Spruch:
- 1. Die Revision wird zurückgewiesen.
- 2. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme nicht zuständig; der Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Begründung
Die im Jahr 1967 geborene Revisionswerberin stand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund als Exekutivbeamtin bei einem Landeskriminalamt.
Mit der angefochtenen Entscheidung erkannte das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Revisionswerberin (in diesbezüglicher Bestätigung des Disziplinarerkenntnisses der belangten Behörde vom 29. Oktober 2013) schuldig, sie habe
1. im Zeitraum vom 18. März bis 27. Mai 2011 - zum Teil während der Dienstzeit - ca. 14 Briefe an öffentliche Institutionen und Medien versendet, in denen sie X, die Leiterin des Kindergarten L, beschimpft und sie wahrheitswidrig der Begehung strafbarer bzw. moralisch verwerflicher Handlungen, insbesondere der Misshandlung von Kindern beschuldigt habe;
2. im Zeitraum zwischen 22. September 2009 und 11. Juli 2011 - ohne dienstliche Gründe - in der zentralen Datenanwendung des Bundesministeriums für Inneres 2 EKIS, 1 KZN und über 1000 ZMR Anfragen (darunter auch solche von Personen aus ihrem Umfeld bzw. demjenigen von X) gestellt und für private Zwecke verwendet;
3. im Zeitraum vom 1. September 2005 bis 11. Juli 2011 in ihrer Funktion als Tatortbeamtin beim SPK beziehungsweis dem LKA Aktenteile zu 23 Geschäftsfällen wie Tatortspuren im Original an sich genommen und zu Hause verwahrt sowie es unterlassen, näher bezeichnete, sichergestellte Tatortspuren ordnungsgemäß zu erledigen oder zu bearbeiten, an die vorgesehenen Spurensammlungen zu übermitteln bzw. auszuwerten und entsprechende Berichte vorzulegen.
Sie habe dadurch - unbeschadet der dazu mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Y vom 16. Mai 2013 erfolgten strafgerichtlichen Verurteilungen wegen der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 StGB und des wiederholten Verbrechens des Amtsmissbrauches nach § 302 Abs. 1 StGB - auch ihre Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 sowie (zum Teil in Verbindung mit LPK-Befehlen) nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 schuldhaft verletzt.
Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wurde über die Revisionswerberin gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt; darüber hinaus wurden - abweichend von der Entscheidung der Disziplinarkommission - die Höhe der auferlegten Kosten des Sachverständigen mit EUR 552,-- festgesetzt und die Revisionswerberin hinsichtlich des Vorwurfs einer weiteren Dienstpflichtverletzung in Bezug auf anlässlich eines Anrufs am 7. März 2011 gegenüber X getätigte Äußerungen freigesprochen.
Im Weiteren erklärte das Bundesverwaltungsgericht eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig.
Seine Begründung stützte es im Wesentlichen auf die Bindungswirkung des (Anm.: damals) rechtskräftigen Urteils des Landesgerichtes Y vom 16. Mai 2013. Mit diesem war die Revisionswerberin hinsichtlich der (von den - oben wiedergegebenen - Punkten 1 und 3 bzw. teilweise auch Punkt 2 umfassten) Vorwürfe im Disziplinarverfahren der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB und des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und es war über sie eine Geldstrafe in Höhe von 300 Tagsätzen zu je EUR 15,--und eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt worden.
Nach Bejahung eines "disziplinären Überhangs" und der Notwendigkeit einer zusätzlichen disziplinären Bestrafung setzte das Bundesverwaltungsgericht neben Ausführungen zur Dienstrechts-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 14/2008, hinsichtlich des geänderten § 93 BDG 1979 zur Strafbemessung zusammengefasst fort, dass die Entlassung sowohl aus general- als auch spezialpräventiven Gründen erforderlich sei. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass bereits die - als schwerstes Delikt gewerteten - mehrfachen Dienstpflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Nichtdokumentation, Nichtbearbeitung und Nichtweiterleitung von Tatortspuren und damit Beweismitteln über einen mehrjährigen Zeitraum durch die Revisionswerberin als Tatortbeamtin allein ausreichen würden, die Höchststrafe der Entlassung zu verhängen. Erschwerend würden die ohne dienstlichen Grund exzessiv getätigten ZMR-Anfragen dazukommen. Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführten, nach der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung erstatteten Gutachten, wonach bei ihr im Zusammenhang mit X eine wahnhafte Störung vorläge, aufgrund welcher die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit hinsichtlich dieses Wahnthemas nicht gegeben sei, hätten wegen der Bindungswirkung des Strafurteils weder von der belangten Disziplinarkommission noch vom Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt werden können; im Übrigen sei sie hinsichtlich der von Punkt 3 umfassten Vorwürfe auch nach diesen Gutachten - da außerhalb des Wahnthemas gelegen - diskretions- und dispositionsfähig gewesen.
Die außerordentliche Revision richtet sich ausschließlich gegen den Schuld- und Strafausspruch dieses Erkenntnisses.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Vorlage der Akten den an die erstinstanzliche Behörde gerichteten (und bei dieser am 18. Februar 2015 eingelangten) Antrag der Revisionswerberin vom 16. Februar 2015 auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens mit Schreiben vom 23. Februar 2015 "in sinngemäßer Anwendung des § 6 AVG" dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt.
Nach dem diesem Antrag zur Begründung angeschlossenen Beschluss des Landesgerichtes Y vom 16. Jänner 2015 (rechtskräftig seit 10. Februar 2015) wurde dem Antrag der Revisionswerberin vom 17. Oktober 2014 auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens gemäß § 353 Z 2 StPO insoweit stattgegeben, als das Urteil vom 16. Mai 2013 hinsichtlich der Schuldsprüche zum Vorwurf der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB und im Umfang der Abfrage personenbezogener Daten zu X auch zum Vorwurf des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB (Anm.: das entspricht den oben unter Punkt 1 und 2 - hiezu soweit X betreffend - angeführten Vorwürfen in der angefochtenen Disziplinarentscheidung) sowie der gesamte Strafausspruch gemäß § 358 StPO aufgehoben wurde; im Weiteren wurde der Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich des Vorwurfes der Verletzung von § 302 Abs. 1 StGB in Bezug auf die übrigen Vorwürfe (Anm.: das entspricht den oben unter Punkt 3 angeführten Vorwürfen in der angefochtenen Disziplinarentscheidung) abgewiesen und hiefür über die Revisionswerberin eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je EUR 15,-- sowie eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt.
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage "abhängt". Im Zulassungsvorbringen ist daher konkret darzutun, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juli 2014, Ro 2014/04/0055).
Nach § 353 Z 2 StPO kann der rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verlangen, wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen.
Gemäß § 358 Abs. 1 leg. cit. wird diesfalls das frühere Urteil durch die Bewilligung der Wiederaufnahme insoweit für aufgehoben erklärt, als es die Straftat betrifft, hinsichtlich der die Wiederaufnahme bewilligt wird. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung tritt das Verfahren durch die Wiederaufnahme grundsätzlich in den Stand des Ermittlungsverfahrens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2012, 2011/12/0143).
Nach § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt.
Gemäß § 45 Abs. 1 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn
1. das Erkenntnis oder der Beschluss durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht oder
3. nachträglich eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird, die in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte, oder
4. im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, dass sonst das Erkenntnis oder der Beschluss anders gelautet hätte oder
5. das Verfahren vor dem Gerichtshof wegen Klaglosstellung oder wegen einer durch Klaglosstellung veranlassten Zurückziehung der Revision eingestellt wurde und der Grund für die Klaglosstellung nachträglich weggefallen ist.
Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen (§ 45 Absatz 2 VwGG).
Die Revisionswerberin wendet zusammengefasst ein, dass es ihr aufgrund der vom Sachverständigen Dr. P im verwaltungsgerichtlichen Verfahren befundeten wahnhaften Störung an der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit fehle; als Revisionspunkte macht sie geltend, sie "erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihren formellen und materiellen Rechten verletzt. Insbesondere hätte das BVwG dem Antrag auf Unterbrechung des Verwaltungs- bzw. Disziplinarverfahrens zumindest bis zur rechtskräftigen Entscheidung seitens des Strafgerichtes über die Wiederaufnahme des (näher bezeichneten Strafverfahrens) stattgeben müssen und ist die RW in ihrem subjektiv gewährleisteten Recht auf Einhaltung von Verfahrensvorschriften verletzt."
Dabei übersieht sie, dass zum Zeitpunkt der Stellung des Unterbrechungsantrages (am 29. September 2014 in der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht) das Wiederaufnahmeverfahren noch nicht anhängig war, weil sie den oben erwähnten, mit 17. Oktober 2014 datierten Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach ihrem eigenen weiteren Vorbringen erst am 5. November 2014 beim Strafgericht eingebracht hat.
Daran ändert auch nichts, dass diesem Antrag - wie oben dargelegt - vom Strafgericht in weiterer Folge mit "ex tunc"- Wirkung teilweise stattgegeben wurde, zumal nach ständiger Judikatur für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes stets die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2009, 2008/02/0389).
Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn das Bundesverwaltungsgericht in diesem Verfahrensstadium angesichts der Ankündigung eines Wiederaufnahmeantrages mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 38 AVG das Verfahren nicht über Antrag unterbricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2013, 2013/04/0075) und im Weiteren ausgehend von der Bindungswirkung an das erwähnte, damals rechtskräftige Strafurteil (welches auch die Annahmen zur inneren Tatseite umfasst, vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2013, 2013/09/0080) als Ergebnis seiner nachvollziehbaren und im Sinne der ständigen Judikatur zur geltenden Fassung von § 93 BDG 1979 ausreichenden Ausführungen zur Strafbemessung (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 2014, 2013/09/0194, und vom 15. Dezember 2011, 2011/09/0105) die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung für notwendig erachtet. Eine aufzugreifende Unvertretbarkeit der im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Ermessensübung wird von der Revision ebensowenig dargetan.
In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Der vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 6 AVG übermittelte Antrag auf Wiederaufnahme war mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil die Voraussetzungen nach § 45 VwGG ("Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss (Anm.: gemeint: beim Verwaltungsgerichtshof) abgeschlossenen Verfahrens") nicht vorlagen. Da die Revisionsfrist schon (Ende November 2014) abgelaufen war, obliegt die Zuständigkeit zur Entscheidung darüber dem Bundesverwaltungsgericht
(vgl. § 32 Abs. 1 zweiter Halbsatz VwGVG: "wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist ..."; sowie den hg. Beschluss vom 18. Februar 2015, Ko 2015/03/0001).
Wien, am 21. April 2015
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