VwGH Ra 2014/09/0017

VwGHRa 2014/09/00179.9.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die außerordentliche Revision des BezInsp H S, vertreten durch Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lastenstraße 36, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Juni 2014, Zl. W 136 2007187- 1/2E, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art51;
12010P/TXT Grundrechte Charta;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §91;
B-VG Art133 Abs4 idF 2012/I/051;
VwGG §34 Abs1 idF 2013/I/033;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art51;
12010P/TXT Grundrechte Charta;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §91;
B-VG Art133 Abs4 idF 2012/I/051;
VwGG §34 Abs1 idF 2013/I/033;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Revision und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Erkenntnisses sowie des vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Aktes steht folgender Sachverhalt fest:

Mit Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 19. März 2014 wurde gegen den Revisionswerber wegen des Verdachtes der schuldhaften Verletzung seiner Dienstpflichten gemäß §§ 43 Abs. 1 und 2 sowie 44 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Der Revisionswerber sei verdächtig,

"am 24. Mai 2013, um 10:11 und 11:18 Uhr seiner Eigenschaft als Kriminalbeamter des SPK L, sohin als Beamter, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht zu haben, indem er ohne dienstliche Notwendigkeit im BAKS (Büro-, Automatisations- und Kommunikationssystem) des BM.I (PAD) den Akt des Beschuldigten KR eingesehen haben soll, mit dem Vorsatz gehandelt zu haben, dadurch den Vorangeführten in seinem Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 Abs. 1 DSG) und die Republik Österreich in ihrem Recht 'auf Abfrage von elektronischen Daten ausschließlich bei vorliegender Berechtigung und dienstlicher Notwendigkeit' durchzuführen, geschädigt und dadurch das Verbrechen des Amtsmissbrauches nach § 302 StGB begangen zu haben.

(Der Revisionswerber) ist über allfällig begangene strafrechtliche Verletzungen hinaus verdächtig, die Bestimmungen des § 43 Abs. 1 BDG 1979, nämlich seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit dem zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen,

§ 43 Abs. 2 BDG 1979, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt und § 44 Abs. 1 BDG 1979, nämlich die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen i. V. m. der Datensicherheitsvorschrift der Landespolizeidirektion OÖ; Neuverlautbarung - GZ P1/2971/2013 vom Linz, am 23. Jänner 2013, insbesondere dem Datenschutz-Grundsatzerlass 2007 und der Datensicherheitsvorschrift für BAKS verletzt und somit Dienstpflichtverletzungen i. S. d.

§ 91 BDG 1979 schuldhaft begangen zu haben."

Dem sei zu Grunde gelegen, dass der Revisionswerber auf Ersuchen einer Bekannten in den Akt ihres Lebensgefährten Einsicht genommen habe, um die Namen der ermittelnden Beamten zu erfahren, um in weiterer Folge im Sinne seiner Bekannten zu intervenieren. Außerdem habe er eine in diesem Akt befindliche Niederschrift ausgedruckt.

Der auf der diversionellen Erledigung des gerichtlichen Strafverfahrens beruhende Einwand des Revisionswerbers, es sei damit das Disziplinarverfahren hinfällig, sei (insbesondere unter Hinblick auf § 123 Abs. 3 BDG 1979) unrichtig. Auch der Einwand der Doppelbestrafung, gestützt auf Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (ZPMRK) sei nicht stichhältig, weil das Disziplinarverfahren gegen Beamte nach (zitierter) Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kein Strafverfahren im Sinne des Systems der EMRK darstelle.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Erkenntnis vom 2. Juni 2014 die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Mit der Revision macht der Revisionswerber geltend, es handle sich gegenständlich aus mehreren Gründen um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

1) Der Verfassungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 3. Dezember 2009, B 1008/07, "klargestellt", dass "mit Zahlung des diversionell verhängten Geldbetrages die disziplinarrechtliche Sanktion der Geldstrafe bereits als konsumiert und nicht mehr als dem disziplinären Überhang angehörend anzusehen" sei.

Mit diesem Vorbringen zitiert der Revisionswerber lediglich einen Auszug aus dem im Erkenntnis vom 3. Dezember 2009 wiedergegebenen Vorbringen des damaligen Beschwerdeführers, dem der Verfassungsgerichtshof aber nicht gefolgt ist.

Schon deshalb geht dieses Vorbringen des Revisionswerbers ins Leere.

2) Der Revisionswerber bringt sodann vor, dass jene Erkenntnisse der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht bezogen habe, aus der Zeit vor Inkrafttreten der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) am 30. März 2010 stammten.

Zum Anwendungsbereich des Art. 49 Abs. 3 GRC und des Art. 50 GRC gebe es keine gesicherte Rechtsprechung.

Insbesondere Art. 50 GRC gehe weiter als die Bestimmung des Art. 4 Z. 1 des 7. ZPMRK.

Der Revisionswerber übersieht aber, dass bei einem inländischen Beamten ohne Auslandsbezug kein unionsrechtlicher Sachverhalt besteht und daher die GRC hier nicht zur Anwendung gelangt.

Denn Art. 51 GRC lautet:

"Anwendungsbereich

(1) Diese Charta gilt für die Organe und Einrichtungen der Union unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend achten sie die Rechte, halten sie sich an die Grundsätze und fördern sie deren Anwendung gemäß ihren jeweiligen Zuständigkeiten.

(2) Diese Charta begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Gemeinschaft und für die Union, noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben."

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 9. September 2014

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