht dargelegt. Insoweit ist die Revision also nicht zulässig.

30 Hingegen ist die Revision, was die Beschlagnahme des Bargelds anlangt, aus den von ihr geltend gemachten Gründen zulässig und auch begründet.

31 Gemäß § 2 Abs 2 WLSG können Geld und geldwerte Sachen, die durch eine Verwaltungsübertretung nach Abs 1 erworben worden sind, für verfallen erklärt werden. Zwar ist der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, die einschreitenden Organe hätten mit Grund annehmen können, dass das vorgefundene Geld durch die der Revisionswerberin angelastete Verwaltungsübertretung erworben worden ist, nicht entgegenzutreten. Für die vorläufige Beschlagnahme nach § 39 Abs 2 VStG ist aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut das Vorliegen von "Gefahr im Verzug" erforderlich (vgl dazu auch VwGH vom 14. November 2001, 2001/03/0218).

32 Zu diesem Tatbestandselement hat das Verwaltungsgericht - offenbar in Verkennung der Rechtslage - keine Feststellungen getroffen, wie die Revision zutreffend rügt. Das angefochtene Erkenntnis ist also auch insoweit mit Rechtswidrigkeit belastet.

33 Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben; im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

34 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. März 2017

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