VwGH Fr2014/18/0033

VwGHFr2014/18/003317.12.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über den Fristsetzungsantrag des H S, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen das Bundesverwaltungsgericht betreffend eine Asylangelegenheit, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §22;
B-VG Art132 idF 1988/I/685;
B-VG Art133 Abs1 Z2;
BVwG-EVV 2014 §2 Abs1;
BVwGG 2014 §21;
E-GovG 2004 §19;
VwGG §38;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;
ZustG §37;
ZustG §7;

 

Spruch:

Der Fristsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid vom 4. Juni 2013 wies das Bundesasylamt einen Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz ab und wies ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus. Dagegen erhob der Antragsteller Beschwerde, die beim Asylgerichtshof am 21. Juni 2013 einlangte. Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2014 wurde das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eingerichtet, das an die Stelle des Asylgerichtshofes trat.

Mit Erkenntnis vom 4. September 2014 hob das BVwG "in Erledigung der Beschwerde" den angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.

Diese Entscheidung (versehen mit einer Amtssignatur) wurde dem BFA am 5. September 2014 im Wege eines Telefaxes über den Faxserver caesar@sys.bka.gv.at übermittelt. Gleichzeitig wurde das Erkenntnis des BVwG im Postweg (RSa) an den Antragsteller abgefertigt.

Mit einem ebenfalls am 5. September 2014 beim BVwG eingelangten Schriftsatz stellte der Antragsteller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 38 VwGG, der dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde ergänzend ermittelt, dass das Erkenntnis des BVwG vom 4. September 2014 dem BFA tatsächlich am 5. September 2014, 08:15 Uhr, zukam. Das BFA verfügt derzeit nicht über die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für den Empfang von elektronischen Übermittlungen des BVwG im Sinne des § 2 Abs. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers über den elektronischen Rechtsverkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten (BVwG-EVV); insbesondere nimmt es am elektronischen Rechtsverkehr nicht teil und ist derzeit nicht bei einem elektronischen Zustelldienst nach den Bestimmungen des 3. Abschnitts des Zustellgesetzes (ZustG) registriert.

Zu diesen Feststellungen gelangt der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Auskünfte des BFA, hinsichtlich derer der Antragsteller mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 24. November 2014 auf eine Stellungnahme verzichtet hat und an deren Richtigkeit keine Zweifel entstanden sind.

2. Gemäß § 38 Abs. 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache nicht binnen sechs Monaten entschieden hat.

Eine Säumnis, die den Fristsetzungsantrag zulässig macht, liegt jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn das Verwaltungsgericht seine Entscheidung schon vor Einlangen des Fristsetzungsantrags beim Verwaltungsgericht erlassen hat. Dafür reicht es aus, wenn (zumindest) einer Partei des Verfahrens - im Asylverfahren etwa dem BFA - eine schriftliche Ausfertigung dieser Entscheidung zugestellt wurde (vgl. VwGH vom 12. November 2014, Fr 2014/20/0028).

3. Im gegenständlichen Fall langte der Fristsetzungsantrag am selben Tag beim BVwG ein, an dem das verfahrensbeendende Erkenntnis dem BFA per Telefax übermittelt worden ist (die Zustellung an den Antragsteller erfolgte jedenfalls erst später). Es ist daher - die Rechtswirksamkeit dieser Zustellung vorausgesetzt (siehe dazu Pkt. 4) - zu beurteilen, ob der Fristsetzungsantrag in diesem Fall zulässig war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, an deren Stelle der Säumnisschutz durch den Fristsetzungsantrag getreten ist, war eine Säumnisbeschwerde unzulässig, wenn sie an dem Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde, an dem die Behörde den Bescheid erlassen hat. Begründet wurde diese Rechtsansicht damit, dass der Zweck der Säumnisbeschwerde darin liege, Abhilfe gegen die Untätigkeit einer Behörde zu bieten. Habe die Behörde aber am Tag des Einlangens der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof entschieden, sei sie an diesem Tag nicht mehr untätig gewesen und es habe einer Abhilfe gegen ihre Untätigkeit nicht mehr bedurft (VwGH vom 4. September 2001, 2001/05/0048, vom 18. September 2002, 2002/07/0056, und vom 24. Juni 2010, 2010/21/0134).

Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für den Säumnisschutz durch Fristsetzungsanträge, zumal sich am Zweck des gegen die Säumnis gesetzlich eingeräumten Rechtsbehelfs nichts geändert hat. Ausgehend davon ist ein Fristsetzungsantrag gemäß § 38 VwGG bereits dann unzulässig, wenn das Verwaltungsgericht seine Entscheidung am Tag des Einlangens des Fristsetzungsantrags bei ihm erlassen hat, wobei es dafür jedenfalls ausreicht, wenn die Entscheidung (zumindest) einer Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an diesem Tag rechtswirksam zugestellt worden ist.

4. Auf dieser Grundlage ist daher entscheidend, ob die Zustellung des Erkenntnisses des BVwG vom 4. September 2014 an das BFA im Wege eines Telefaxes rechtswirksam erfolgt ist.

Dazu ist vorauszuschicken, dass das Erkenntnis mit einer Amtssignatur im Sinn des § 19 E-Government-Gesetzes versehen war, weshalb die in der hg. Rechtsprechung aufgeworfenen Bedenken an der ordnungsgemäßen Fertigung von per Telefax übermittelten Erledigungen (vgl. VwGH vom 11. November 2013, 2012/22/0126, und vom 27. März 2014, 2013/10/0244) im gegenständlichen Fall nicht auftauchen.

Zustellungen ohne Zustellnachweis können gemäß § 37 ZustG auch an eine elektronische Zustelladresse des Empfängers erfolgen. Damit ist die Fax-Zustellung (seit der Novelle BGBl. I Nr. 5/2008) wieder eine auf Dauer ermöglichte einfachere Form der Zustellung nach den Vorschriften des ZustG (vgl. dazu die Erläuterungen zur RV 294 BlgNR 23. GP, 2). Es braucht hier nicht überprüft zu werden, ob die Zustellung des Erkenntnisses vom 4. September 2014 überhaupt ohne Zustellnachweis erfolgen durfte (vgl. dazu § 17 VwGVG in Verbindung mit § 22 AVG); fest steht nämlich, dass die Sendung dem Empfänger (BFA) am 5. September 2014 tatsächlich zugekommen ist, womit allfällige Mängel der Zustellung gemäß § 7 ZustG geheilt wären.

Es kann fallbezogen auch dahingestellt bleiben, ob § 21 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) in Verbindung mit den einschlägigen Normen der BVwG-EVV zukünftig elektronische Zustellungen der Ausfertigungen von Erledigungen des BVwG im Wege eines Telefaxes - abweichend von den Vorschriften des ZustG - nicht mehr möglich macht. Diesbezügliche Beschränkungen kämen nämlich gemäß § 21 Abs. 3 BVwGG nur nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Möglichkeiten in Betracht. § 2 Abs. 1 BVwG-EVV, wonach Ausfertigungen von Erledigungen des BVwG durch Anwendung eines Verfahrens im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 bis 3 der Verordnung übermittelt werden (diese Verfahren umfassen die Zustellung per Telefax nicht), setzt daher bei gesetzeskonformer Interpretation voraus, dass eine Übermittlung der Sendung an den Empfänger durch Anwendung eines derartigen Verfahrens technisch und organisatorisch überhaupt möglich ist. Da eine solche Möglichkeit im vorliegenden Fall nicht gegeben war, lässt sich aus den zuletzt angesprochenen Vorschriften schon deshalb keine Beschränkung der Regelungen des ZustG ableiten.

Die Zustellung des Erkenntnisses des BVwG vom 4. September 2014 an das BFA am 5. September 2014 erfolgte daher rechtswirksam.

5. Der Fristsetzungsantrag erweist sich aus diesen Gründen als unzulässig. Er war - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 Abs. 4 erster Satz VwGG zurückzuweisen, weil seiner Behandlung der Mangel der Berechtigung zu seiner Erhebung entgegenstand.

Wien, am 17. Dezember 2014

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