VwGH Ra 2015/03/0050

VwGHRa 2015/03/00509.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des D H in O, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 1. Juni 2015, Zl LVwG-AB-14-4131 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), betreffend Ausstellung eines Waffenpasses, den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015030050.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Der Revisionswerber beantragte mit Schreiben vom 9. Juli 2014 die Ausstellung eines Waffenpasses für zwei Stück Schusswaffen der Kategorie B und begründete seinen Bedarf zum Führen der Schusswaffen damit, im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit die Instandhaltung bzw Instandsetzung von EDV-Anlagen in den Autobahnrestaurants der Unternehmenskette "L" vorzunehmen. Unter anderem befördere er sämtliche notwendigen IT-Geräte, also auch die Kassenladen, zu Tages- und Nachtzeiten zu den einzelnen Standorten der Restaurantkette. In diesen Kassenladen befände sich zwar kein Bargeld, dieser Umstand sei jedoch für einen außenstehenden Beobachter nicht erkennbar. Der Bedarf, eine geladene Faustfeuerwaffe zu führen, sei gegeben, weil der Revisionswerber "tagsüber, abends und nachts alleine, eine oder mehrere Kassenladen, bei denen ein objektiver Dritter auf größere Mengen Bargeld schließen wird, auf (den Autobahnparkplätzen) von und zu (seinem) PKW zu Fuß verbringen" müsse. Etwaigen, unter Umständen lebensbedrohenden gewaltsamen Übergriffen unbekannter Dritter auf seine Person, könne mit einer geladenen und am Körper geführten Faustfeuerwaffe am zweckmäßigsten entgegengewirkt werden.

2. Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich diesen Antrag ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.

Begründend führte es zusammengefasst aus, die Ausstellung eines Waffenpasses setze einen Bedarf zum Führen einer Schusswaffe der Kategorie B voraus. Es müsse somit eine besondere Gefahr vorliegen, welcher am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, dass nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht einmal der regelmäßige Transport namhafter Geldbeträge für sich allein ausreiche, um einen entsprechenden Bedarf zu begründen. Auch der Umstand, dass Geldtransporte in den Abendstunden oder zur Nacht durchgeführt werden, ändere daran nichts. Das Vorbringen des Revisionswerbers, für einen Dritten wäre nicht erkennbar, dass sich in den Kassetten kein Geld befinde, sei daher für sich nicht geeignet, einen Bedarf zu begründen. Die Einvernahme des beantragten Zeugen zwecks Untermauerung der Richtigkeit des Vorbringens des Revisionswerbers sei daher entbehrlich gewesen, zumal ja von der Richtigkeit des Sachverhalts, wie ihn der Revisionswerber dargelegt habe, auszugehen sei. Jedoch rechtfertige der beschriebene Sachverhalt aus den dargelegten rechtlichen Erwägungen nicht die Ausstellung eines Waffenpasses. Auch die Durchführung der beantragten Verhandlung könne deshalb entfallen.

3. Dagegen wendet sich die vorliegende, außerordentliche Revision, die im Wesentlichen geltend macht, bei der Glaubhaftmachung eines Bedarfs zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B komme es in den Einzelfällen immer auf die jeweiligen Umstände an. Dazu habe das Verwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen und es hätte weder von der Einvernahme des beantragten Zeugen noch von der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand nehmen dürfen.

4. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision hat er vielmehr im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen (§ 34 Abs 1a VwGG). Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.

5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl etwa VwGH vom 23. August 2013, 2013/03/0081, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bezüglich der vom Revisionswerber implizit relevierten Möglichkeit eines räuberischen Überfalls in ständiger Rechtsprechung auch ausgesprochen, dass die Durchführung von Geldtransporten (auch in den Abendstunden) und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellt, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründet. Klargestellt wurde dabei, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeutet; liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände (unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalls zu werden) kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen (vgl VwGH vom 29. Jänner 2015, Ro 2014/03/0061, mwN).

6. Von dieser ständigen hg Rechtsprechung ist das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich im vorliegenden Fall nicht abgewichen und hat einen Bedarf des Revisionswerbers zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B unter Berücksichtigung seines gesamten anspruchsbegründenden Vorbringens zu Recht verneint.

7. Soweit der Revisionswerber als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Verfahrensmängel geltend macht, ist nicht zu erkennen, dass die Lösung des Revisionsfalles - nach dem vorher Gesagten - von den angesprochenen Rechtsfragen des formellen Rechts abhängt. Das Landesverwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung von dem vom Revisionswerber vorgebrachten Sachverhalt ausgegangen, weshalb nicht zu erkennen ist, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinne des § 24 Abs 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Im Übrigen hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anerkannt, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff).

8. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 9. September 2015

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