VwGH AW 91/06/0050

VwGHAW 91/06/005017.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des J in BRD, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, der gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 8. August 1991, Zl. Ve-550-1847/1, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Kirchberg i.T., vertreten durch den Bürgermeister), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:

Normen

BauO Tir 1989;
ROG Tir 1984 §15 Abs6;
VwGG §30 Abs2;
BauO Tir 1989;
ROG Tir 1984 §15 Abs6;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit dem im (aufsichtsbehördlichen) Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. Juni 1990, mit welchem dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung zum Abbruch sowie zur Neuerrichtung eines Wohnhauses mit angebauter Garage auf der Gp. nn1, KG XY., erteilt worden war, unter Anwendung der Bestimmung des § 68 Abs. 4 lit. d AVG iVm §§ 52 Abs. 1 lit. b und 31 Abs. 4 lit. a der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, als nichtig behoben, da es sich um eine unzulässige Bauführung im Freiland handle. Von der in § 15 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl. Nr. 4 idgF, vorgesehenen Möglichkeit, den vorhandenen Bestand (ohne Abbruch) zu sanieren und im geringfügigen Ausmaß zu vergrößern, habe der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht.

Der Beschwerdeführer beantragt, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und begründet dies wie folgt: Der gegenständliche - halbfertige - Bau befinde sich an der gleichen Stelle wie das frühere, seit 1961 existierende Bauwerk. Der Rohbau sei im wesentlichen fertiggestellt. Durch die Behebung der erteilten Baubewilligung drohe die Erlassung eines Abbruchbescheides und die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens. Dazu komme, daß das halb fertiggestellte Bauwerk den Winter nicht ohne Feuchtigkeitsschäden überleben

würde: es befänden sich noch keine Fenster im Bauwerk, sodaß die Isoliermatten im Keller den Witterungsverhältnissen unbehindert ausgesetzt seien. Auch sei der Estrich zum Teil (z.B. Wohnzimmer) nicht fertig, sodaß die Heizungsrohre der Feuchtigkeit und Kälte ausgesetzt seien. Durch die Stornierung der bereits erteilten Aufträge an die Professionisten würden erhebliche zusätzliche Kosten entstehen.

Die mitbeteiligte Gemeinde hat zu diesem Antrag dahin Stellung genommen, daß aus ihrer Sicht dem Aufschub des Vollzuges des angefochtenen Bescheides keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden. Die belangte Behörde sprach sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus, weil (zusammengefaßt) die Durchsetzung der Flächenwidmung (hier: Freiland) im öffentlichen Interesse liege, demgegenüber die - von der belangten Behörde ausdrücklich nicht in Abrede gestellten - wirtschaftlichen Nachteile des Beschwerdeführers in den Hintergrund zu treten hätten.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und nach Abwägung aller berühten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Ein Bescheid, mit welchem ein Bewilligungsbescheid nach § 68 Abs. 4 AVG als nichtig aufgehoben wird, ist grundsätzlich einem Vollzug zugänglich (vgl. den hg. Beschluß vom 13. September 1983, Slg. Nr. 11130/A), sodaß bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG grundsätzlich in Betracht kommt.

Sie ist im vorliegenden Fall auch gerechtfertigt:

Die vom Beschwerdeführer für den Fall, daß die bereits begonnene und schon weit fortgeschrittene Bauführung unterbrochen werden müßte, geltend gemachten wirtschaftlichen Nachteile liegen - soweit es um die Stornierung der abgeschlossenen Werkverträge geht - auf der Hand und wurden im übrigen durch die Vorlage von Lichtbildern und einer "Auflistung von Bauschäden die zwangsläufig am Bauwerk entstehen, wenn nicht weitergebaut bzw. ...

Fertigstellungsarbeiten nicht unverzüglich weitergeführt werden" (hergestellt von einem Baumeister) bescheinigt. Auch die mitbeteiligte Gemeinde und die belangte Behörde gehen in ihren Stellungnahmen von diesem Sachverhalt aus, sodaß keine Bedenken bestehen, ihn den folgenden Erwägungen zugrundezulegen.

Ehe in die Prüfung der Frage einzutreten ist, ob diese Nachteile nach Abwägung aller berührten Interessen für den Beschwerdeführer unverhältnismäßig wären, muß feststehen, daß öffentliche Interessen dem Antrag nicht entgegenstehen. Dies bejaht die belangte Behörde mit dem Hinweis auf das Erfordernis der Durchsetzung der Flächenwidmung gegenüber den vom Beschwerdeführer dargelegten Interessen. Dem ist insoweit beizupflichten, als die Einhaltung der Flächenwidmung als öffentliches Interesse beträchtliches Gewicht besitzt, wie auch daraus hervorgeht, daß Bescheide, die den Bestimmungen über die Flächenwidmung widersprechen, u.U. als nichtig aufgehoben werden können. Hier ist jedoch die Frage maßgebend, ob und welche öffentlichen Interessen den sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides gebieten und einem Zuwarten bis zur Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entgegenstehen. Dieses Interesse kann mit dem Interesse an der Einhaltung von Rechtsvorschriften nicht ident sein, zumal im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung naturgemäß noch gar nicht feststeht, ob im Ergebnis der angefochtene Bescheid zu Recht ergangen ist oder ob damit Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden. Das Interesse an der Einhaltung der Vorschriften über die Flächenwidmung ist überdies in gleichem Maße betroffen, ob nun ein halbfertiger Bau oder ein fertiges Bauwerk eine Verletzung dieser Vorschriften bewirkt. Mit dem Hinweis auf das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Flächenwidmungsplanes wird somit kein der Erteilung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehendes öffentliches Interesse im hier maßgebenden Sinne aufgezeigt.

Wägt man das Interesse an der Einhaltung der Bestimmungen über Flächenwidmung gegen die vom Beschwerdeführer dargelegten drohenden Nachteile ab, so erweist sich vielmehr, daß letztere - müßte sie der Beschwerdeführer noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Kauf nehmen - schon deshalb unverhältnismäßig sind, weil sie dem Beschwerdeführer einen Schaden verursachen würden, den er auch im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu tragen hätte, während im anderen Fall selbst die zwischenzeitige Vollendung des Bauwerks einem späteren Abbruch nicht entgegenstünde. Das Risiko des u.U. verlorenen Aufwandes abzuwägen, ist Sache des Beschwerdeführers. Dem Antrag war daher spruchgemäß Folge zu geben.

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