Normen
AsylG 2005 §3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 2005 §3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 28. März 2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, afghanische Fundamentalisten und islamische Extremisten würden ihn töten wollen. Es werde ihm feindliche Gesinnung unterstellt, weil er mit einer ausländischen Organisation mit katholischem Fundament zusammen gearbeitet habe. Sie würden ihm unterstellen, sich einer anderen Religion zugewandt und vom Islam abgewandt zu haben. Einer seiner früheren Studienkollegen sei ein bekannter Fundamentalist in einflussreicher Position. Dieser stehe ihm besonders kritisch gegenüber. Fluchtauslösend sei ein Angriff in einem Internetcafe gewesen, wo der Revisionswerber islamkritische Beiträge ausgedruckt habe, weswegen er von den anderen Besuchern tätlich angegriffen worden sei. Von diesem Vorfall hätten viele Leute erfahren. Aus Angst um sein Leben habe er Afghanistan sodann verlassen.
2. Das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 26. April 2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu und erteilte diesem eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.
Im Wesentlichen begründete es seine abweisende Entscheidung hinsichtlich Asyl mit der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers. Es sei nicht glaubhaft, dass der Revisionswerber im Internetcafe attackiert und damit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt worden sei. Der Revisionswerber sei zu keinem anderen Glauben konvertiert und habe dies auch nicht vor.
3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Juni 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung eines Sachverständigen ab. Die Revision sei nicht zulässig.
In seiner Begründung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber vom Islam abgefallen sei. Mangels öffentlicher Abkehr vom Islam sei der Revisionswerber keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr einer wie immer gearteten anderen Verfolgung ausgesetzt wäre.
In seiner Beweiswürdigung führte das Bundesverwaltungsgericht hierzu aus, eine islamkritische Haltung sei in der gebildeten Schicht Afghanistans üblich. Kritische Personen würden nicht als vom Islam abgefallen bezeichnet und auch keiner Bestrafung zugeführt. Der Revisionswerber habe selbst nicht behauptet, der christlichen Glaubensgemeinschaft beigetreten zu sein. Auch davon ausgehend, dass der Revisionswerber im Internetcafe aufgrund des Öffnens islamkritischer Seiten attackiert worden sei, wäre aufgrund des fehlenden öffentlichen Bekenntnisses, dem Islam nicht mehr anzugehören, von keiner Verfolgungsgefahr auszugehen.
4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Antrages gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuändern, in eventu die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5.1. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeitsfrage zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe es in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs unterlassen, sich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers unter dem Aspekt des unterstellten Abfalls vom Islam und der unterstellten Konversion zum Christentum und der daraus allfällig folgenden Asylrelevanz auseinanderzusetzen. Der Sachverhalt bedürfe daher weiterer Feststellungen zur Frage, ob dem Revisionswerber ein solcher Wandel in seiner religiösen Gesinnung unterstellt werde.
5.2. Die Revision ist zulässig und auch begründet.
5.2.1. § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:
"Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht."
Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, lautet (auszugsweise):
"Artikel 1
Definition des Ausdruckes 'Flüchtling'
A. Als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens ist anzusehen, wer (...)
2. (...) aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; (...)"
5.2.2. Wie die Revision zu Recht aufzeigt, stellt das Bundesverwaltungsgericht zwar fest, dass es nicht zu einer (öffentlichen) Abkehr vom Islam seitens des Revisionswerbers gekommen sei. Dies behauptet der Revisionswerber auch nicht. Jedoch fehlen im angefochtenen Erkenntnis Feststellungen zu dem Vorbringen, dem Revisionswerber drohe Verfolgung wegen der ihm seitens der Verfolger unterstellten Abkehr vom Islam. Auch wenn die Ursache der Verfolgung auf der dem Verfolgten (bloß) unterstellten Ablehnung der religiösen Überzeugung der Verfolger beruht, kann eine Asylrelevanz gegeben sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2003, Zl. 2000/20/0100, mwN).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Feststellung, der Revisionswerber sei nicht konvertiert oder auf sonstige Weise vom Islam abgefallen, für die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Asylantrages nicht ausreichend. Vielmehr hätte das Bundesverwaltungsgericht Feststellungen treffen müssen, ob dem Revisionswerber, der vorgebracht hat, aufgrund des Abrufens von Internetseiten islamkritischen Inhalts tätlich angegriffen worden zu sein, wobei sich dieser Vorfall herumgesprochen habe, ein solcher Wandel in seiner religiösen Überzeugung unterstellt wird und ob ihm aufgrund dieser Unterstellung Verfolgung droht. Auch wird in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Revisionswerbers betreffend die Rolle seines ehemaligen Studienkollegen zu beleuchten sein. Dazu bedarf es einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit seinem individuellen Fluchtvorbringen, bei der ein Sachverständigengutachten darüber, wie in Afghanistan im Allgemeinen mit Personen umgegangen wird, die sich islamkritisch äußern, nur eines von mehreren Beurteilungskriterien darstellt.
Zusammengefasst releviert die Revision zu Recht einen sekundären Feststellungsmangel. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. Februar 2015
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)