VwGH Ra 2014/18/0162

VwGHRa 2014/18/016218.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin des VwGH Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision der revisionswerbenden Partei I A in W, vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2014, Zl. W118 1431233-1/14E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Spruchpunkt I. des Erkenntnisses vom 9. Oktober 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde gegen Spruchteil I des Bescheides des Bundesasylamts (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 3. Dezember 2012 gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab.

Sachverhaltsmäßig stellte das BVwG fest, der Revisionswerber habe in Afghanistan mit seinem Vater, seinen Geschwistern und einer Schwägerin in der Provinz Wardak gelebt. Die Familie habe Agrarland und ein Haus besessen, sich aber in einem jahrelangen Grundstücksstreit mit den (väterlichen) Cousins des Revisionswerbers befunden. Nach dem Sturz der Taliban und dem Weggang des älteren Bruders des Revisionswerbers und Familienoberhaupts hätten die Cousins versucht, die Grundstücke endgültig an sich zu bringen, nachdem sie auf dem Rechtsweg mehrfach unterlegen seien. Darüber hinaus hätten sie die Schwächung der Familie auch zum Anlass genommen, ein Eheversprechen zwischen ihrer Schwester und dem Revisionswerber aufzulösen. Zwar sei der Revisionswerber bereit gewesen, sich mit diesem Umstand abzufinden, die Cousins hätten jedoch um die Ehre ihrer Schwester gefürchtet, wobei es zu mehreren tätlichen Übergriffen gekommen sei. Die Cousins hätten gegenüber dem Vater des Revisionswerbers zum Ausdruck gebracht, dass ihre Schwester so lange keine Aussicht habe, einen anderen Mann zu heiraten, solange der Revisionswerber am Leben sei. Wäre er tot, könne man sagen, der Verlobte sei gestorben, und es würde die Möglichkeit bestehen, dass sie einen anderen Mann heirate. In der Folge habe der Revisionswerber Afghanistan in Richtung Iran verlassen, zumal ihm seitens der Polizei keine Unterstützung zuteil geworden sei. Nach drei Jahren Aufenthalt im Iran habe er erfahren, dass ihm auch dort nachgestellt werde und sei nach Österreich geflohen. Ungefähr sechs Monate vor der Verhandlung vor dem BVwG sei die Cousine des Revisionswerbers zu Tode gekommen. Die Schuld daran würde ihm gegeben.

Die Abweisung der Beschwerde im Hinblick auf Asylgewährung begründete das BVwG mit fehlender Asylrelevanz des Vorbringens. Es handle sich um eine private Auseinandersetzung, die zwar mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu ungerechtfertigten Eingriffen erheblicher Intensität führen könne und vor denen der Staat Afghanistan den Revisionswerber auch nicht effektiv schützen könne. Allerdings sei kein Konnex zwischen dieser Verfolgungsgefahr und einem Konventionsgrund ersichtlich. Der Revisionswerber werde nämlich nicht wegen der Zugehörigkeit zu seiner Familie verfolgt, sondern weil sich seine Cousins aus kriminellen Gründen seiner entledigen wollten. Dass die archaischen Moralvorstellungen vor Ort den Hintergrund für diese kriminellen Machenschaften gebildet hätten, ändere daran nichts.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. etwa VwGH vom 21. April 2011, 2011/01/0100, mwN). Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH vom 26. November 2014, Ra 2014/19/0059, mwN).

Dem BVwG kann vor diesem Hintergrund nicht entgegengetreten werden, wenn es im Revisionsfall auf der Grundlage seiner Sachverhaltsfeststellungen und des Vorbringens des Revisionswerbers eine nur auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung des Revisionswerbers durch seine Cousins väterlicherseits angenommen hat, die keinem der in Art 1 GFK genannten Konventionsgründe zugeordnet werden kann (vgl. zur erforderlichen Abgrenzung zwischen nicht asylrelevanter Verfolgung zur "Wiederherstellung der Familienehre" wie im vorliegenden Fall einerseits und asylrelevanter Verfolgung wegen einer den religiösen Wertvorstellungen der Verfolger zuwider laufenden Handlungsweise des Verfolgten andererseits, etwa VwGH vom 8. September 2015, Ra 2014/18/0113, mwN).

In der Revision werden auch im Übrigen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 18. November 2015

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